Das Wort zum Alltag

Seit dem 1. Dezember 1968 gibt es von Montag bis Freitag um 17.00 Uhr und Samstag um 12.00 Uhr eine kurze Andacht mit Gebet, die von Orgelmusik gerahmt wird.
Wir möchten Menschen damit ermöglichen für ihre eigene Praxis pietatis eine regelmäßige Form zu finden. Zugleich birgt das Format die Möglichkeit auf die jeweils aktuellen Ereignisse in unserer Stadt und unserer Welt zu reagieren.

Während des Advents und der Friedensdekade hat das Wort zum Alltag einen besonderen Akzent. Das Wort zum Alltag wird in der Regel von der Dompredigerin, sowie von anderen Braunschweiger Pfarrerinnen und Pfarrern und Prädikanten gehalten. Die umrahmende Orgelmusik übernehmen die Kantoren des Braunschweiger Doms.

  Das Kreuz ist aufgerichtet

Das Kreuz ist aufgerichtet

Heiko Frubrich, Prädikant - 16.04.2025

„Das Kreuz ist aufgerichtet, der große Streit geschlichtet. Dass er das Heil der Welt in diesem Zeichen gründe, gibt sich für ihre Sünde der Schöpfer selber zum Entgelt.“
Die erste Strophe eines selten gesungenen Passionsliedes aus unserem Gesangbuch. Es wird selten gesungen, weil die Melodie sperrig ist in Tonalität und Rhythmus. Ihr fehlt es an Eingängigkeit, an Ohrwurm-Potential und an Wohlfühlatmosphäre. Doch mit diesen Wesensmerkmalen passt sie gut in diese Tage des Nachdenkens, der Betroffenheit, der Demut aber auch der stillen Dankbarkeit. Sie passt gut in die Karwoche.
Das Kreuz ist aufgerichtet, der große Streit geschlichtet. Ja, die geistliche Obrigkeit in Jerusalem kann nun entspannt das Passahfest feiern und auch der römische Statthalter Pilatus hat wieder seine Ruhe. Die Sache mit diesem Wanderprediger Jesus ist vom Tisch. Der große Streit ist geschlichtet – zwar mit brachialer Grausamkeit, aber doch geschlichtet.
Wenn wir oberflächlich auf die Ereignisse der Karwoche blicken, könnte man den Text so interpretieren und wir hätten damit wahrscheinlich die Sichtweise vieler eingenommen, die vor 2000 Jahren Zeugen all dessen waren. Doch es geht um so viel mehr.
Es geht um den großen Streit, um schier unüberbrückbare Hindernisse zwischen uns Menschen und Gott. Es geht um unser aller Heil, darum, dass wir entlastet werden von allem, was uns an Schuld bedrückt, dass wir Vergebung erfahren für all unsere Versäumnisse, unseren Größenwahn und unsere Ignoranz.
Das Kreuz ist nicht die Markierung des Entsorgungsplatzes für einen aufsässigen Querulanten. Das Kreuz ist das Zeichen für unsere Freiheit, für unser Freigekauft-Sein, dass Gott in Christus selbst mit seinem Leben bezahlt hat.
Wie groß muss Liebe sein, aus der das erwächst? Wie groß muss der Wunsch sein, auf ewig Teil unseres Lebens zu werden? Wie groß muss Gottes Herz sein, dass er uns niemals verloren geben will?
„Wir sind nicht mehr die Knechte der alten Todesmächte und ihrer Tyrannei. Der Sohn, der es erduldet, hat uns am Kreuz entschuldet. Auch wir sind Söhne und sind frei.“
Der Text der letzten Strophe. Der da am Kreuz stirbt, ist uns allen durch sein Leben Freund und Bruder geworden. Und er füllt diese Rolle mit aller Konsequenz, in dem er unser Wohl über das seine stellt. Er geht in den Tod und versenkt dort hinein unsere Sünden und unsere Schuld. Er kämpft und siegt über die alten Todesmächte. Sie hatten das letzte Wort über unser Leben. Das ist vorbei. So, wie Christus selbst, sind auch wir Gotteskinder. Der schwere Stein wurde nicht nur von seinem Grab weggerollt, sondern auch vom Weg, der für uns alle ins ewige Leben führt. Wir sind Geschwister und sind frei!
„So hat es Gott gefallen, so gibt er sich uns allen. Das Ja erscheint im Nein, der Sieg im Unterliegen, der Segen im Versiegen, die Liebe will verborgen sein.“ Amen.

