Sei ein Mensch!
Sei ein Mensch!
Heiko Frubrich, Prädikant - 22.02.2025
Heute geht er nun also zu Ende der winterliche Turbo-Wahlkampf für die morgen anstehende Bundestagswahl. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich empfinde die Stimmung dieses Mal anders als vor anderen Wahlen. Denn es geht um mehr als nur die Frage, wie eine neue Regierung aussehen kann. Es geht auch darum, dass aus Deutschland nach der Wahl Impulse ausgehen, um Europa wieder zusammenzuführen. Und das nicht nur deshalb, weil die Schengen-Freiheit so schön ist oder weil man auch in Italien und Polen preiswert mit dem Handy telefonieren kann. Es geht darum, dass Europa mehr denn je gefordert ist, Freiheit und Gerechtigkeit zu bewahren und dafür einzutreten.
Die Herausforderungen, vor denen die Welt insgesamt steht, sind beträchtlich. Die Herangehensweise, um sie zu bestehen, ist eher ernüchternd. Klimawandel, Hunger, Wettrüsten und Ausbeutung ist nicht mit nationalem Egoismus und hegemonialem Größenwahn beizukommen, sondern nur mit gemeinsamem Handeln.
Ich finde es bemerkenswert, dass viele der verantwortlichen Nationen eine durchaus christliche Prägung haben – Russland, Amerika und Europa ohnehin. Wie wäre es dann mit einem Blick in die Bibel auf eine Passage, die Paulus an die Galater richtet: „Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“
Ich will hier nichts mit irgendeiner klebrig-frommen Soße zuschütten. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir es hinbekommen müssen, über all die Gräben, die aufgerissen wurden, wieder zueinander zu finden, auch in unserem Land. Es ist doch mittlerweile so weit, dass wir über manche Themen gar nicht mehr miteinander reden können, ohne dass es in persönlichen Anfeindungen endet. Das gilt im Großen wie im Kleinen.
Und dabei verlieren wir schnell aus dem Blick, was uns trotz aller Meinungsverschiedenheit miteinander verbindet. Zugegeben, das ist mitunter recht wenig und vielleicht müssen wir auch lange nach Gemeinsamkeiten suchen. Nur eines ist klar: Es ist der falsche Weg, alle Kraft darauf zu verwenden, die Gräben zwischen uns noch breiter und tiefer zu machen.
Und wenn uns Paulus mit seinem Wort dann vielleicht doch nicht erreicht, dann ist es ja möglichweise die ganz grundlegende Erkenntnis, dass wir alle Menschen sind, die gemeinsam Verantwortung tragen – füreinander, für uns selbst, für diese Welt, in der wir leben, und für all jene, die nach uns kommen.
Marcel Reif hat vor einem Jahr im Deutschen Bundestag anlässlich des Holocaustgedenktages ein Wort seines Vaters zitiert, was es wunderbar auf den Punkt bringt: Sei ein Mensch. Und ich füge hinzu: Mit Gottes Hilfe und in Jesu Namen. Amen.
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Demut statt Größenwahn
Heiko Frubrich, Prädikant - 21.02.2025
Das Wort, das über der aktuellen Woche steht, stammt aus dem Alten Testament, aus dem Buch des Propheten Daniel. Es lautet: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Es ist nicht ganz klar, wie alt diese Worte sind, doch es dürfte nicht allzu viel an 2500 Jahren fehlen. Und dennoch finde ich sie gerade für unsere Zeit wichtig und wertvoll.
Denn was sagen sie aus: Nicht unsere eigene Gerechtigkeit, nicht unsere Selbstgerechtigkeit ist für uns das Maß aller Dinge, sondern Gottes Barmherzigkeit ist es, worauf wir vertrauen. Demut statt Größenwahn steht im Vordergrund, Nächstenliebe statt Hass und Hetze, Gottvertrauen statt Angst und Resignation.
Wenn wir Menschen das in unseren Herzen hätten, wäre schon viel erreicht. Denn niemand käme auf die Idee, sich wichtiger zu fühlen als andere. Niemand würde nur in Deals denken, bei denen ausschließlich der eigene Vorteil zählt. Niemand würde sich anmaßen, über das Leben anderer zu verfügen, nur, um den eigenen Narzissmus auszuleben.
Sich in Demut an Gott zu wenden, anzuerkennen, dass er die höchste Instanz ist und das eigene Denken, Reden und Tun an den Werten auszurichten, die er uns in seinem Sohn vorgelebt hat, ist der Weg, der ganz sicher zum Frieden führt. Natürlich unterlaufen uns dabei Fehler. Natürlich werden wir bei allem Bemühen unseren Mitmenschen auch immer wieder etwas schuldig bleiben. Doch es gibt rote Linien, die wir nicht überschreiten werden, wenn wir unser Christ-Sein ernst nehmen.
Krieg, Gewalt und Terror wären ein für alle Mal vom Tisch. Und wir alle würden es hinbekommen, zu vergeben, aber auch um Vergebung zu bitten. Und wir würden verstehen, dass wir einander unterstützen sollen, wenn die Lasten so schwer werden, dass sie alleine nicht mehr zu tragen sind.
Schöne, heile Welt. Einerseits ja, andererseits aber irgendwie auch ultima ratio. Denn wenn wir so weitermachen wie bisher, wird diese Welt nicht besser werden – ganz im Gegenteil. Stellt sich nur die Frage: Was können wir dazu beitragen, Sie und Ihr und ich?
Vorgestern Abend haben sich Menschen hier vor unserer Tür getroffen, um darüber zu reden, wie wir unsere Demokratie stärken können. Den Stein der Weisen haben wir dabei nicht gefunden, aber wir haben festgestellt, dass es gut war, mit Gleichgesinnten zusammenstehen, sichtbar zu werden mit Tee und Kerze und sich gegenseitig zu hören, zu stärken, zu bestätigen.
Und vielleicht werden ja andere Menschen neugierig und finden so den Mut, sich so sichtbar zu machen, als solche, die sagen: Es geht auch friedlich und freundlich und respektvoll. Denn genau das hat uns Jesus Christus für unser Miteinander ins Stammbuch geschrieben. Wir sollten drüber reden. Amen.
Download als PDF-Datei Friedrich Weißler – ein aufrechter Christenmensch
Friedrich Weißler – ein aufrechter Christenmensch
Heiko Frubrich, Prädikant - 20.02.2025
Im evangelischen Namenskalender ist unter dem heutigen Datum der Name Friedrich Weißler verzeichnet. Weißler war ab 1934 Kanzleileiter der Bekennenden Kirche, also des Zweiges der evangelischen Kirche in Deutschland, die sich gegen die Nationalsozialisten stellten.
Von Hause aus war er Jurist. 1891 geboren, stammte er aus einer jüdischen Familie, wurde jedoch auf Wunsch der Eltern zusammen mit seinen Geschwistern bereits im Kindesalter evangelisch getauft. 1914 promovierte er in Halle und war nach dem Krieg an mehreren Gerichten tätig, zuletzt als leitender Richter am Landgericht in Magdeburg.
Anfang Februar 1933 verhandelte er dort in einem Strafverfahren gegen einen SA-Mann, der verbotenerweise in voller Uniform vor Gericht erschien. Friedrich Weißler belegte ihn dafür mit einem Ordnungsgeld von drei Reichsmark. Kurze Zeit später wurde er von SA-Leuten in seinem Büro überfallen, geschlagen und getreten, durch die Straßen der Stadt Magdeburg geschleift und in einem SA-Lager eingesperrt. Kurze Zeit später erfolgte seine Suspendierung und im August 1933 die endgültige Entlassung aus dem Justizdienst.
In seiner sich dann anschließenden Tätigkeit für die Bekennende Kirche arbeitete Friedlich Weißler eng mit Karl Barth und Martin Niemöller zusammen. Er war Mitverfasser einer an Adolf Hitler gerichteten Gedenkschrift, in der die nationalsozialistische Rassenideologie und der Terror gegen Andersdenkende kritisiert wurden. Im Oktober 1936 wurde Weißler von der Gestapo verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt, wo er am 20. Februar 1937 von Nazi-Schergen brutal ermordet wurde. Friedrich Weißler gilt somit als der erste Märtyrer der Bekennenden Kirche.
Vor ein paar Tagen erhielt der evangelische Propst Steffen Paar in Itzehoe ein Drohschreiben aus ganz offensichtlich rechten Kreisen. Er und sein Mann sollten damit eingeschüchtert werden und endlich mit Verbreitung von Lügen zum Klimawandel und zur Migration aufhören, „die auch die Kirche durch Homosexuelle“ verbreiten lasse.
Leider ist so etwas mittlerweile kein Einzelfall mehr. Immer öfter und immer unverhohlener werden Kirchenleute aber auch Politikerinnen und Politiker, die sich für unsere Demokratie und gegen Hass und Hetze einsetzen, bedroht. Ja, sie erfahren durchaus Solidarität, doch manchmal reicht die Kraft nicht aus und die betroffenen Menschen ziehen sich zurück und beenden ihr so wichtiges Engagement.
All das sind Symptome einer zunehmenden Verrohung und einer steigenden Gewaltbereitschaft in unserem Land, wobei rund dreiviertel der politisch motivierten Straftaten aus dem rechten Milieu kommen. Jesus Christus sagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ An diesem Maßstab muss sich auch politische Denken, Reden und Handeln messen lassen. Der Todestag Friedrich Weißlers ist ein gutes Datum, um daran zu erinnern. Amen.
Download als PDF-Datei Demokratie schützen
Demokratie schützen
Heiko Frubrich, Prädikant - 19.02.2025
Früher, wenn man sich gruseln wollte, kaufte man sich früher eine Karte für die Geisterbahn auf der Masch oder man ging ins Kino. Heute reicht eine Ausgabe der Tagesschau, eine Meinungsumfrage zur anstehenden Wahl oder eine kurze Info über das, was Trump oder einer seiner Vasallen gerade mal wieder vom Stapel gelassen hat.
Vieles davon ist mindestens mal beunruhigend und das spüren derzeit viele Menschen in unserem Land, was auch darin deutlich wird, dass gerade in den letzten Wochen wieder verstärkt Demonstrationen mit vielen Tausend Menschen stattgefunden haben, die sich für unsere Demokratie einsetzen.
In vier Tagen wählen wir nun einen neuen Bundestag und bei dieser Wahl geht es nicht nur darum, wer für die nächsten vier Jahre in unserem Land Kanzler wird. Es geht auch darum, dass eine in Teilen rechtsradikale Partei, in deren Führungsgremien Faschisten und Neonazis sitzen, mit beträchtlichen Stimmenzuwächsen rechnen kann und so ihren negativen und destruktiven Einfluss auf unsere demokratische Grundordnung weiter ausbaut.
Und auch die furchtbaren Attentate von Magdeburg, Aschaffenburg, München und Villach, ausgeführt von verblendeten Fanatikern, machen uns Angst und richten sich im Kern gegen unsere Lebensweise in Vielfalt und Freiheit.
Unsere Demokratie braucht Schutz. Doch was können wir tun, jede und jeder einzelne von uns, die wir doch nur über eine kleine Kraft verfügen. Demokratie schützen – lasst uns darüber reden, wie. Und das gerne gleich heute um 17:30 Uhr auf dem Domplatz direkt vor unserer Tür, mit Tee und Kerzen und ohne große Tagesordnung.
Unter der Überschrift „Demokratie stärken“ haben sich Menschen aus unserer Stadt zusammengefunden, unter andrem auch, um einen Ort zu schaffen und eine Gelegenheit zu organisieren, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Es soll ein Austausch sein, ein sich gegenseitig zuhören, bestätigen, stärken. Es soll ein Zeichen sein, dass Menschen auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in ganz unterschiedlichen Formaten gemeinsam für unsere freie und tolerante Gesellschaftsordnung sichtbar werden.
Diskussionen über gesellschaftliche und politische Themen werden auch immer wieder Kontroversen zu Tage fördern. Das darf und muss auch so sein, gerade in einer Demokratie. Dennoch soll es gleich hier vor der Tür im wahrsten Sinne des Wortes radikal freundlich zugehen – immer in gegenseitigem Respekt, auch wenn die Standpunkte auseinanderliegen mögen.
Lasst uns reden – darüber, wie wir dem Hass und der Ablehnung begegnen, die immer mehr um sich greifen. Lasst uns reden – darüber, wie wir wieder mehr zueinanderfinden und die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht in Feindschaft, sondern in Zusammenarbeit zu bewältigen versuchen. Lasst uns reden – darüber wie wir als Gesellschaft wieder unsere gemeinsame Wertebasis finden, die über alle unterschiedlichen Standpunkte hinweg unsere Demokratie über Jahrzehnte stark gemacht hat.