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  Die Weisheit der Welt

Die Weisheit der Welt

Heiko Frubrich, Prädikant - 15.04.2025

Das Wort, das über dem heutigen Tag steht, stammt von Paulus. Er schreibt es an die Gemeinde in Korinth und war beim Schreiben offenbar ziemlich in Rage. Wir lesen: „Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?“
Es geht um nichts weniger als das Zentrum unseres Glaubens. Es geht um das Wort vom Kreuz, das für gläubige Menschen, so Paulus, zur Gotteskraft wird – aber eben nur für gläubige Menschen. Vorgestern haben wir Palmsonntag gefeiert, den Tag von Jesu Einzug in Jerusalem. Doch der Palmsonntag ist auch der Tag eines gigantischen Missverständnisses. Das jubelnde Volk begrüßt den neuen König von Israel. Sie erwarten den König, der die Reihe der ruhmreichen Könige David und Saul und Salomo fortsetzt. Aber der kommt nicht.
Stattdessen kommt ein König, dessen Reich nicht von dieser Welt ist. Und es begreift niemand, noch nicht einmal seine engsten Vertrauten, die Jüngerinnen und Jünger. „Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?“
Ja, das hat er und er tut es immer wieder und wir Menschen hangeln uns von Fehleinschätzung zu Fehleinschätzung. Wir sehen Jesus auf dem Esel und denken: Na, bei König Charles sieht das aber deutlich prachtvoller aus. Wir hören das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, die trotz unterschiedlich langer Arbeitszeiten denselben Lohn kriegen und denken: Na, wie gut, dass es heutzutage Gewerkschaften gibt. Wir hören Gottes Wort, der uns sagt: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“, und denken: Na, ich bin doch aber ein frommer Mensch. Da wird Gott schon alles so richten, wie ich es mir wünsche.
Nein, wird er nicht! Gott ist keine Wunscherfüllungsmaschine. Sein eigener Sohn musste das bitter erfahren. Als Jesus am Palmsonntag nach Jerusalem kam, hat er nicht vor lauter Vorfreude laut mitgejubelt. Das Einzige, was ihn getragen hat, war sein Vertrauen.
Die Weisheit der Welt ist eine weltliche Weisheit, die versucht, Gott in das Korsett unserer menschlichen Vernunft zu zwängen. Aber das lässt er nicht zu. Warum auch? Er hat uns Menschen so gemacht und so gewollt, wie wir sind – mit unseren Grenzen und Beschränktheiten, mit unseren Schwächen und unseren Macken. Und wir maßen uns an, zu erwarten, dass sich Gott auch so verengt, nur, damit er für uns kalkulierbar wird?
Passionszeit ist auch Lernzeit. Wir dürfen lernen, dass Gott nicht verfügbar ist. Wir dürfen lernen, dass wir scheitern werden, wenn wir sein Wesen mit menschlichen Kriterien beurteilen wollen. Wir dürfen aber auch lernen, dass er seine Verheißungen uns gegenüber immer erfüllt.
Gott wird uns nicht enttäuschen, wenn wir ihm vertrauen, wenn wir uns und unser Leben ihm anvertrauen und uns auf seine Liebe und Barmherzigkeit verlassen und anerkennen, dass der Friede Gottes einfach höher ist als all unsere menschliche Vernunft. So, wie mit Jesus, wird Gott es gutmachen – auch mit Ihnen, mit euch und mit mir. Amen.