Das Versöhnungsgebet aus Coventry, dass wir gleich miteinander beten, endet mit einem Pauluswort: Seid untereinander freundlich und herzlich! Das kann ein gutes Motto sein – gleich für die Gespräche beim Tee aber auch weit darüber hinaus. Amen.
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Wähl Liebe!
Henning Böger, Pfarrer - 15.02.2025
„Wähl Liebe! Es ist 5 vor 12!“ Unter diesem Motto steht heute ein bundesweiter Aktionstag der Christopher Street Day-Bewegungen. Acht Tage vor der Bundestagswahl am 23. Februar wird in vielen deutschen Städten parallel zur symbolischen Uhrzeit „fünf vor zwölf“ für Demokratie und Diversität in unserer Gesellschaft demonstriert. Auch auf dem Braunschweiger Schlossplatz in Hörweite des Doms wird es trotz Schneetreiben und Winterkälte in diesen Minuten laut und bunt und in jedem Fall politisch.
„Gemeinsam wollen wir ein Zeichen für Vielfalt setzen und gegen Hass!", heißt es im Aufruf zum queeren Aktionstag. Den Initiator*innen geht es darum, für die Rechte der queeren Community zu sensibilisieren. Und sie wollen dazu ermutigen, am 23. Februar demokratische Parteien zu wählen, die für Toleranz und Gleichberechtigung eintreten. Wählt Liebe eben!
Meine Kollegin Johanna Klee, Pastorin am Theologischen Zentrum in Braunschweig, hat dazu einen klugen Gedanken formuliert. Sie sagt: „Wenn wir Menschen im biblischen Verständnis Ebenbilder Gottes sind, dann sind wir es in unserer ganzen Buntheit und Vielfalt.“
Mir gefällt dieser Gedanke: Jeder Mensch, du und ich, ist in seiner geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung ein Abbild Gottes, ein lebendiges Zeichen seiner Liebe.
„Wer in dieser Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“, weiß die Bibel dazu und erinnert daran, dass wo Liebe ist, Gott niemals fern sein kann. Wo wir Liebe wagen und weitertragen, da werden wir, wie Gott uns gemeint hat: ein kleiner Teil seiner bunten Liebe für diese Welt.
„Wähl Liebe! Es ist 5 vor 12!“ Für alle, die sich im Vorfeld der Bundestagswahl laut und deutlich für Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung stark machen, gibt es heute Mittag aus dem Braunschweiger Dom eine Ermutigung mit auf den Weg, die uns allen gilt: Du sollst so leben und lieben dürfen, wie Gott dich geschaffen hat!
Wähl Liebe, Mensch! Und setze dein Kreuz so, dass in den Köpfen und Herzen keine Grenzen entstehen.
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Valentinstag
Cornelia Götz, Dompredigerin - 14.02.2025
Valentinstag. Rosen, rosa und Romantik – ein Hoch auf die Liebe, die Verliebten.
Eine schöne Geschäftsidee. Aber nicht nur. Auch ein Anlass, in den Mund zu nehmen, was man sonst nicht ausdrücklich sagt, sich umeinander Mühe zu geben, zärtlich und liebevoll zu sein.
Und dann die Nachrichten. Wieder ein Gewaltakt. Absichtsvoll, wie es scheint. Wieder gibt es Tote und Verletzte. Wieder …
Geht das zusammen oder lässt es sich nur so aushalten? Indem eben doch auch Fluchten möglich bleiben – in Alltag oder Kitsch, in die Küche und zu einem guten Essen, in eine Kuschelei oder einen Liebensfilm?
Bestimmt. Die Liebste kann ja nichts dafür, wenn irgendwo ein Attentäter durchdreht. Ja. es sind meistens Männer. Die sind es auch, die Zuhause so gefährlich werden können.
Valentinstag. Möge es eine zarte, verlässliche und behutsame Liebe sein, die wärmt und guttut – statt besitzen zu wollen und zu zerstören.
So schaue ich auf diesen verschneiten Februartag und blättere zurück zur Jahreslosung aus dem ersten Korintherbrief: „Prüft alles und behaltet das Gute.“
Das werden die Terrorismus- und Sicherheitsexperten jetzt tun. Sie werden prüfen. Was werden wir behalten im Ringen um Offenheit, Pluralität und Sicherheit? Hoffentlich das Gute: den Blick auf die vielen unter uns, deren Leben das Grundrecht auf Asyl gerettet hat, die arbeiten und sich hineinfinden in unserer Gesellschaft, die unsere Nachbarn, Kollegen und Freunde geworden sind.
„Prüft alles und behaltet das Gute.“
Valentinstag. Ja, vielleicht ist das aufgesetzter Unsinn.
Aber radikale Freundlichkeit sollten wir unbedingt behalten oder neu ins Programm aufnehmen. Denn was nützen Blumenberge auf Gräbern, wenn man zu Lebzeiten nie eine bekommen hat? Was nützen Diamanten, wenn im Alltag kein liebevolles Wort fällt? Was nützt es, dass Pilatus sagt – wie es über diesem Tag aus dem Johannesevangelium steht - „Seht, welch ein Mensch“ – wenn er ihm doch hat eine Dornenkrone aufsetzen, ihn hat demütigen und foltern lassen?
„Prüft alles und behaltet das Gute.“
Der Valentinstag ist eine gute Intervention – gegen Hass und Gewalt, gegen Herabwürdigung und Verallgemeinerung, gegen Lieblosigkeit und Vorurteile.
Der Valentinstag fordert unsere Liebenswürdigkeit heraus.
Wir sollten ihn behalten.
Download als PDF-Datei „Menschenwürde – Zusammenhalt – Nächstenliebe“
„Menschenwürde – Zusammenhalt – Nächstenliebe“
Cornelia Götz, Dompredigerin - 12.02.2025
Am Dom hängt das Banner mit der Kampagne zur Bundestagswahl: es sind große Worte, die einsam über dem leeren Platz stehen während der bitterkalte Wind in die Knochen kriecht.
Mir geht nach, dass A.L. Kennedy gestern in der Süddeutschen beschrieb, wieviel Vorerfahrung man mit Blick auf eine Gesellschaft, in der „Menschenwürde – Zusammenhalt – Nächstenliebe“ drohen verloren zu gehen, schon hat, wenn man in der Annahme aufwuchs: „Eine Kindheit, in der man betet, dass die eigene Mutter überlebt, sei normal.“
Mithin: wer Glück hatte und in Geborgenheit groß wurde, erkennt die Zeichen der Zeit womöglich nur langsam, hält den Schutz seiner Menschenwürde für selbstverständlich, ahnt nicht dass Nächstenliebe und Zusammenhalt Leben rettet.
Wer Glück hatte und Wohlstand kennenlernen durfte, ist womöglich gefährdeter als andere „eine Echokammer auf zwei Beinen zu werden“ wie Kevin Kühnert gestern im Bundestag sagte. Opportunismus und Integrität sind nicht dasselbe, warnte er. Es wird um Haltung gehen und auch um Vertrauen – in die, mit denen wir leben, in die die wählen und in die, die sich wählen lassen.
Wir werden uns fragen müssen:
Wird Menschenwürde ein Privileg werden – für die, die Glück haben?
Wird Zusammenhalt eine Chiffre werden für die, die sich Stimmen borgen?
Wird Nächstenliebe das „nice to have“ für die, die ohnehin nicht allein sind?
Das sei ferne! Hoffentlich.
Denn sonst gilt, wie Jeremia – den man einen Unheilspropheten nannte – seinerzeit ausrief und wie es über diesem Mittwoch steht:
„Sie gieren alle, Klein und Groß, nach unrechtem Gewinn, und Propheten und Priester gehen alle mit Lüge um und heilen den Schaden meines Volkes nur obenhin, indem sie sagen: Friede! Friede! Und ist doch kein Friede!“
So alte Worte. Sie beschreiben, was ist. Aber nicht, was möglich ist unter uns: „Menschenwürde – Zusammenhalt – Nächstenliebe“, denn wir haben nicht den Geist der Verzagtheit, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Download als PDF-Datei Man kann keine Lüge beten
Man kann keine Lüge beten
Cornelia Götz, Dompredigerin - 10.02.2025
Mein Mann liest mir manchmal vor. Zur Zeit Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Aus unerfindlichen Gründen sind diese beiden fantastischen Bücher bisher an mir vorbeigegangen. Aber jetzt ist ein hochgelobtes Buch erschienen, dass die Geschichte aus der Sicht des Sklaven Jim erzählt und um das zu verstehen, muss ich das Original kennen.
Ein wundervolles Kinderabenteuer. Und eine knochenharte Sozialkritik, bei der man sich angesichts von Rassendiskriminierung, Waffenwahn und der Verführbarkeit von Menschen durch manipulative Ganoven wirklich wundert, wie wenig sich in Amerika in den letzten 150 Jahren verändert hat und warum das das beste oder gar verheißene Land sein soll.
Andreas Nohl hat das Seinige dazugetan, indem er mit einer genialen Übersetzung dafür sorgte, dass die Figuren deutlich und charakterstark gezeichnet werden – vor allem mit ihren ganz unterschiedlichen O-Tönen. Zugleich schützt er die Würde des schwarzen Sklaven, der nun nicht mehr so gebrochen spricht als wäre er nicht in der Lage, ganze Sätze zu bilden.
Im zweiten Teil des Buches begleiten die Leser*innen Huck und Jim bei ihrer Flucht in den Süden. Der kleine Huck, ein weißer Junge aus äußerst prekären Verhältnissen ist randvoll gestopft mit den Vorurteilen nicht nur seiner Zeit. Dass der Schwarze ein echter Freund ist, Gefühle hat und um seine verlorene Familie trauert, nimmt er staunend zur Kenntnis; aber dass ihn irgendjemand dabei unterstützen würde, diesem schwarzen Mann zur Freiheit zur verhelfen, hält er für ausgeschlossen. Ja, er hält es selbst für eine schlechte Tat, dem entlaufenen um seine Freiheit kämpfenden Menschen beizustehen - er gehört ja schließlich jemanden.
Menschenwürde hängt so unmittelbar an Hautfarbe und Besitz, dass es kaum ein aktuelleres Buch geben kann.
Huck, der Junge, der selbst nie in gesicherten Verhältnissen lebte, der nur kurz zur Schule ging und sich Moral im Überlebenskampf kaum leisten kann, will trotz allem „das Richtige und Gute tun“ und doch weiß er nicht, wie das geht und ob das, was er vorhat, richtig und gut ist.
Wo kommt dann Orientierung her? Huck will beten. Aber in seiner Verwirrung spürt er: „Man kann keine Lüge beten.“
Fünf Wörter. Man kann keine Lüge beten.
Es sind nicht die Erwachsenen, nicht die Prediger, Lehrer und Richter, denen Mark Twain diese Wahrheit in den Mund legt, sondern ein Kind auf der Flucht.
Gott können wir nicht belügen, nur uns selbst.
Denn er „ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
Download als PDF-Datei Es geht weiter!
Es geht weiter!
Heiko Frubrich, Prädikant - 08.02.2025
Es gibt runde Geburtstage und es gibt runde Todestage. Erstere sind oftmals Anlass für rauschende Feste, letztere eher für freundliche Erinnerungen – nicht nur an die Menschen an sich, sondern auch an das, was sie hinterlassen haben, was von ihnen geblieben ist, wofür sie gelebt haben. Und natürlich ist das bei Komponistinnen und Komponisten die Musik.
Um Bach zu hören oder Verdi, Brahms oder Widor braucht es keine besonderen Anlässe. Sie stehen für sich, sind präsent mit ihren Werken, ihrer Genialität und ihrer Einzigartigkeit. Doch es gibt andere, die es nicht zu so großer Berühmtheit gebracht haben. Umso begrüßenswerter ist es, dass Kantor Robin Hlinka heute für ihre Musik Raum schafft, für Brunckhorst, Gigout, Trambling und Hägg, die in diesem Jahr runde Todestage haben.
Alle waren sie Kinder ihrer Zeit und so spiegelt auch das, was sie komponiert haben, die Art und Weise wieder, wie Musik zu ihren Zeiten klingen konnte. Was sie aber über die Jahrhunderte miteinander verbindet, ist eine unverkennbare oder besser gesagt unüberhörbare Liebe zur Orgel. Und dieses Instrument, dessentwegen ja auch Sie heute hier sind, lässt uns heute erleben, was die vier Komponisten geschaffen haben. Und so wird die Musik für die vier zu einem Anker, der sie gegen das Vergessen schützt.