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  Der Gottesknecht

Der Gottesknecht

Heiko Frubrich, Prädikant - 14.04.2025

Hat Jesaja die Biographie über das Leben und Sterben Jesu bereits 700 Jahre bevor es dann passierte, geschrieben? Das Gottesknechtslied, über das gestern in unseren Kirchen gepredigt wurde, enthält jedenfalls ganz strake biographische Züge.
Da heißt es: „Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden.“ Wie oft und wie segensreich hat Jesus mit den Müden geredet, mit jenen, die von allen anderen gemieden wurden, den Aussätzigen, den Zöllnern, den Blinden und Gelähmten. Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken! So hat er die Menschen zu sich eingeladen. Und diese Einladung gilt weiterhin und sie gilt auch uns.
Und weiter heißt es bei Jesaja: „Doch ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück. Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“
Jesus hat sich nicht gewehrt, ja er hat noch nicht einmal versucht, die Dinge richtigzustellen, als er von Pilatus verhört wurde. Wenn Sie die Schilderung über das Verhör lesen, möchten Sie Jesus beinahe schütteln und ihm sagen: Nun rede doch mal Klartext mit Pilatus! Erklär ihm, was hier gerade läuft, dass du Opfer einer Verschwörung bist, nur Gutes im Schilde führst und dass es ein riesiges Unrecht wäre, dich umzubringen. Doch Jesus sagt nur: Ich bin ein König und mein Reich ist nicht von dieser Welt. Und er verhält sich wortgetreu so, wie Jesaja schreibt: Er bietet seinen Rücken dar denen, die ihn schlagen, und seine Wangen denen, die ihn raufen Er verbirgt sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel.
Im Weiteren nennt der Jesaja-Text Jesu Kraftquelle, aus er heraus er all das durchhalten konnte: „Aber Gott der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Ich habe mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde.“
Ein Kieselstein kann einiges vertragen, ohne zu zerbrechen. Und das muss er auch. Denn Jesus erlebt in den kommenden Tagen großes Leid. Er wird verspottet und verletzt und umgebracht. Seine Freunde werden ihn allesamt verlassen und so ist er einsam und auf sich gestellt der Willkür der Mächtigen ausgesetzt. Das auszuhalten, braucht Härte.
Doch trotz des Kieselstein-Vergleiches blicken wir bei Jesus niemals in eine versteinerte Mine. Selbst in den schwersten Augenblicken seines irdischen Lebens bleibt er anderen zugewandt. Er wäscht seinen Jüngern die Füße. Er stiftet neue Gemeinschaft zwischen Maria und seinem Lieblingsjünger Johannes. Er wird zum Seelsorger für den, der neben ihm gekreuzigt ist und weiß mit diesem Müden zu reden bis zu seinem letzten Atemzug.
Wir wissen, dass Jesu Gottvertrauen nicht enttäuscht wird. Wir wissen, dass Gott ihn begleitet und hindurchgetragen hat durch alles Leid und sogar durch den Tod – hinein in ein neues Leben, das wir voller Hoffnung feiern dürfen im Licht des Ostermorgens. Amen.

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  Wer bist Du?

Wer bist Du?