Haben Sie solche Anker in Ihrem Leben auch schon ausgeworfen? Haben Sie musikalisch, literarisch oder sonst irgendwie kunstschaffend bereits Spuren gelegt, die die Zeiten überdauern werden? Die wenigsten unter uns haben das, ich auch nicht, aber das lässt mich auch nicht unruhig werden.
Ziemlich am Ende des Hebräerbriefes findet sich ein, wie ich finde, sehr weiser Satz und der lautet: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Will sagen: Nichts auf dieser Welt ist ewig. Und es wird eine Zeit kommen, da wird selbst die Musik von Johann Sebastian Bach hier auf der Erde für immer verstummt sein.
Wir aber dürfen in der Gewissheit leben, dass es eine Perspektive gibt, die darüber hinausweist, die uns die Sicherheit gibt, jenseits aller runden Geburtstage und Sterbetage und jenseits aller Zeiten geborgen zu sein in Gottes Herrlichkeit. Denn unser Freund und Bruder Jesus Christus hat uns die Tür zur Ewigkeit aufgestoßen.
Diese Erkenntnis entspannt und entlastet. Denn sie befreit uns von dem Druck, aus unserer Zeit hier auf der Erde so viel herauszuquetschen, wie nur irgendwie geht. Ja, unser Leben im Hier und Jetzt ist schön und wir dürfen es genießen in fröhlicher Gelassenheit. Dabei sollen wir Gottes Erwartungen an uns durchaus im Blick behalten. Aber wir dürfen eben auch wissen, dass es danach noch weitergeht und dass das Schönste auf uns noch wartet. Und wir dürfen schon jetzt gespannt sein, welche Musik wir dann zu hören bekommen werden. Ich bin mir nur in einem ganz sicher: Sie wird wunderschön sein. Amen.
Download als PDF-Datei Ist Gott auch ein Mathematiker?
Ist Gott auch ein Mathematiker?
Heiko Frubrich, Prädikant - 07.02.2025
Als ich heute Morgen am Schreibtisch saß und diesen Abendsegen vorbereitete, musste ich feststellen: Heute ist echt nichts los. Also natürlich gibt es Nachrichten und Neuigkeiten aus der Politik und dem täglichen Leben. Doch meine Suche nach runden Geburts- oder Todestagen berühmter Menschen, Jahrestagen bedeutender Ereignisse, christlichen Gedenk- oder Festtagen blieb ohne Erfolg. Doch dann fand ich im allwissenden Internet den Hinweis, dass heute der Tag der Eulerschen Zahl e ist.
Das fand ich spannend. Dankbarerweise gab es dann weitere Internetartikel mit der Überschrift: „Die Eulersche Zahl einfach erklärt“, bei deren Lektüre ich allerdings feststellen musste, dass der Begriff „einfach“ sehr relativ ist. Was ich Ihnen einfach sagen möchte, ist, dass die Eulersche Zahl e auf den Schweizer Mathematiker Leonard Euler zurückgeht, der im 18. Jahrhundert lebte und dass es sich bei e um eine irrationale, transzendente reelle Zahl handelt und sie die Basis für den natürlichen Logarithmus ist.
Wie kriegt man jetzt die Kurve zum lieben Gott? Eigentlich ganz einfach. Denn der ist nicht nur der Schöpfer des Himmels und der Erde, er ist offensichtlich auch ein großer Freund der Mathematik. Wie wäre sonst zu erklären, dass wir in Gottes Schöpfung ganz viele mathematische Prinzipien wiederfinden? Nehmen wir eine Ananas. Je nachdem wie Sie die viereckigen Waben miteinander verbinden, horizontal, vertikal oder diagonal, kommen Sie auf 5, 13 oder 21 mögliche Verbindungslinien und diese Zahlen, 5, 13 und 21 entstammen einer Zahlenreihe, die der Italienische Mathematiker Leonardo Fibonacci entdeckte. Ähnliche Regelmäßigkeiten findet man beim Rosenkohl oder der Anordnung von Blütenblättern. Und dann gibt es zum Beispiel noch den sogenannten „Goldenen Schnitt“, der die Relation von Seitenlängen beschreibt und den wir in der Natur vielfach wiederfinden, und, und und.
All diese Gesetzmäßigkeiten haben eines gemeinsam: Wir Menschen haben sie nicht erfunden, sondern nur entdeckt. Sie sind einfach da und über die genannten und über bisher erkannten gibt es wahrscheinlich noch viele weitere, von denen wir heute noch gar nichts ahnen.
Klar, man könnte jetzt sagen, dass das alles kosmische Zufälle sind. Das ist mir persönlich aber zu dünn. Denn Zufälle haben keine Regeln. Hier gibt es aber Regeln. Und wenn sie nicht von uns Menschen aufgestellt sind, dann bleibt ja wohl nur noch einer übrig, der sich ganz offenbar was dabei gedacht hat, wie denn so eine Ananas oder eine Margeritenblüte aussehen soll.
Und genau davon haben wir gerade gehört im 104. Psalm: „HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.“ Amen.
Download als PDF-Datei Wahl-O-Mat
Wahl-O-Mat
Heiko Frubrich, Prädikant - 06.02.2025
Seit heute Vormittag ist der Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl online. In einem Interview hat sich einer der verantwortlichen Entwickler im Radio zu den besonderen Herausforderungen geäußert, die in diesem Jahr wegen der sehr kurzen Vorbereitungszeit auf das Team zugekommen sind. Es waren nur wenige Wochen statt der sonst üblichen mehreren Monate und dann lag obendrein noch die urlaubsträchtige Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel mittendrin.
Doch es hat alles geklappt. Mit der Stellungnahme zu insgesamt 38 Thesen kann man checken, wie nahe man welcher Partei mit seiner dort geäußerten Meinung steht. Ich habe es mal ausprobiert und war vom Ergebnis nicht überrascht, was ja durchaus auch eine beruhigende Erkenntnis sein kann.
Der Wahl-O-Mat kann also dabei helfen, sich am 23. Februar gut vorbereitet auf den Weg ins Wahllokal zu machen. Er kann dazu beitragen, zu verhindern, dass Menschen geplagt von Ratlosigkeit und Unentschlossenheit Stunden um Stunden in der Wahlkabine verbringen. Er kann uns bestätigen, dass uns unsere politischen Ansichten das Kreuz an der richtigen setzen lassen.
Jetzt kommt eine ziemlich rumpelige Überleitung, aber das Bibelwort für den Monat Februar beschreibt auch so eine Art Wahl-O-Mat. Doch es geht darin nicht um politische Parteien, sondern um viel Größeres. Das Wort stammt aus dem 16. Psalm und lautet: „Du tust mir kund den Weg zum Leben.“
Hier wird kein Computeralgorithmus angesprochen, sondern Gott, dem König David, von dem der Psalm stammt, überschwänglich dafür dankt, dass er ihm Orientierung gibt. „Ich lobe den Herrn, der mich beraten hat“, schreibt David. „Ich habe den Herrn allezeit vor Augen. Er steht mir zur Seite, darum wanke ich nicht.“
Ein bemerkenswertes Gottvertrauen klingt aus diesen Worten und David spricht davon mit einer geradezu ansteckenden Begeisterung. Und ja, wir dürfen uns gerne davon anstecken lassen. Denn es ist, wie ich finde, wirklich wohltuend, in unseren bewegten und bewegenden Zeiten auf Gott vertrauen zu können, der auch Ihnen und mir den Weg zu einem Leben kundtut, das wir so führen können und sollen, wie Gott es sich für uns alle gedacht hat.
Dem gefolgt sind auch die Erfinder des christlichen Wahl-O-Mat, dessen Thesen als großes Transparent draußen an unserem Dom zu lesen sind: „Für alle mit Herz und Verstand – Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt wählen“. Vielleicht hilft das ja noch mehr, als der Wahl-O-Mat im Internet. Du tust mir kund den Weg zum Leben. Amen.
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Die Demut nicht vergessen!
Heiko Frubrich, Prädikant - 05.02.2025
Wenn man gemeinsam vor einer Aufgabe steht, die schwierig zu lösen ist, vor einer Herausforderung, die neu und groß ist und zu dieser einen vielleicht noch weitere derselben Güteklasse hinzukommen, dann führt ein Weg ganz sicher nicht zu einem guten Ende: der nämlich, auf dem man sich zankt und streitet, sich gegenseitig beschimpft und schlechtmacht.
In den vergangenen Tagen und Wochen konnte man allerdings den Eindruck gewinnen, dass sich all diejenigen, die unsere Demokratie achten und schätzen, in der politischen Debatte genau auf diesen Weg gemacht haben. Denn, so zumindest mein Eindruck, ist vor lauter Wahlkampfgetöse ein konstruktives Miteinander kaum mehr wahrnehmbar.
Ja, es ist gut, wenn in der Politik mit offenem Visier klare Kante gezeigt wird. Das hilft bei der Wahlentscheidung, denn so werden Konturen deutlich, die beim Unterscheiden helfen. Wenn aber so Wesentliches auf dem Spiel steht, wie das Schicksal von Menschen, die getrieben von Terror, Hunger und Not ihre Heimat verlassen mussten, dann darf man auch in den schärfsten Debatten nicht vergessen, dass es immer noch um Menschen geht.
Und wie das immer so ist: Wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte. Hier streiten sich gleich mehr als zwei aber den lachenden Rechtsaußen gibt es eben auch. Und so helfen diese mehr oder weniger gutgemeinten Diskussionen und Auseinandersetzungen zwar nicht bei der Problemlösung aber doch wenigstens den Falschen.
Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Rom: „Seid eines Sinnes untereinander. Haltet euch nicht selbst für klug.“
Seid eines Sinnes untereinander. Niemand erwartet, dass sich immer alle bei jedem Thema glückselig in den Armen liegen. Konstruktiver Streit ist wichtig, denn nur so lassen sich aus diversen Ideen die besten Lösungen herausfinden. Aber man möge sich dabei doch bitte nicht nach bester Kesselflickermanier derart in Wolle kriegen, dass dabei jegliche Kompromissfähigkeit verloren geht.
Haltet euch nicht selbst für klug, glaubt nicht, dass ihr allein die Weisheit für euch gepachtet habt. Vergesst die Demut nicht. Das tut uns im Übrigen alles immer wieder gut, wenn wir uns daran erinnern. Niemand ist fehlerfrei, wir alle sind begrenzt in unserem Können und Verstehen. Doch wenn wir uns dessen bewusst sind, ist das schon einmal ein erster Schritt in die richtige Richtung – nämlich in jene, die auf die Wege des Friedens führt. Amen.
Download als PDF-Datei Liebe Schwestern und Brüder
Liebe Schwestern und Brüder
Heiko Frubrich, Prädikant - 04.02.2025
Liebe Schwestern und Brüder, diese Anrede hören Sie in unseren Abendsegen eher selten, heute aber schon. Klar, die Begrifflichkeiten „Schwester und Bruder“ haben unterschiedliche Bedeutungen. Wir, die wir heute hier im Dom sind, haben nicht alle dieselben Eltern, wobei das ja mal ein ganz spannender Gedanke wäre, dem Sie auf dem Weg nach Hause mal nachgehen können. Schwestern und Brüder sind wir aber irgendwie schon, denn wenn man die Menschheitsgeschichte bis zu ihren Ursprüngen zurückgeht, verengt sich der Stammbaum dann doch in grauer Vorzeit auf einige wenige.
Biblisch landen wir bei einer solchen Betrachtung bei den Erzvätern und -Müttern, also bei Abraham und seiner Frau Sara, bei Hagar, der ersten Leihmutter, bei Isaak und Rebekka oder ganz basal bei Adam und Eva. Wenn Sie jetzt einwenden, dass wir selbst bei einer solch engen Betrachtung nicht alle Brüder und Schwestern sind, sondern vielmehr auch Tanten und Onkel und Nichten und Neffen und Cousins und Cousinen und Schwippschwägerinnen und Schwager und Schwiegerurgroßeltern und was weiß ich, dann haben Sie sicherlich recht.
Und trotzdem spreche ich Sie heute gerne und aus voller Überzeugung mit „Liebe Schwestern und Brüder“ an, denn uns verbindet etwas, was viel wichtiger und stärker ist, als alle Einträge in unseren Familienstammbüchern es sein können. Denn die Bibel lehrt uns, dass Gott uns Menschen alle zu seinem Ebenbild geschaffen hat. Das ist grundlegend und steht deshalb auch ganz vorne in der Bibel im 1. Buch Mose im 1. Kapitel. Dort heißt es: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“
Ist das nicht wirklich großartig? Wir alle sind Gott ebenbildlich. In uns Menschen und in jedem Menschen, der uns begegnet, steckt dieses Heilige, das Gott uns geschenkt hat. Und heute ist der internationale Tag der Geschwisterlichkeit, der vor vier Jahren von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde.
Er geht zurück auf die Erklärung von Abu Dhabi vom 4. Februar 2019, die von Papst Franziskus, dem ägyptischen Islamlehrer Ahmed el-Teyeb und dem Scheich der Azhar unterzeichnet wurde. Allein die Überschriften der einzelnen Kapitel machen deutlich, worum es geht: Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Dialog, Toleranz, Schutz, Pluralismus und Verschiedenheit in Bezug auf Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und Sprache. Denn all diese Verschiedenheiten, so die Erklärung, entsprechen einem weisen göttlichen Willen, mit dem Gott die Menschen geschaffen hat.
Wenn doch das bloß allen klar wäre, müssten wir nicht darüber diskutieren, ob wir nun 2 oder 3 oder 5% unseres Bruttoinlandsproduktes für todbringende Waffen ausgeben. Wir müssten nicht überlegen, mit welchen Zöllen wir uns gegen Zölle anderer wehren. Wir müssten nicht überlegen, wer bei uns Schutz und Asyl bekommen kann. All das müssten wir nicht mehr, weil klar wäre, dass wir alle in Geschwisterlichkeit miteinander verbunden sind und uns gegenseitig dabei helfen, gut durchs Leben zu kommen.
Naiv? Vielleicht. Biblische Wahrheit allerdings sehr wohl. Und deshalb will ich diese Idee nicht beiseiteschieben. Denn sie ist um so viel besser, als das, was wir momentan in dieser Welt zu sehen kriegen. Und es ist Gottes Idee für unser Leben, liebe Schwestern und Brüder. Amen.
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Ich bin bei Euch!
Heiko Frubrich, Prädikant - 03.02.2025
Gestern haben wir in unseren Kirchen über die Geschichte vom brennenden Dornbusch und Moses Berufung gesprochen. Die Geschichte ist ebenso bekannt wie auch in vielerlei Hinsicht merkwürdig. Sie ist uralt und doch auch sehr aktuell. Kurz zur Erinnerung:
Mose hütet die Schafe für seinen Schwiegervater. Und da passiert es nun: Ein Engel des Herrn erscheint in einem brennenden Dornbusch. Und es stellen sich Fragen über Fragen. Wie kann es sein, dass so ein Dornbusch brennt, aber nicht verbrennt. Und weiter: Wenn Gott hier schon einen seiner Auftritte vorbereitet, warum dann in so einem vertrockneten und piekenden Gewächs? Warum taucht er den Himmel nicht in ein Feuerwerk aus Farben und lässt Engelschöre und Orchester auftreten?
Und warum ausgerechnet Mose? Ich versuche mal, es auf den Punkt zu bringen: Mose ist ein aus Ägypten geflohener Mörder, eine irgendwie verkrachte Existenz, der seinen Lebensunterhalt mit Hilfsarbeiten verdient, weil er es noch nicht einmal zu ein paar eigenen Schafen und Ziegen gebracht hat. Und der soll nun nach Gottes Willen der große Befreier der Israeliten werden?
Ja, genau der! Gott hat seine Wahl getroffen und dabei bleibt es. Diese Erkenntnis ist auch für uns wichtig, denn sie sagt uns, dass auch wir vor göttlichen Aufträgen keinesfalls sicher sein können, nur weil wir uns für ungeeignet und zu unbedeutend halten. Denn die Geschichte Gottes mit uns Menschen zeigt uns ein um das andere Mal, dass es eben nicht die Päpste, Kardinäle, Bischöfe oder sonstigen strahlenden Glaubenshelden sind, die Gott in seinen Dienst ruft, sondern die Otto-Normal-Verbraucher, jene mit den durchaus auch krummen Lebensläufen, die Unauffälligen, die aber auch mal hingehen und sich wundern, warum da auf einmal ein Busch brennt, solche eben wie Mose, wie Sie und Ihr und ich.
Mose ist übrigens wenig begeistert davon, dass er nun nach Ägypten zurücksoll, um dort vor den Pharao zu treten und um die Freilassung der Israeliten zu bitten. Gott zerstreut Moses Bedenken mit einem einzigen Satz. Er sagt: „Ich werde bei dir sein!“
Einen ähnlichen Satz hat viele Jahre später noch jemand gesagt: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Es war der auferstandene Jesus Christus. Ich bin bei euch alle Tage. Und schon wieder sind wir gemeint, Sie und Ihr und ich.
Und auch wir haben ein paar andere Aufgaben ins Stammbusch geschrieben bekommen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, ist eine ganz zentrale. Seid unter einander freundlich und herzlich und vergebt einer dem anderen, ist eine weitere. Prüft alles und behaltet das Gute. Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Das klingt viel und auch nicht einfach zu erfüllen. Aber wir dürfen diese Aufträge alle hören und lesen zum Cantus firmus unseres Lebens. Und der ist Christi Zusage: Siehe ich bin bei euch alle Tage. Gott traut uns viel zu. Doch es ist machbar, denn er steht uns bei. Amen.
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Krippe, Baum und Stern
Heiko Frubrich, Prädikant - 01.02.2025
Nein, wir haben nicht den Abfuhrtermin von ALBA verpasst und unseren Baum aus Verlegenheit einfach mal stehen gelassen und die Krippe gleich mit. Das muss so, denn es ist im Kirchenkalender immer noch Weihnachten. Morgen endet der Weihnachtsfestkreis und so lange bleiben eben auch Baum und Krippe und Stern.
Und passend dazu hat Kantor Robin Hlinka in seinem heutigen Programm eine musikalische Reise quer durch all das zusammengestellt, was wir mit Weihnachten zu tun bekommen haben, zu tun bekommen und zu tun bekommen werden. Und ganz nebenbei ist das, was wir hier heute erleben in gewisser Weise rekordverdächtig, denn ich meine, dass in einem einzigen Mittagsgebet noch nie so viele Stücke zu hören waren wie heute. Es sind immerhin zehn, aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir trotzdem alle noch im Hellen zu Hause sein werden.
Mit Worten aus dem Alten Testament ging es los. „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und dem Hause Juda einen neuen Bund schließen.“ Das ist zu lesen beim Propheten Jeremia, der für uns alle Licht am Ende des Tunnels sieht, Licht, das auf Weihnachten hindeutet. Die Botschaft des Erzengels Gabriel hat sich angeschlossen, in der er Maria verkündigt, dass sie von Gott auserwählt ist, den Sohn Gottes zur Welt zu bringen. Und dann geht es munter weiter durch diverse Weihnachtschoräle bis hin zum Nunc dimittis, dem Lobgesang des Simeon, der mit Fried und Freud aus dieser Welt scheidet, nachdem seine Augen den Heiland gesehen haben.
Ist Ihnen eigentlich noch weihnachtlich zumute? In meiner Nachbarschaft gibt es tatsächlich noch die eine oder andere Lichterkette in den Gärten und ein paar Kekse von Fest habe ich auch noch. Aber ansonsten ist der weihnachtliche Glanz in unseren Straßen und Städten weitgehend verschwunden. Das macht aber nichts, denn so licht und hell war es biblisch gesehen tatsächlich nur in der Heiligen Nacht, als die Klarheit des Herrn die Hirten umleuchtete.
Das, was uns das Fest gebracht hat, ist eher ein inneres Leuchten. Es ist das Kind in der Krippe im Stall von Bethlehem, das von sich selbst später sagt: Ich bin das Licht der Welt. Es ist das Kind in der Krippe, in dem Gottes Wesen offenbar wird, in dem er sich uns zeigt als liebevoller und barmherziger Vater, der uns vergibt, alles Trennende wegschiebt und uns zu sich einlädt, wenn wir mühselig und beladen sind. Es ist das Kind in der Krippe, das uns vorlebt, wie auch unser Leben gelingen kann – in Respekt voreinander, im Dasein füreinander und im Glauben miteinander. Es ist das Kind in der Krippe, das für uns den Tod besiegt und uns so den Weg in ein ewiges Leben in Gottes Herrlichkeit bereitet.
Das ist alles viel zu viel, um in nur drei Weihnachtstagen ausreichend gefeiert zu werden. Und es ist viel zu großartig und wunderbar und weltverändernd, um nicht auch dem Letzten bekanntgemacht zu werden. In diesem Sinne schauen Sie auf das letzte Stück: Go, tell it on the mountain! Wir alle, mit Freude und ganzjährig. Amen.
Download als PDF-Datei Wir können doch nicht verschweigen…
Wir können doch nicht verschweigen…
Heiko Frubrich, Prädikant - 31.01.2025
Petrus und Johannes, zwei Jünger Jesu, zwei, die sich derselben Sache verpflichtet fühlen, zwei, die Jesus begleitet haben, die ihm nachgefolgt sind, zwei, die aber dennoch kaum unterschiedlicher sein könnten. Da ist Johannes, der Jünger, den Jesus liebhatte, wie die Bibel berichtet, der Feingeist, der Theologe. Und da ist Petrus, der Bodenständige, der, auf den Jesus seine Kirche bauen will, aber auch der, der ihn in einer Nacht dreimal verleugnet.
Die beiden sind nach Jesu Tod und Auferstehung im Jerusalemer Tempel und treffen dort auf einen Mann, der von Geburt an gelähmt ist und vor dem Tempel um Almosen bittet. Als ihn die beiden sehen, sagt Petrus: „Gold und Silber habe ich nicht, aber im Namen Jesu von Nazareth: Steh auf und geh umher.“ Und tatsächlich: Die Lähmung verschwindet, der Mann springt auf, läuft umher und lobt Gott für seine Heilung. Und die Menschen, die all das sehen, sind begeistert und viele kommen zum Glauben, wie die Bibel berichtet.
Das passt nun der geistlichen Obrigkeit überhaupt nicht. Sie sehen ihre Felle wegschwimmen und lassen Johannes und Petrus einsperren. Der jüdische Rat erkennt aber schnell, dass die beiden nichts getan haben, was ihre Bestrafung rechtfertigen würde. Man muss sie wieder laufenlassen, aber mit der Maßgabe, dass sie künftig mit niemandem mehr über Jesus sprechen dürfen.
Und auf dieses Ansinnen hin, antworten die beiden mit einem bemerkenswerten Satz, der als Bibelwort auch über dem heutigen Tag steht. Sie sagen: „Entscheidet selbst. Ist es vor Gott recht, euch mehr zu gehorchen als ihm? Wir können doch nicht verschweigen, was wir gesehen und gehört haben!“
Das, so denke ich, gilt auch für uns, die wir uns als Christenmenschen verstehen. Auch wir können und sollen nicht verschweigen, was wir gehört haben, was wir glauben, was unsere christliche Grundüberzeugung ausmacht. Wir können und sollen nicht verschweigen, dass Gott alle Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat, dass sie eine unverletzliche Würde haben, ein Recht auf ein gutes Leben, ein Recht auf Schutz und Freiheit und Gerechtigkeit. Wir können und sollen nicht verschweigen, dass uns in jeder und jedem, die oder der in Not ist und Hilfe braucht, Jesus Christus begegnet. Und wir können und sollen nicht verschweigen, dass jenen keine Macht zuwachsen darf, die das nicht anerkennen.
Petrus und Johannes würden dem zustimmen, denn sie hatten Jesu Worte im Herzen: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan. Amen.
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O - Ohr
Cornelia Götz, Dompredigerin - 30.01.2025
In den Psalmen heißt es: „Öffne dein Ohr…“, „Neige dein Ohr!“
Wenn Gott das tut, dann wendet er sich uns zu.
Gottes Ohren sind offen für uns.
Das Ohr ist das Sinnesorgan, dem von Anfang an besonders hohe Bedeutung zukommt. Manch einer geht soweit, die Ohren den Augen vorzuordnen, weil das wirkliche Sehen erst durch das Hören des Wortes Gottes möglich wird.
Darum hat der Schöpfer dieses kostbare Organ mit dem härtesten Knochengebilde geschützt, das es in unserem Körper gibt: mit dem Felsenbein. Schon sieben Tage nach der Befruchtung einer Eizelle, beginnen sich Ohren zu bilden und sind auf halbem Wege einer Schwangerschaft - nach viereinhalb Monaten komplett. Unser Innenohr ist schon vor unserer Geburt ausgewachsen.