Cornelia Götz, Dompredigerin - 12.04.2025

Ehe wir morgen am Palmsonntag wartend an der Straße stehen, Adventslieder singen, weil Jesus auf dem letzten Stück seines Weges nach Jerusalem kommen wird und wir ihn empfangen, unsicher und ratlos, hoffnungsvoll und dabei wieder erleben werden, dass Erwartung Menschen und ihre Sicht auf die Dinge verändert, sind wir heute noch einmal hier.
Robin Hlinka hat Musikstücke von Johann Sebastian Bach zusammengestellt, sie klingen nach Not und Leid, nach Hinwendung und Zurüstung.
Kein Wunder, dass zu diesem Samstag als Lehrtext in den Herrnhuter Losungen Folgendes gehört:
Es geht um Saul, den spätere Paulus, der ein erbitterter Feind derer ist, die mit Jesus Christus gehen. Er, der die jüdische Thora streng befolgt, findet keine Brücke und keinen Zusammenhang, zwischen dem Knecht und König, dem Reich Gottes, diesem Jesus und seinem Glauben. Er kämpft wie besessen für seine Überzeugung – bis ihn ein Licht, heller als die Sonne, blendet und zu Boden wirft. Überwältigt und erschrocken fragt er:
„Wer bist du, Herr? Der Herr sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf, stell dich auf deine Füße! Denn ich bin dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen erwählen!“.
Mitten in dem Ringen um Wahrheit und Gewissheit, mitten in den Auseinandersetzungen mit Menschen, die man auf Irrwegen glaubt, wird Sauls von den Füßen gerissen. Und mit diesem Sturz wird alles fragwürdig,
was bisher sinnvoll, gut und richtig war, Stabilität und Fundament gegeben hat.
So wird es auch denen ergehen, die am Freitag Zeug*innen werden, wie Jesus Christus, der Menschen heilte und satt machte, unter dessen Füßen die Wüste zu blühen begann, hingerichtet wird. Ihnen werden die Knie einknicken. Und dann, wenn das Grab leer ist, schon wieder: Unglaubliches blendendes Licht. Es ist nicht zu fassen.
„Wer bist du?“
Wer bist Du? Wer bist Du, dass du diesen Weg gehst? Wer bist du, dass unser Herz zu brennen beginnt? Wer bist du, dass in deiner Nähe die Hoffnung groß wird? Wer bist, dass ich mich in meiner Not und Verwirrung vor deinem Thron wiederfinde.
Und die Antwort heißt:
„Stell dich auf deine Füße“. Steh auf. Mach den Rücken grade. Geh mit.
Morgen. Durch die nächste Woche. Überhaupt.

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  und erlöse uns...

und erlöse uns...

Cornelia Götz, Dompredigerin - 11.04.2025

Vor drei Jahren um diese Zeit lebte ich einige Zeit bei den Benediktinerinnen in Köln. Ich hatte mich wundgelaufen und brauchte einen geistlichen Ort, um zur Ruhe zu kommen und zu verstehen, was alles geschehen war und wo es hingehen kann; es tat Not Frieden zu schließen, mit Gott und dem was war.
Und es war gar nicht so einfach: Corona hatte die verschiedenen Häuser noch immer fest im Griff. Außerdem hoffte ich damals auf eine Gemeinschaft ohne Männer…
So kam ich eines Tages – nach vielen Telefonaten und noch mehr offenen Ohren – in Köln an. Das Stadtkloster, nicht weit vom DLF, ist nicht eben ein heimeliges Anwesen – sondern ein großer Kasten mit einer hohen Mauer. Ich stand davor und fürchtete, mich übernommen zu haben.
Doch am Ende der Zeit würde ich die Regel des heiligen Benedikt gelesen haben und wissen, dass es genügt hatte, dass ich geklopft hatte und suchte und auch, dass die Schwestern, die fast immer unsichtbar waren und in der Regel schwiegen, mich dennoch begleiten und stärken würden.
Zunächst aber hieß es schweigen und allein sein.
Allein essen, allein zur Kapelle gehen, allein und ohne Pflichten durch den Tag kommen und auch die Nacht – ohne Leselampe – allein sein…
Aber es gab Gebetszeiten - fünfmal am Tag. Morgens um 6.00 begannen wir.
„Herr, öffne meine Lippen“ sangen wir und dann nach einer sich nur langsam erhellenden Reihenfolge Psalmen. Das waren viele Tage meine einzigen Worte. Und erstaunlich: alles, was ich erlebt hatte, passte hinein.
Die Stricke und die Lügen, verlorene Pläne und das „erforsche mich!“
Wir feierten Abendmahl. Ja, ich protestantischer Gast, auch. Und sangen: „Sprich nur ein Wort, dann wird eine Seele gesund.“
Eins genügt. Ein einziges nur.
Und dazwischen immer wieder das Vaterunser. Im Stillen und im Stehen.
Erst bei der Zeile „erlöse mich von dem Bösen“ beteten wir laut.
Es war erstaunlich. Stundenlange innere Zwiesprache, der Singsang und wieder viel Stille – und dazwischen immer wieder, fünf Mal am Tag:
„Erlöse mich von dem Bösen“.
Ganz langsam änderte sich etwas.
Auf der Homepage des Klosters steht (von Henry Stanley Haskins):
„Was hinter uns liegt und was vor uns liegt, sind nur Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was in uns liegt. Und wenn wir das, was in uns liegt, nach außen in die Welt tragen, geschehen Wunder.“
So habe ich es erlebt.
Das, was mich damals beschwert hat, ist vergangen, vorbei.
Heute schaue ich auf den Irrsinn in unserer Welt, auf die wahnsinnige Zerstörungswut und Egomanie, auf die wachstumsbesessene Hartherzigkeit, die Rüstungsmilliarden und den Wirtschaftskrieg, die Dürre – die Welt scheint noch viel mehr aus dem Ruder als vor drei Jahren und auch unsere scheint Wasser im Boot zu haben.
Was liegt da vor uns?
Und doch: wenn wir in uns hören – dann ist da das Echo der einen Geschichte, die von Verheißung und Advent erzählt, von einem Gott, der genau diese Welt liebt und darum durch das Dunkel geht, vom leeren Grab und Osterlicht – wir tragen all das in uns als wollten wir ein Wunder hüten.
Und gut zu wissen:
Das sind Worte, die unsere Seelen gesund und unseren Geist klar machen, die uns von dem Bösen erlösen.

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  U - Uria

U - Uria

Cornelia Götz, Dompredigerin - 10.04.2025

U – Uria
Von Uria berichtet die Bibel im zweiten Samuelbuch im Zusammenhang mit den Geschichten rund um David, den König und Stammvater des Hauses, auf das sich auch Josef und Jesus zurückführen werden.
Es ist keine schöne Geschichte.
Der Name Urijahu und seine Kurzform Uria bedeuten „JHWH ist mein Licht“. Der Uria, der dem David in die Quere kam, war allerdings ein Hetiter – sein Name wird daher wohl nicht mit dem Gott Israels in Verbindung gestanden haben. Vielleicht ist Uria deshalb in seinem Fall besser mit „Herr“ übersetzt.
Er war, so berichtet es das Alte Testament, ein Berufssoldat in Davis Truppe.
Vor allem aber war er mit Bathseba verheiratet.
In Gemäldegalerien alter Meister findet sich, welche verführerische Schönheit man bei ihrem Namen assoziierte. Auch David war dafür empfänglich.
Er sah ihr von seinem Palastdach beim Baden zu. Erkundigungen ergaben: sie war verheiratet mit Uria, dem Hetiter.
Aber das hielt David nicht ab, sie besitzen zu wollen. Er schläft mit ihr und schwänget sie.
Was nun beginnt, gehört zu den eher niederträchtigen Berichten des Alten Testamentes, die trotz ihrer Unrühmlichkeit immer weiter überliefert wurden – vielleicht, um im Gedächtnis zu behalten, dass Gott seine Geschichte auch mit sehr gewöhnlichen Menschen schreibt. David jedenfalls reagiert in diesem dunklen und blutigen Teil seiner Thronfolgegeschichte wie ein Herrscher, der sich vor schlechter Presse fürchtet.
Weit davon entfernt, selbst Verantwortung für das Kind, das er gezeugt hat, übernehmen zu wollen, lässt er nach dem Ehemann ins Feld schicken und ihn heimrufen. Ein zwei Nächte im Bett seiner Frau würden genügen, ihm das Kind unterzuschieben, so seine Rechnung.
Aber Uria ist nicht nur ein argloser Ehemann, sondern auch pflichtbewusster Soldat. So kommt er zwar zurück, weigert sich aber, woanders als draußen zu schlafen - genauso wie er es im Feld handhaben würde zumal ja auch die Bundeslade, das Heiligtum des wandernden Gottesvolkes, im Freien bleibt.
David versucht ihn davon abzubringen, mit Festessen und Alkohol. Aber Uria verrät seine Überzeugung nicht. Er weiß sich im Dienst und weicht nicht von seinem Prinzip, im Freien zu bleiben, ab.
Daraufhin weißt David seinen Feldherrn Joab an, den störrischen Ehemann an der Front auf einen lebensgefährlichen Posten zu setzen. So kommt es.
Uria verliert sein Leben. Seine Witwe Bathseba wird Davids Frau und Mutter des Thronfolgers Salomo. Doch das ist eine andere Geschichte.