Ein Ungeborenes hört - ehe es sieht.
Im Sterben erlischt der Hörsinn zuletzt.
Schon im Altertum sind Bräuche überliefert, die die Ohren hervorheben.
Man trug nicht nur Ohrschmuck. Menschen wurden mit Pfriemen in durchbohrten Ohren auf ihre Abhängigkeit von jeweiligen Herren festgelegt, Priester bestrichen sich ihre Ohren und banden sich mit dieser rituellen Handlung lebenslang an ihr Amt.
Das Alte Testament kennt zwei Hörorgane: Das Ohr und das Herz. Darum erbittet der weise König Salomo ein hörendes Herz. Gott kann es geben und tut das auch. So öffnet sich das Herz für Gottes Botschaft, so finden wir ins Handeln – denn das Herz galt den Menschen nicht als Hochburg der Gefühle sondern Sitz von Wille und Verstand.
So sind Offene Ohren sind unverzichtbar. Darum erhebt sich Klage, wenn
Ohren und Herzen verstocken und verstopfen. Kein Wunder, dass Jesaja das zukünftige Heil als den Moment besingt, in dem die Ohren der Tauben geöffnet werden.
Jesus schließlich bindet seinen Weckruf an die Ohren: „Wer Ohren hat zu hören“ und spricht von der Erfüllung des Wortes Gottes „vor unseren Ohren.“
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Mascha Kaléko
Cornelia Götz, Dompredigerin - 29.01.2025
In diese Tage – nach dem Amtsantritt Donald Trumps und seiner Haltung zu Migrantinnen und Migranten, dem Notstand an der Mexikanischen Grenze und der Angst der Einwandererfamilien in den USA, zwischen das Gedröhn vom Ende der sogenannten illegalen Migration, bestürzender Anträge im Bundestag und dem Auschwitzgedenktag fällt der 50. Todestag von Mascha Kaléko.
Die Dichterin, die so traurig schöne Worte fand, wie diese: „Lass mich das Pochen deines Herzens spüren, / dass ich nicht höre wie das meine schlägt…“ hatte ein schweres Leben.
Geboren 1907 im galizischen Schidlow, dem heutigen Chrzanow als Tochter einer Österreicherin und eines Russen, war sie eine Emigrantin von Kindesbeinen an. 1914 floh die Familie vor den Pogromen nach Deutschland und fand dort über mehrere mühsame Stationen nach Berlin. Nachdem die Nazis ihre Texte verboten hatten, floh sie ein weiteres Mal nach New York.
Ihre letzte Bleibe – nach vielen Stationen – hatte sie in Jerusalem.
Dort überlebte sie ihren Mann und ihren Sohn. Schwer krank starb sie am 21. Januar 1975 in einem Züricher Hotel, während sie darauf wartete, dass der Fahrstuhl ihrer Jerusalemer Wohnung repariert würde, denn sie hatte nicht mehr Kraft genug, in den siebten Stoch zu steigen.
Das tat ihre Nachlassverwalterin Gisela Zoch-Westphal fand eine nahezu Mönchische Kargheit vor – ohne jede Bequemlichkeit, nur das absolut Notwendige. Ein Zuhause, das keines war; eben das Zimmer einer lebenslang Entwurzelten.
Ihre Verse, so schreibt Zoch-Westphal, „Machen über das Einzelschicksal ihrer Autorin hinaus … deutlich, worum wir uns gebracht haben, als wir das Jahrhunderte währende Gespräch mit den jüdischen Mitbürgern in Auschwitz zum Schweigen gebracht haben.“
Ihr Interview mit sich selbst klingt so:
- Text –
Ihre Kriege sind vorbei. Aber es ist kein Frieden. Im Gegenteil. Seit 1945 ist die Situation für Jüd*innen und Juden in Deutschland nicht mehr so beängstigend gewesen wie jetzt. Wieder sind Hass und Hetze salonfähig geworden. Wir sind so weit gekommen, dass Holocaustleugner und -verharmloser in öffentliche Ämter kommen. Und das ist wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack.
Merkwürdig, tröstlich, aufrüttelnd, dass es über ihrem Todestag aus dem 119. Psalm heißt: „Lass mich nicht zuschanden werden in meiner Hoffnung.“
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Wenn Gott unters Volk kommt
Henning Böger, Pfarrer - 28.01.2025
Es ist immer das größte Fest des Jahres, wenn Gott unters Volk kommt. Am „Tag der einhundert Schreine“ öffnen die Menschen im japanischen Tokio ihre Tempel, holen den Schrein ihres Gottes heraus, stellen ihn auf eine Trage und bringen Gott buchstäblich „unters Volk“. Etwa dreißig Menschen müssen die Trage, die rund 500 Kilo wiegt, auf ihren Schultern vorwärts bewegen. Alle Viertelstunde wechseln die Trägerinnen und Träger, meist einfache Leute. Drei Stunde geht das so; singend, jubelnd und betend. Dann treffen sich die Einwohner auf einem großen Platz und feiern gemeinsam das Fest der einhundert Schreine. Alle sind festlich gekleidet, essen und trinken miteinander. Wenn das Fest auf dem großen Platz vorbei ist, geht es im gleichen, langsamen Takt drei Stunden zurück. Am Ende ist Gott in seinem Schrein wieder im Tempel. An diesem Tag aber war er unter seinem Volk.
Ich gebe zu: Das alles sieht sehr beeindruckend und fremd aus für einen eher nüchternen Protestanten. Aber der Gedanke, dass Gott sich unter sein Volk mischt, der lässt auch mein Herz höher schlagen – und noch einmal weihnachtlich mit Blick auf die Krippenszene, die immer noch erleuchtet am Altar des Doms steht.
Am Sonntag dieser Woche steht in den christlichen Festkalendern der katholische Gedenktag „Mariä Lichtmess“. Mit Lichterprozessionen und Kerzenweihe wird das Ende der Weihnachtszeit gefeiert. Auch in den evangelischen Gottesdienstbüchern findet sich dazu ein Bibeltext aus dem Lukasevangelium. Er erzählt davon, dass Maria und Josef der jüdischen Tradition folgend ihren erstgeborenen Sohn in den Tempel nach Jerusalem bringen. Sie wollen Gott für ihr Kind danken. Im Tempel begegnen sie einem alten Mann und einer alten Frau. Der Mann heißt Simeon. Die Frau heißt Hanna. Beide warten ihr ganzes Leben schon auf den Heiland. Als Simeon das Jesuskind anschaut, merkt er: Dieses kleine Kind ist von Gott! Simeon und Hanna sind voller Freude darüber.
Der greise Simeon nimmt Jesus auf seine Arme und ruft: „Nun kann ich ruhig sterben. Meine Augen haben das Heil gesehen. Jesus ist ein Licht für alle Menschen.“
Maria und Josef können nur staunen über das, was Simeon von ihrem Sohn sagt.
Wenn Gott unters Volk kommt, ist die Freude groß. Der Gott, der sich in Jesus menschlich zeigt, ist gekommen, um zu bleiben. Als Liebe ist er mitten unter seinen Menschen lebendig. Etwas vom göttlichen Licht, das in der Krippe aufscheint, darf auch unser Herz erreichen. Gottes Licht, sein Heil und Frieden, sollen in uns weiterleuchten, damit durch uns Gott in diese Welt hineinkommt.
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Nie wieder ist jetzt!
Heiko Frubrich, Prädikant - 27.01.2025
Als die Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 Israel überfallen, verüben sie ein Massaker, in dem 1.200 Israelis ermordet werden. Die Welt schaut fassungslos auf diesen Exzess von Gewalt und Grausamkeit. Wie können Menschen nur zu so etwas fähig sein, ist eine oft gestellte Frage.
Am 27. Januar 1945, also heute auf den Tag genau vor 80 Jahren, reißen russische Soldaten die Tore und Zäune in Auschwitz nieder. Sie befreien damit einen Ort, an dem in den Jahren zuvor, das was im Oktober 2023 passierte, ziemlich genau tausendfach passiert war. Über 1,2 Millionen Jüdinnen und Juden waren ermordet worden, allerdings nicht von anarchistischen Terroristen, sondern nach seinerzeit geltendem, sogenanntem Recht und Gesetz und mit deutscher Gründlichkeit.
Im Oktober 1941 wurde das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Betrieb genommen und sollte für dreieinhalb Jahre zu einem Ort werden, dessen Schrecken und Grausamkeiten nicht in Worte zu fassen sind. Insgesamt bestanden in Deutschland und in den von den Nazis besetzten Gebieten 24 Stammlager mit in der Spitze weit über 1.000 Außenlagern.
Heinrich Himmler und seine Schergen und Vasallen hatten das Morden industrialisiert. Die endgültige Vernichtung von Menschen war ihr Ziel. Ihre Opfer: über 6 Millionen Jüdinnen und Juden aber auch Millionen andere, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten passten oder als deren Feinde identifiziert wurden, so wie Sinti und Roma, Sozialdemokraten und Kommunisten, homosexuelle Menschen, Männer, Frauen und Kinder, deren Leben als unwert definiert wurde und viele mehr.
Ihre Mörder waren Deutsche. Menschen, die oberflächlich betrachtet auch ein ganz normales Leben führten, die Familien und Freunde hatten und vielfach sich dem christlichen Glauben zugehörig fühlten. Ja, viele Details ihrer Gräueltaten kamen erst zeitversetzt an das Licht der Öffentlichkeit. Doch dass Jüdinnen und Juden aus der Nachbarschaft, aus den Dörfern und Städten, den Schulen, den Betrieben und dem eigenen Freundeskreis auf nimmer Wiedersehen verschwanden, war irgendwie normal und die propagandaseitig gegen sie geschürte Hetze und Verleumdung und die dazugehörigen Verschwörungsstrategien waren gesellschafts- und salonfähig geworden.
Der Aufschrei nach der Befreiung Deutschlands von den Nazis war groß. Wie konnte so etwas passieren? Wie können Menschen nur zu so etwas fähig sein. Doch wirklich aufgehört hat der Antisemitismus auch in unserem Land nie. Und in den letzten Jahren nimmt er zu und mit ihm die ebengenannte Salonfähigkeit von kruden Verschwörungstheorien und von Hetze gegen jüdisches Leben.
Befeuert wird all das auch von Politikerinnen und Politikern, die die Nazizeit als einen Fliegenschiss der Deutschen Geschichte bezeichnen und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als ein Denkmal der Schande bezeichnen. Es sind jene, die eine andere Erinnerungskultur fordern und damit meinen, nun endlich einmal aufzuhören mit dem ständigen Erzählen dessen, was die Nazis anderen Menschen millionenfach angetan haben.
Christinnen und Christen dürfen dem nicht folgen. Wir sind unserem Herrn verpflichtet und der lehrt uns, dass jeder Mensch zu seinem Ebenbild geschaffen wurde und damit heilig ist. Das ist unser Credo und deshalb sagen auch wir hier heute im Dom: Nie wieder ist jetzt! Amen.
Download als PDF-Datei Ein beliebter Bibelvers
Ein beliebter Bibelvers
Pfarrer Werner Busch - 23.01.2025
Ein beliebter Bibelvers für Konfirmanden steht im 1. Samuel 16. „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, aber der Herr sieht das Herz an.“ Konfirmandinnen wählen ihn oft als ihren Konfirmationsspruch. Gerade Jugendliche hadern manchmal mit ihrem äußeren Erscheinungsbild. Sie sind mit sich selbst unzufrieden. Erinnern Sie sich noch? Man hat sich herausgeputzt, gestylt, um wenigstens im Spiegel etwas Eindruck zu machen. Älteren Menschen, hört man, soll es gelegentlich ähnlich gehen. Ach, wenn wir doch bloß nicht nach Äußerlichkeiten beurteilt würden! Der Lack ist ab. Ich wünsche mir, verstanden zu werden. Inzwischen brauche ich weniger Bewunderung meines Äußeren. Aber eine innere Verbindung finden – das tut gut, baut auf und erfrischt. Doch „ein Mensch sieht nur, was vor Augen ist“. Wenn wir einander länger kennen, unsere Partner, alte Schulfreunde, dann sehen wir manchmal im anderen noch das Mädchen, den Jungen, das Kind. Aber das sind seltenere Momente. „Der Herr sieht das Herz an.“ In einem Psalmgebet betet jemand so: „Du verstehst meine Gedanken schon von weitem.“ (Ps 139). Du erkennst mich am Gang, verstehst Mimik und Gesten wie ein guter Freund ohne viele Worte.
Doch um Freundschaft geht es nicht in der heutigen Losung. Mitten in den Streitgesprächen zwischen dem Leidgeprüften und seinen verständnislosen Freunden steht ein verzweifelter Ausruf. Hiob fühlt sich von den besserwisserischen Erklärungen seiner alten Weggefährten bedrängt. Sie können es nicht ertragen, dass er kompromisslos klagt. Deshalb finden sie lauter Gründe, warum alles so ist, lauter wenns und abers, „hättest du“ und „könnte doch“.
Da bricht es aus ihm heraus: „Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht?“ (Hiob 13) Denn es ist genauso schwer zu tragen, wenn Menschen sich zu Anwälten höherer Mächte erheben. Sie argumentieren am liebsten mit Prinzipien, allgemein und grundsätzlich. Sie sind die Geheimräte des Universums. Doch sie versäumen es, in stummer Freundschaft mitzuleiden. Da zu sein. Denn dafür brauchst du Herzenswärme und Seelenstärke. Einfacher ist es, Erklärungen zu bauen. Erklärungen für die Krise, in die du geraten bist. Erklärungen für die Not in der Welt und wie kompliziert doch alles ist.
Aber Gott kannst Du damit nicht beeindrucken. Denn das Leben ist keine Gleichung, die du mit Scharfsinn lösen könntest. „Gott sieht das Herz.“ Er sucht es auch. Und wenn das Herz spricht, indem es fragt und zaudert, jubelt, klagt und heult, oder nur ruhig schweigt, wenn das Herz seiner Sehnsucht freien Lauf lässt – dann hört er Dich, wie er Hiob gehört hat. Dann sieht er dich, wie er Hiob angesehen und verstanden hat. Angesehen sein und verstanden werden – das nährt die Seele und stärkt dein Herz. Wir finden das im Gebet, wenn wir mit offenem Geist vor Gott verweilen. Und sei es nur mit stillem Seufzen, ohne viele Worte. In jedem Seufzer werfen wir ein Gebet zu ihm herüber. Ein Kyrie. „Herr, erbarme dich.“
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Wenn Kirchen fallen
Henning Böger, Pfarrer - 22.01.2025
Berlin am 22. Januar 1985: Heute vor vierzig Jahren wird inmitten des Todesstreifens an der Bernauer Straße das historische Kirchenschiff der Versöhnungskirche gesprengt.
Sechs Tage später fällt auch der Kirchturm im sowjetischen Sektor insgesamt 23,4 Kilogramm Sprengstoff zum Opfer.
Die Sprengung war vom damaligen DDR-Regime lange geplant und schließlich befohlen worden. Seit dem Mauerbau im Jahr 1961 hatte die Versöhnungskirche unzugänglich und eingemauert inmitten der Grenzanlagen gelegen. Sie war so zum mahnenden Symbol der deutschen Teilung geworden. Nun hatte die Führung der DDR das Mahnmal dem Boden gleichgemacht.
„Wir spürten Traurigkeit, als die Fotos der einstürzenden Kirche vor dem Hörsaal am schwarzen Brett hingen. Eine Mischung aus Ohnmacht und Demütigung, die wir gut kannten, stieg in uns auf.“ So erinnert sich Thomas Jeutner, der damals am Osterberliner Theologischen Sprachenkonvikt studierte und heute Pfarrer der Versöhnungsgemeinde in der Bernauer Straße ist. Und zugleich erinnerte, so Jeutner, die zerstörte Kirche ein Grundprinzip christlicher Existenz: „Kern und Mitte kirchlichen Handelns waren und sind letztlich keine Ziegel oder Steine von Kirchengebäuden. Sondern Menschen und ihr authentisches Suchen, Hoffen und Zweifeln.“
Nach der Widervereinigung erhielt die Versöhnungsgemeinde ihr Kirchen-grundstück zurück mit der Auflage der sakralen Nutzung. So entstand an der Bernauer Straße die Kapelle der Versöhnung, die als Ort der Andacht und Erinnerung dienen soll - auch daran, dass hier eine Grenze schließlich friedlich überwunden wurde. In der Nacht vom 10. zum 11. November 1989 wurde an der Bernauer Straße die tödliche Mauer aufgebrochen, um einen neuen Übergang zwischen Ost- und Westberlin zu schaffen.
Dass hier das Zweifeln und Hoffen von Menschen auch heute Raum hat, gehöre für ihn zum Segen dieses besonderen Kirchenortes, sagt Pfarrer Jeutner. Die Kapelle der Versöhnung erzählt von Gottes Nähe in dieser Welt, von seiner Gnade, die grenzenlos gilt - uns und anderen.
Wer will hört diesen Gedanken noch einmal anders, in den Worten eines alten Kirchenliedes: „So ist es, Herr: die Reiche fallen, / dein Thron allein wird nicht zerstört; / dein Reich besteht und wächst, bis allen / dein großer, neuer Tag gehört.“
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Willensstark
Henning Böger, Pfarrer - 21.01.2025
„Wer sagt denn, dass man immer nach Regeln leben muss?“ Auf einmal habe er diesen Gedanken im Kopf gehabt und sei ihn nicht mehr losgeworden, sagt der Leiter eines Wohnheims für Demenzerkrankte im westfälischen Marl. Wenn er auf den Fluren seines Hauses unterwegs sei, bemerkte er manchmal, dass Bewohner*innen sich Regeln verweigern: Aufstehen, anziehen, essen, bewegen. Sie sagen „Nein“ und bleiben liegen oder sitzen. Oft kommt es dann zum Streit.
Da kommt ihm dieser Gedanke: Wer sagt denn, dass man immer nach Regeln leben muss? Darum richtet er im Aufenthaltsraum des Hauses eine besondere Ecke ein.
Er nennt sie die „Gammel-Oase“. Alle Bewohner*innen können dort tun und lassen,
was sie wollen: Schlafen, essen, ausruhen oder in den Garten gehen -
alles nach eigener Lust und Laune.
Im Großen und Ganzen funktioniere dieses Konzept gut, sagt der Heimleiter, aber er sagt auch: Die Pflegekräfte seien durchaus unterschiedlicher Meinung. Manche finden es gut, andere hätten lieber, dass Regeln eingehalten werden. Die Tochter einer Bewohnerin
ist begeistert. Sie können, sagt sie, ihrer dementen Mutter ansehen, wie zufrieden sie neuerdings ist. Das täte allen gut.
Vermutlich wissen wir alle, welch großes Problem die Demenz von Menschen ist.
Und wir ahnen auch, wie viel größer das Problem mit dem zunehmenden Lebensalter wohl noch werden wird. Da ist der Einfall des Leiters nur ein winziger Hinweis, ob und
wie man es anders versuchen könnte. Er möchte den Bewohner*innen etwas von ihrem Willen lassen. Von einem Willen, den es ja weiter gibt, auch wenn andere ihn nicht immer verstehen. Er möchte niemanden zu etwas nötigen, was er oder sie gerade nicht will.
Wer mitten am Tag im Sessel schlafen will, soll das tun. Und dann vielleicht erst
um drei Uhr nachmittags zu Mittag essen. Und wer nicht geduscht werden möchte,
darf es bleiben lassen.
„Wer sagt denn, dass man immer nach Regeln leben muss?" Oder noch einmal etwas anders formuliert: Wer legt fest, welche Regel gelten sollen und welche besser nicht? „Prüfet alles und behaltet das Gute!“, rät dazu die biblische Jahreslosung. Mir gefällt dieser Satz, weil er zum Loslassen und Behalten einlädt, zum Prüfen mit Verstand
und Herz. Das Gute behaltet nicht nur für euch, sondern vor allem auch für diejenigen, die euch anvertraut sind. Behaltet ihnen ihre Freiheit und ihren Willen zum Leben.
Download als PDF-Datei Meine Bibel
Meine Bibel
Cornelia Götz, Dompredigerin - 18.01.2025
Meine Bibel ist wahrlich keine Luxusausagabe.
In rotes Leinen gebundene Pappdeckel halten die gelblichen Seiten zusammen. Ich habe sie seit 1985. Eine Freundin, die damals in der Buchhändlerlehre war, hatte sie mir zurückgelegt.
In der DDR waren Bibeln Bückware.
Wären sie das nicht gewesen, hätte mich das Angebot vielleicht gar nicht interessiert. So hatte sie den Reiz, begehrt zu werden. Man stelle sich das vor!
Gelesen habe ich darin dennoch erst später und richtig durchgeackert habe ich sie erst, als es in die Bibelkundeprüfung ging. Seither ist sie zur Hand und so sieht sie auch aus.
Gestern nun ist sie auseinander gefallen. Darum ist mit beim Zusammenpacken der Blätter zum ersten Mal das Vorwort des Buches in den Blick geraten.
Natürlich wusste ich schon, dass es 1984 eine Revision der Lutherbibel gab – man hatte den neutestamentlichen Teil am griechischen Urtext entlang Wort für Wort durchgesehen und dabei Erkenntnisse aus jüngeren Quellenfunden berücksichtigt. Aber erst jetzt ist mir bewusst geworden, dass mit dieser Bibelausgabe eine Kommission betraut war, deren Mitglieder aus Ost und West kamen und auch alle die, die bis zur Endfassung beteiligt und gehört wurden, kamen aus beiden deutschen Staaten.
Gemeinsam haben sie sich mitten im kalten Krieg über Gottes Wort gebeugt und in ihrer gemeinsamen Muttersprache nach den besten Formulierungen gesucht.
Unter solchen Umständen liest sich der letzte Satz des Vorwortes des damaligen sächsischen Landesbischofs Johannes Hempel sehr konkret:
„Wir sind froh, wieder einen Text zu haben, der uns nicht nur mit den Christen vergangener Jahrhunderte verbindet, sondern auch unter den jetzt lebenden evangelischen Christen ein einheitliches Band zu knüpfen vermag.“
Wir sind froh, einen Text zu haben, der uns verbindet.
Es ist ein tröstlicher Gedanke zu wissen, dass jemand, dem ich nicht nah sein kann, doch mit denselben Texten lebt.
Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass Gottes Wort verbindet auch über Grenzen und Fronten hinweg.
Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass es dieser Text ist, der uns verbindet.
Heute, vierzig Jahre später, hat sich unsere Welt verändert und auch die Bibel ist wieder und wieder übersetzt und übertragen worden.
Die Grenze in unserem Land ist verschwunden.
Aber die Notwendigkeit, sich zu verbinden, ist eher größer geworden.
Gut, dass wir uns unter einem Wort wie dem aus dem Philipperbrief, das über diesem Tag heute steht, verbinden können.
„Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! … Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Jesus Christus. Amen.“
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Der Weihnachtsfestkreis
Cornelia Götz, Dompredigerin - 17.01.2025
In diesen Tagen werde ich - wie jedes Jahr - immer mal wieder verwundert gefragt, wie lange wir denn den Weihnachtsbaum noch stehen lassen wollen? Und dann könnte ich antworten, dass ich ein großer Fan des Journalisten und Autors Christoph Dieckmann bin, der in der zweiten Hälfte Januar Geburtstag hat und eher einen neuen Baum besorgt als ohne Weihnachtsbaum zu feiern, denn der Pfarrerssohn weiß: der Weihnachtsfestkreis läuft noch bis zum letzten Sonntag nach Epiphanias - dem Fest der Verklärung.
Dann wird es noch einmal die liturgische Farbe „weiß“ geben, die hohen Christusfesten wie Ostern oder Weihnachten vorbehalten ist - oder eben diesem letzten Sonntag der Weihnachtszeit.
In diesem Jahr fällt der auf den 2. Februar.
Bis dahin steht der Baum und dann wird es heißen: „Die Herrlichkeit des HERRN geht auf über Dir“. Wir werden die wunderbare Geschichte erzählen, wie Jesus auf einen Berg stieg und sein Gesicht wie die Sonne leuchtete und Gott noch einmal vom „seinem Wohlgefallen“ spricht. Ein Wort, das auch durch die heilige Nacht klang.
Es ist eine Lichtgeschichte und wir sind zum Glück mittendrin.