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  9.4.1945

9.4.1945

Cornelia Götz, Dompredigerin - 09.04.2025

Über diesem Tag heißt es im 34. Psalm:
„Die auf den HERRN sehen, werden strahlen vor Freude.“ Und dazu aus dem Johannesevangelium: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, was ich Euch getan habe.“
Nicht nur eins. Heute vor 80 Jahren wurde der Schreiner Georg Elsner – verantwortlich für das gescheiterte Bombenattentat im Münchner Bürgerbräukeller - nach fünf Jahren Haft ohne Urteil im KZ Dachau ermordet.
In Berlin-Plötzensee wurde Ewald von Kleist-Schmenzin enthauptet.
In Flossenbürg wurden Wilhelm Canaris, Hans Oster, Ludwig Gehre, Karls Sack und Dietrich Bonhoeffer an einer Drahtschlinge aufgehängt nachdem sie nackt zur Hinrichtungsstelle hatten gehen müssen.
Der Krieg war fast zu Ende.
Aber die Terrormaschine funktionierte.
Sie machte auch diese Männer noch zu Märtyrern im Widerstand - wie so viele andere bis dahin. Sie kamen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Sie waren vermutlich geradliniger und mutiger als wir. Und dabei Menschen wie wir – mit Sehnsucht und Hoffnung, mit Angst und Sorgen, mit Familien, Eltern, Geschwistern, Kindern…
Am 28. Februar 1945 hatte Bonhoeffers Mutter, die nach Dietrichs Abtransport aus Berlin nichts mehr von ihm hörte, geschrieben:
„Meine Gedanken sind Tag und Nacht bei Dir in Sorge, wie es Dir ergehen mag. Hoffentlich kannst du etwas arbeiten und lesen und kommst nicht zu sehr herunter. Gott helfe dir und uns durch diese schwere zeit. Deine alte Mutter.“
Dietrich Bonhoeffers Braut Maria von Wedemeyer, die er während ihrer Verlobungszeit nicht einen Moment unter vier Augen gesehen hatte, suchte ihn unterdessen während der Wirren des Kriegsendes und lief und fuhr mit einem Koffer warmer Kleidung durch das kaputte Land von einem Gefängnis und Konzentrationslager zum nächsten.
Überall wird sie fortgeschickt. Auch in Flossenbürg. Von dort schreibt sie an Dietrichs Mutter: „Leider ist eine ganze Reise … völlig zwecklos gewesen. Dietrich ist gar nicht da…“
Nicht einmal diese letzte Begegnung ist ihnen vergönnt.
Erst im Juni 1945 erfährt sie von seiner Hinrichtung.
Dietrich Bonhoeffer, der nicht einmal vierzig Jahre alt geworden ist, wuchs in das, was er trug hinein. Am Ende seines Lebens schrieb er: „Schließlich sind die menschlichen Beziehungen doch einfach das Wichtigste … Gott selbst lässt sich von uns im Menschlichen dienen.“
Daran, ob wir der Menschlichkeit bzw. den anderen menschlich dienen, entscheidet sich, wes Geistes Kinder die sind, die seiner gedenken. Wer hätte gedacht, dass wir auch das heute bedenken müssen.

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  Schaffe mir Recht, Gott!

Schaffe mir Recht, Gott!

Heiko Frubrich, Prädikant - 07.04.2025

Judika, so lautet der Name des gestrigen Sonntages, der sich aus Worten des 43. Psalms ableitet. „Schaffe mir Recht, Gott!“, so bittet der Psalmbeter. Und quasi als Antwort auf diese Bitte wird uns im Evangelium der Bericht über Jesu Verhör vor dem römischen Statthalter Pilatus präsentiert. Und man ist geneigt, zu denken: Na, wenn das Gottes Reaktion auf unseren Wunsch nach Recht und Gerechtigkeit ist, dann Prost Mahlzeit!
Was war passiert: Jesus wurde nach seiner Gefangennahme im Garten Gethsemane vom Hohen Rat und den jüdischen Hohenpriestern Hannas und Kaiphas verhört. Sie wollen Jesus loswerden, ein für alle Mal, weil er ihnen gefährlich zu werden scheint. Er bringt die Menschen dazu, die Machtposition der geistlichen Obrigkeit zu hinterfragen und deren Unfehlbarkeit in Frage zu stellen. Jesus bekennt sich gegenüber den Priestern als Gottes Sohn. Das reicht dem Hohen Rat, um ihn zum Tode zu verurteilen.
Doch sie können das Urteil nicht vollstrecken. Dazu brauchen sie Pilatus und der gerät nun in eine für ihn höchst unangenehme Situation. Am liebsten möchte er sich aus diesem Konflikt komplett heraushalten. Doch so einfach machen es ihm die jüdischen Geistlichen nicht. Und so kommt es nach einigem Hin und Her und nachdem sich Pilatus spürbar gewunden hat wie ein Aal zu Jesu Todesurteil.
Einen letzten Ausweg bietet die Tradition, vor dem Passahfest einen Verurteilten zu begnadigen, den sich das Volk aussuchen kann. Und dann stehen nun der gegeißelte Jesus mit Dornenkrone und Purpurmantel und der Räuber Barabbas vor den Leuten. Und diese entscheiden sich für Barabbas. Er wird an Stelle von Jesus freigelassen.
Schaffe mit Recht, Gott! Aber doch bitte nicht so, oder? Die geistliche Obrigkeit initiiert einen politischen Mord, wobei sie aber akribisch darauf achten, dass sich andere dabei die Finger schmutzig machen. Der Unschuldige wird verleumdet, auf offener Bühne verhöhnt und gequält. Pilatus, der mehrfach sagt, dass er Jesus für unschuldig hält, verurteilt ihn dennoch zum Tod am Kreuz, weil er keine Lust auf einen Konflikt mit der Jerusalemer Priesterschaft hat. Und das Volk fordert lauthals Jesu Tod und schenkt dafür einem veritablen Verbrecher die Freiheit.
Und bevor wir nun alle mit unserer Entrüstung nicht mehr wissen, wohin: Schauen wir in die Welt des Jahres 2025, und wir finden genau das wieder. Heuchelei, Korruption, Lügen, Gewalt und zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit. Ich verzichte auf Beispiele, Sie kennen genug.
Schaffe mir Recht, Gott! Sind diese Worte also in den Wind gesprochen? Nein, das sind sie nicht. Denn Gott zeigt uns, dass sein Atem weiterreicht als nur bis zu dieser bedrückenden Szene im Palast des Pilatus. Gott führt die Geschichte weiter und durch all diese menschlichen Abgründe hindurch. Er ist in der Lage, aus diesen Paradebeispielen menschlichen Unrechts etwas Heilvolles hervorzubringen. Und er erfüllt es in der größten Amnestie der Menschheitsgeschichte, in der Jesus all unsere Schuld mit sich ans Kreuz nimmt und im Geschenk des ewigen Lebens, das sichtbar und erlebbar wird im leeren Grab im Licht des Ostermorgens.
Auf diese Hoffnung hin dürfen wir leben – auch und gerade in der Passionszeit. Amen.