Im Advent hieß es: Sehr auf uns erhebt eure Häupter. Da schien der Stern von Bethlehem schon auf unsere Wege. Zu Weihnachten wurde die Ankündigung des Propheten Jesaja wahr: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.“ Dann leuchtete die „Klarheit des HERRN“ um die Hirten und schließlich an Epiphanias, dem Fest der Heiligen drei Könige vor allem aber - denn das heißt Epiphanias - dem Fest der Erscheinung des HERRN, werden alle erleuchtet als Gott in der Taufe Jesu sagt: „Das ist mein lieber Sohn.“
Es ist eine Lichtgeschichte, die unser Leben hell macht und auf unseren Wegen scheint, damit wir nicht verstört und verängstigt, hasserfüllt oder heimlich durch die Nacht der Welt irren, stolpern, schleichen müssen.
Und ja: der Weihnachtsbaum ist sehr viel später dazugekommen.
Es ist vermutlich auch verrückt, sich einen Baum ins Haus zu stellen.
Aber so sind wir: sein Leuchten steht für Weihnachten, für Gottes Licht in einer Zeit, in der wir über Waffen und Geiseln, Krieg und Not reden.
Wer wollte da so verrückt sein, eine der eindrücklichsten Erinnerungen, dass uns ein Friedefürst geboren ist, vor der Zeit rauszuschmeißen?
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N-Nardenöl
Cornelia Götz, Dompredigerin - 16.01.2025
N- Nardenöl
Die Evangelisten erzählen von einer Salbung Jesu – kurz vor der Kreuzigung - mit kostbarem Nardenöl. Bei Markus klingt das so:
„Und als er in Bethanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können …“
Ich stelle mir vor, diese Frau hat Jesu ganzen Weg mitverfolgt. Vielleicht hat er ihrem Leben Hoffnung und Sinn gegeben, vielleicht hat eines seiner Worte oder seiner Wunder ihr Leben verändert. Jetzt sieht sie, wie sich die Schlinge zuzieht. Sie stellt sich einen gehetzten und gejagten Menschen vor, der nicht mehr viel Zeit zu leben hat. Sie fühlt sich in ihn ein und spürt seine Müdigkeit und Erschöpfung, die aufkommende Angst und Verlassenheit.
Also sucht sie danach, was ihm jetzt wirklich gut tun könnte und entscheidet sich für das Beste, was ihr für solche eine Situation einfällt: Sie kauft Nardenöl, das damals wie heute zu den teuersten Essenzen überhaupt gehört. Die Phönizier importierten die Kostbarkeit aus Indien, denn der Grundstoff des Öls wird aus den Wurzeln und Stängeln eines Baldriangewächses gewonnen, der nur im Himalaya heimisch ist.
Nardenöl muss einen intensiven und unvergleichlichen Geruch haben: harzig und erdig, warm und süß. Und es hat besondere Eigenschaften: Es entspannt und schenkt inneren Frieden, verhilft zu Ausgeglichenheit und Selbstvertrauen, verhindert übermäßiges Grübeln und Schlaflosigkeit…
Muss also die Fülle eines ganzen Alabsterfläschchens dieses Öls nicht eine unglaubliche Wohltat für einen Menschen gewesen sein, der sich in einer solch existentiellen Grenzsituation befindet?
Man kann das für unsinnigen Luxus und pure Verschwendung halten.
Man kann aber auch sehen, dass hier ein Mensch für einen anderen alles nur erdenklich Liebevolle getan hat.
Nardenöl steht für ein Übermaß an Liebe und einen Duft, der bleibt.
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Mit Herz und Verstand
Cornelia Götz, Dompredigerin - 15.01.2025
Über dieser Woche heißt es aus dem Römerbrief: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“
Treibt. Ein schwieriges Wort. Ich will keine Getriebene sein und auch nicht getrieben werden. Blüten treiben schon; aber das ist hier nicht gemeint.
Neuere Übersetzungen sind milder: „Welche sich von Gottes Geist leiten oder führen lassen...“
Da fehlt nun wieder die Wucht.
Die braucht es aber vielleicht in unserer Welt, in der so viele an uns ziehen und zerren, uns vereinnahmen wollen – es braucht eine starke Kraft um uns auf dem Weg zu halten, damit wir nicht fortgetrieben werden.
So geht es vielleicht.
So lässt sich das Wort mitnehmen in einem Jahr, in dem wir weiter und wieder verantwortlich sind, für das was wir tun.
Aber diesem Wort wohnt noch eine zweite Spannung inne: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“
Nur die? So ausschließend möchte ich nicht denken. Lieber lese ich eine Vergewisserungsformel: wenn uns Gottes Geist treibt, dann weil wir seine Kinder sind und er uns nicht aus den Augen lassen will.
Denn das brauchen wir samt Rückenwind.
Gerade jetzt. In der Krise, vor der Zerreißprobe.
Inmitten dessen haben katholische und evangelische Kirchen nun – hoffentlich nicht getrieben von Angst und Furcht vor dem, was kommen kann, sondern voller Vertrauen auf das, was möglich ist unter uns – eine Initiative zur Bundestagswahl gestartet:
„Für alle mit Herz und Verstand: Menschwürde – Nächstenliebe – Zusammenhalt.“
Es ist keine Wahlempfehlung.
Es ist eher eine Ermunterung zu mehr Miteinander, mehr Zuhören, Freundlichkeit, Nachsicht, Mitleid, Demut, Verzicht, Nachbarschaftshilfe.
Es ist eine Werbung, das zu sehen, was uns verbindet und nicht was trennt.
Es ist die Aufforderung, sich nicht sagen zu lassen, was man wählen soll, sondern das eigene Gewissen zu schärfen und so zu einer eigenen gewissenhaften und verantwortlichen Wahlentscheidung zu kommen.
Mit Herz und Verstand. Und sich dabei treiben lassen von Gottes Geist.
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Hej!
Henning Böger, Pfarrer - 13.01.2025
„Hej!“, sagt sie im Vorbeigehen zu ihrem Nachbarn im Treppenhaus.
„Hej!“ zum freundlichen Kassierer im Supermarkt. Und „Hej!“ hört auch
der junge Mann, der in sein Smartphone vertieft fast mit ihr zusammenstößt.
„Hej!“ sagt die Busfahrerin zu jedem Fahrgast, der bei ihr steigt.
Ein „Hej!“ genügt und die Welt ist etwas weniger einsam. Die Menschen in der schwedischen Stadt Luleå haben beschlossen, das zu nutzen. Nur 150 Kilometer
südlich vom Polarkreis gelegen, ist der Winter lang und vor allem dunkel.
Sonne und Wärme haben es schwer, über den Horizont zu klettern. Da muss man
sich auf anderem Wege helfen, damit es hell und freundlich in den Menschen bleibt.
Vier Wochen lang lief in Luleå deshalb die Kampagne „Säg hej!“, zu Deutsch:
„Sag hallo!“ Sie ermunterte dazu, die Mitmenschen mitten im Alltag mehr zu grüßen:
im Treppenhaus oder Supermarkt, an der Bushaltestelle, auf dem Weg zur Arbeit
oder ins Konzert, im Fitnessstudio oder Kindergarten.
So könnten sich, dachten die Initiator*innen der Stadtverwaltung, Sicherheit, Vertrauen und Wohlbefinden steigern lassen. Durch kleine Alltagskontakte sollte die Anonymität unter den Bürger*innen sinken, Konflikte weniger werden und das Zugehörigkeitsgefühl gestärkt werden.
Sie hatten Recht mit ihrer Idee und ihre Erwartungen wurden übertroffen:
„Säg hej!“ war ein großer Erfolg im winterlich-dunklen Luleå. Und das Beste an der Aktion: Wirklich jeder und jede konnte mitmachen und dazu beitragen,
das Miteinander durch ein kurzes „Hej!“ zum Guten zu verändern.
Denn „Hej!“ heißt nicht einfach nur „Hallo“. Es bedeutet auch: „Ich sehe dich,
ich nehme dich wahr, du bist mir aufgefallen!“ Jedes „Hej!“ ist ein kurzes Lächeln,
das weitergereicht wird - nicht nur auf schwedischen Straßen.
Darum geht heute auf dem Weg ins Abenddunkel unserer Braunschweiger Straßen
diese kleine Bitte mit uns: „Säg hej! Sag hallo!“
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Göttliches Kopfschütteln
Heiko Frubrich, Prädikant - 10.01.2025
„Der Herr spricht: Möge doch ihr Herz so bleiben, dass sie allezeit Ehrfurcht vor mir haben und meine Gebote halten, damit es ihnen und ihren Kindern gut geht, für immer!“ Dieses Wort aus dem 5. Buch Mose steht über dem heutigen Tag. Irgendwie höre ich ein wenig Verzweiflung zwischen den Zeilen heraus und ein leises „Ach“. Gott hat es mal wieder nicht leicht mit seinen Menschen. Gerade haben die Israeliten von Mose die Zehn Gebote empfangen. Sie haben erlebt, wie Gott sie Mose mit feuriger Hand auf steinerne Tafeln geschrieben hat und all das erfüllt sie mit tiefer Angst.
Sie haben Sorge, dass es sie das Leben kosten wird, wenn sie weiter so dicht, quasi in Sichtweite von Gottes Herrlichkeit leben. Und so sagen sie: „Mose, geh du hin und höre, was Gott zu sagen hat und berichte es uns dann danach. Wir gehen lieber auf Abstand. Da fühlen wir uns sicherer.“
Diese Haltung ist es, die bei Gott dieses Kopfschütteln auslöst, von dem wir gerade gehört haben. Denn ganz offenbar fehlt es den Israeliten an Vertrauen. Sie haben Angst vor Gott, anstatt ihm in Ehrfurcht zu begegnen und das ist nun überhaupt nicht das, was Gott will. Und dass sie nun auch noch den armen Mose vorschicken, bedarf keiner weiteren Kommentierung.
Wie ist das eigentlich mit uns? Spätestens seit der ersten Weihnacht dürfte auch der letzte verstanden haben, dass wir vor Gott keine Angst zu haben brauchen – ganz im Gegenteil. Doch ein Mangel an vertrauender Ehrfurcht besteht weiterhin, heute allerdings aus einer ganz anderen Richtig. Es ist nicht Angst, die das verhindert, sondern Desinteresse und Ignoranz. Es ist nicht Verunsicherung, die dem im Wege steht, sondern Selbstüberschätzung und Größenwahn.
Den Israeliten war sehr wohl klar, dass sie ohne göttliche Begleitung aufgeschmissen wären. Diese Erkenntnis ist uns heute vielfach verloren gegangen, denn die Anzahl derer, die meinen, ohne Gott genauso gut durchs Leben zu kommen, wenn nicht sogar noch besser, nimmt immer weiter zu.
Ich denke schon, dass Gottes Reaktion darauf dieselbe ist, wie sie die Tageslosung wiederspiegelt: Möge doch ihr Herz so bleiben, dass sie allezeit Ehrfurcht vor mir haben und meine Gebote halten, damit es ihnen und ihren Kindern gut geht, für immer! Und dieser Ausspruch ist göttlicherseits ebenso berechtigt wie vor 3000 Jahren.
Was hindert uns also daran, in Gott den liebevollen Begleiter zu sehen, der er für uns sein will. Vieles wäre ganz sicher leichter, wenn sich diese Einsicht durchsetzte. Amen.
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Segen on tour
Heiko Frubrich, Prädikant - 09.01.2025
„Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“ Worte, die Gott höchstpersönlich zu Abraham sagt, ein paar Tausend Jahre her, aber noch immer aktuell, denn sie gelten, so, wie alle anderen Verheißungen Gottes, auch uns. Auch wir sollen gesegnet und selbst ein Segen sein. Kling prima, wie ich finde, aber was heißt das eigentlich konkret?
Montag und Dienstag hatten wir Besuch hier bei uns im Dom, der dabei geholfen hat, diese Frage zu beantworten. Das Segensrad war hier, ein Projekt der Magni-Gemeinde, maßgeblich initiiert von Vikarin Lisa Koch. Das Segensrad, ein Lastenfahrrad mit beleuchtetem Baldachin, hatte Neujahrssegen geladen – in Form von süßen Leckereien. Da gab es Geduldsfäden aus grünem Weingummi, kleine Schnuller als Symbol für kindliche Freude, Zuckerbonbons als Kraftquelle für Unerwartetes und noch vieles andere mehr. Aus dieser großen Auswahl konnte sich dann jede und jeder seine ganz persönliche Segenstüte zusammenstellen, die das enthielt, was für 2025 gebraucht wird.
Ich finde dieses Segensrad in mehrfacher Hinsicht prima. Erstens: Wir hatten richtig Freude beim Füllen unserer Tüten. Da wurde gelacht, gefrotzelt aber durchaus auch ernsthaft hinterfragt, wenn beim Nachbarn auffällig viel Leichtigkeitssegen eingepackt wurde. Und es entspann sich so manches wertvolle Gespräch.
Zweitens: Mit so einem Rad wird Segen transportiert. So kommt Kirche zu den Menschen und nicht immer nur umgekehrt. Das ist Vikarin Koch sehr wichtig. Und so war das Segensrad auch schon bei diversen Anlässen in unserer Stadt on tour und eben auch bei solchen, die mit Kirche auf den ersten Blick gar nichts zu tun haben.
Und drittens: Die große Auswahl an verschiedenen Süßigkeiten ist eine herrliche Erinnerung daran, wie vielfältig Gottes Segen ist. In ihm liegen Freude, Geduld, Kraft, Leichtigkeit, Glück, Freundlichkeit, Hoffnung, Barmherzigkeit und Liebe. Und Gott gießt das alles über uns aus, einfach so, weil er uns mag.
Und damit werden wir in den Stand versetzt, anderen zum Segen zu werden, in dem wir all das mit Menschen teilen, denen es gerade daran mangelt. Und anders als die Süßigkeitenboxen auf dem Segensrad wird Gottes Segensfüllhorn niemals leer. An Segen herrscht kein Mangel und schlecht für die Zähne ist er obendrein auch nicht. Amen.
Download als PDF-Datei Optimismus ist Pflicht!
Optimismus ist Pflicht!
Heiko Frubrich, Prädikant - 08.01.2025
Vorgestern haben wir hier mit Orgelkonzert, Predigt und Empfang das neue Jahr begrüßt und gefeiert. Gastgeber war neben dem Dom auch unser Nachbar, das Landesmuseum. Dessen Direktorin, Frau Dr. Pöppelmann, sagte in ihrem Grußwort mit Blick auf das vor uns liegende Jahr: „Optimismus ist Pflicht!“ Ich denke, dass es wirklich hilfreich ist, wenn wir uns diesen Satz zu eigen machen, denn wir alle ahnen, dass in diesem Jahr so manches auf uns zukommen wird, was echtes Potential hat, uns die gute Laune zu verderben.
Das geht schon los mit diesem testosterongesteuerten Elektroauto- und Raketenbauer, der für mich der lebende Beweis dafür ist, wie dicht doch Genie und Wahnsinn beieinander liegen. Er zieht bereits jetzt lügend und beleidigend seine Bahnen, noch bevor sein Chef, der ihm darin in nichts nachsteht, sein neues Amt offiziell angetreten hat.
Und der Fanclub dieser beiden gewinnt auch in Europa immer mehr an Einfluss: Ganz aktuell in Österreich, davor schon in Tschechien, Italien, den Niederlanden und Ungarn. Und auch in unserem Land geht es um einiges, wenn am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt wird. Die Kanzlerkandidatin dieser blauen Partei hat übrigens gestern einem US-Magazin ein Interview gegeben und ich möchte Ihnen ans Herz legen: Lesen Sie es, und erzählen Sie möglichst vielen Menschen davon, damit immer klarer wird, wo man am 23. Februar sein Kreuz definitiv nicht machen kann.
Optimismus ist Pflicht! Denn Hoffnung auf unerwartete positive Wendungen gibt es immer. Das durfte auch der Gelähmte erleben, der vor dem Jerusalemer Tempel auf Petrus und Johannes traf. Die Apostelgeschichte berichtet davon, wie er im Kontakt mit den beiden geheilt wurde und das Bibelwort, das über dem heutigen Tag steht, berichtet von seiner Reaktion: „Der Gelähmte sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott.“
Es ist übrigens nicht verboten, sich auch über kleinere Lichtblicke so kräftig zu freuen. Und diese kleineren Lichtblicke, die können wir, davon bin ich überzeugt, auch mit unserer kleinen eigenen Kraft erreichen – indem wir anderen helfen, indem wir miteinander reden und den Menschen erklären, was mittlerweile auf dem Spiel steht, indem wir einander freundlich und herzlich begegnen und uns gegenseitig Mut machen und uns daran erinnern: Optimismus ist Pflicht – mit Gottes Hilfe und in Jesu Namen. Amen.
Download als PDF-Datei Das alte Jahr vergangen ist.
Das alte Jahr vergangen ist.
Heiko Frubrich, Prädikant - 04.01.2025
Es war überwiegend friedlich in Braunschweig in der Silvesternacht – gut so! Es gab Feuerwerk, es gab Böller, es gab Sekt und auch Selters und – was für eine schöne Tradition – hunderte Menschen tanzten friedlich und fröhlich Walzer auf der Straße.
Zum fröhlichen Feiern eignet sich Bachs Orgelchoral „Das alte Jahr vergangenen ist“, den wir gleich hören werden, eher nicht. In seinem verhaltenen Tempo transportiert er leise Melancholie und die auf- und absteigenden chromatischen Bögen wirken auf mich wie steile Treppen, die wir Hörenden mit schwerem Gepäck zu gehen haben.
Vielleicht wollte Bach, der den Orgelchoral um 1717 in Weimar komponierte, einen demütigen Kontrapunkt setzen. Denn das zugrundeliegende Kirchenlied fand durchaus auch als protestantischer Kampfhymnus Verwendung. Dort gab es beispielsweise in einer Strophe folgende Textpassage: „Schütze uns, Herr, vor der päpstlichen Lehr und Abgötterei.“
Als Schuljungen im Jahre 1712 diese Worte in Erfurt vor dem Haus eines katholischen Geistlichen sangen, gab es langanhaltende Auseinandersetzungen um die den Lutheranern im sonst katholischen Erfurt zugesicherte Religionsfreiheit. Vor diesem Hintergrund kann Bachs Werk auch versöhnlich und entschuldigend gehört werden.
Der ursprüngliche Text, den wir auch in unseren Gesangbüchern finden, stammt aus dem Jahr 1588 vom evangelischen Lieddichter Johann Steuerlein. Dank und Bitte bestimmen den Inhalt, letztere so intensiv, dass Steuerlein die letzten drei Strophen in einem einzigen Satz verbindet als eine lange Liste von Themen, für die wir Gottes Hilfe brauchen.
„Hilf, dass wir fliehn der Sünde Bahn und fromm zu werden fangen an; der Sünd' im alten Jahr nicht denk, ein gnadenreiches Jahr uns schenk, * christlich zu leben, seliglich zu sterben und hernach fröhlich am Jüngsten Tage aufzustehn, mit dir in' Himmel einzugehn, * zu loben und zu preisen dich mit allen Engeln ewiglich. O Jesu, unsern Glauben mehr zu deines Namens Ruhm und Ehr.“
Ich finde, dass da ein paar gute Impulse für Neujahrsvorsätze drinstecken, falls Sie noch welche brauchen. Und auch, wenn wir in Bachs Orgelchoral keinen Dreivierteltakt finden: Von Gott behütet immer mal wieder auch im Walzerschritt durchs Leben zu gehen, ist ganz sicher nicht die schlechteste Idee. Amen.
Download als PDF-Datei Richtungswechsel
Richtungswechsel
Heiko Frubrich, Prädikant - 03.01.2025
Tag drei im neuen Jahr und wir steuern auf das erste Wochenende in 2025 zu. Am kommenden Montag feiern wir hier im Dom noch einmal kräftig mit Orgelkonzert, Neujahrspredigt und Empfang, zu dem Sie übrigens alle ganz herzlich eingeladen sind, aber dann geht es in den Alltag. Auch 2025 muss ja irgendwann mal anfangen, ein ganz normales Jahr zu werden.
Aber warum eigentlich? Warum kann 2025 nicht zu einem Jahr werden, an dem auf einmal viele bis dahin unvorstellbare Dinge passieren – unvorstellbar positive meine ich. Das Bibelwort, das über dem Monat Januar steht, wäre hierfür ein passender Auftakt. Es lautet: „Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet jene, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“
Schon viel wurde über Jesu Forderung der Feindesliebe gepredigt. Doch auch ohne viele Worte ist schnell klar, dass sie uns an unsere Grenzen bringt. Deshalb möchte ich mit Ihnen gern einen Schritt zurücktreten und mal etwas gröber auf das schauen, was Jesus sagt und was sich durch sein ganzes Reden und Handeln und Wirken zieht.
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann, sagte einst der französische Künstler Francis Picabia. Hätte auch von Jesus sein können, wie ich finde. Wenn Jesus predigt: Liebt eure Feinde, dann meint er das sicher genau so, wie er es sagt. Doch in so vielem, was er uns zuspricht, schwingt ebenso mit: „Traut euch doch mal, neu und gegen den Strich zu denken, zu reden und zu handeln. Probiert doch mal aus, wohin euch die neuen Wege führen, auf die ich euch begleiten möchte. Und erkennt doch: Wenn das Althergebrachte ganz offensichtlich nicht funktioniert, wird es Zeit etwas Anderes zu versuchen.“
Allein die Erkenntnis, dass wir zu alledem in der Lage sind, ist ein großes Geschenk. Wir haben die Freiheit, auszubrechen aus eingefahren Denkstrukturen. Wir haben die Freiheit, mit unseren Mitmenschen und auch mit uns selbst anders umzugehen. Wir haben die Freiheit, neu hinzuhören und Jesu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ neu zu verstehen und mit unserem Leben darauf zu antworten. Wir haben die Freiheit dazu, weil auch unser Kopf rund ist und auch unser Denken die Richtung ändern kann.
Und warum sollte 2025 nicht ein Jahr werden, das zumindest in unserem eigenen Leben Neues hervorbringt – inspiriert von dem, was uns Jesus gesagt und worin er uns Beispiel gegeben hat. Heute ist erst Tag drei, und das Land ist hell und weit. Amen.
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Erhebt Eure Stimme! Sternsingen für Kinderrechte!
Heiko Frubrich, Prädikant - 02.01.2025
Sie sind die Schwächsten im Kreise der Schwachen. Sie sind die, die am meisten auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Sie sind die, die am ehesten leiden, wenn es am Nötigsten fehlt. Sie sind die, deren Lobby am kleinsten und leisesten ist: die Kinder. Das wollt Ihr, liebe Sternsinger, so nicht hinnehmen und deshalb sagt Ihr: „Erhebt Eure Stimme! Sternsingen für Kinderrechte!“
Vor 35 Jahren haben die Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention verabschiedet. Darin ist klar festgeschrieben, dass alle Kinder dieser Erde Grundrechte haben. Doch wir sind in vielen Regionen weit davon entfernt, dass sie ihnen auch zuerkannt werden. 250 Millionen Kindern, darunter überdurchschnittlich vielen Mädchen ist der Weg zu schulischer Bildung versperrt. 160 Millionen Kinder müssen arbeiten, die Hälfte davon unter ausbeuterischen Bedingungen. Mehr als 43 Millionen Kinder sind auf der Flucht. Kinderarmut ist weiter auf dem Vormarsch und das selbst in einem so reichen Land wie dem unseren.
„Schluss damit!“ sagt Ihr. Wir wollen uns mit unseren Altersgenossinnen und Altersgenossen solidarisch zeigen und mit unserer Aktion dazu beitragen, dass sich die Lage der Kinder auf dieser Welt verbessert. Und dabei lebt Ihr echte Nächstenliebe. Denn Ihr macht beim Helfen keine Unterschiede. Euch ist es egal, wem Eure Hilfe zuteilwird: Mädchen oder Junge, Moslem oder Christ, schwarz oder weiß. Wir Kinder für andere Kinder – danach handelt Ihr, und das ist aller Ehren wert.
Ihr verschenkt Eure Freizeit, Eure Ferienzeit und zieht durch unsere Stadt, so, wie Eure Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland. Und damit tut Ihr gleich doppelt Gutes. Denn Ihr helft nicht nur die Not und das Leid von Kindern auf dieser Welt zu lindern, nein, Ihr habt auch reichlich Segen für uns alle im Gepäck.
Gleich werdet Ihr den Jahressegen für 2025 über unsere Domtür schreiben und alle, die in diesem Jahr durch diese Tür hinein- und hinausgehen, und das werden Hunderttausende sein, dürfen wissen, was Gott ihnen zugesagt hat: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!
Ihr seid ein Segen, weil Ihr helft und weil Ihr wachrüttelt. Ihr seid ein Segen, weil Ihr Zeichen setzt gegen die Gleichgültigkeit und die Ignoranz. Ihr seid ein Segen, weil Ihr uns allen vorlebt, was es bedeutet das Wort Jesu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ mit Leben zu erfüllen.
Danke, dass Ihr das tut und danke, dass Ihr heute bei uns seid. Gottes Segen möge Euch begleiten. Amen.
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