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  Wer nur den lieben Gott lässt walten

Wer nur den lieben Gott lässt walten

Heiko Frubrich, Prädikant - 05.04.2025

„Wer nur den lieben Gott lässt walten“, ein Hoffnungslied mitten in der Passionszeit. Im Gesangbuch ist es in der Rubrik „Angst und Vertrauen“ zu finden, wobei in der Bearbeitung von Johann Sebastian Bach, die wir gerade gehört haben, die Zuversicht überwiegt. Wir werden in einen wiegenden 4/4-Takt hineingenommen und immer wieder an warmen Harmonien vorbeigeführt und mit einem strahlenden A-Dur Akkord entlassen.
„Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit.“ Mal Hand aufs Herz: Können diese Worte nicht auch eine echte Zumutung sein? Wie mögen sie klingen in den Ohren der Menschen im unkrainischen Charkiw, deren Welt in Trümmern liegt? Wie mögen sie klingen in den Ohren der 1,5 Millionen Transgender-Menschen in den USA, die die Trump-Administration als nicht existent bewertet. Wie klingen diese Worte in unseren Ohren, wenn uns unsere eigenen Lebenswege durch tiefe Täler führen?
Manchmal fehlt die Kraft, im Leben mutig weiterzugehen. Manchmal fehlt das Vertrauen, um zu glauben, dass die Worte stimmen: „Wer Gott, dem Allerhöchsten traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“ Und es wird auch nicht alles von jetzt auf gleich wieder gut, wenn wir uns vor Augen führen, dass unsere Traurigkeit unser Kreuz und Leid nur größer machen, wie uns die zweite Strophe lehren will.
Jesu Passion war kein Augenblicksgeschehen, nichts, was er zwischen Frühstück und Mittag hätte erledigen können. Es war eine erlebbar lange Zeit, die in seinen Gedanken ganz sicher weit vor dem Palmsonntag begonnen hatte. Und die Bibel berichtet eben ganz genau nicht, dass er fröhlich und Choralverse pfeifend durch Jerusalem getanzt ist.
Jesus ging es richtig dreckig! Er hat Angst, was er mehrfach sagt. Er hat gezittert, ist unter der Last seines Schicksals in Gethsemane zusammengebrochen und hat Gott unter Tränen um Schonung gebeten. Je mehr Lebenserfahrung wir sammeln, desto besser können wir all das auch anhand unserer eigenen Biographie nachvollziehen, weil es auch bei uns größere und kleinere Passionszeiten gab und weitere möglicherweise noch kommen werden.
Es ist deshalb so wichtig, dass wir im Kirchenjahr Zeit haben, all das zu bedenken und an uns heranzulassen. Es ist aber genauso wichtig, in diesen Tagen und Wochen auf Ostern hinzuleben. Denn so unbegreiflich das Osterwunder für uns auch sein mag: Das Grab war leer und wir alle dürfen wissen, dass Gott im Licht des Ostermorgens neues Leben geschaffen hat, das keine Dunkelheit mehr kennt, und das uns allen zuteilwerden wird – aus Liebe. Amen.

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  Einsam - gemeinsam

Einsam - gemeinsam

Cornelia Götz, Dompredigerin - 04.04.2025

Ich habe einen Ohrwurm: „Einsam bist du klein / aber gemeinsam werden wir Anwalt des Lebendigen sein / einsam bist du klein.“
Einsam.
Einsamkeit ist ein großes Thema. Mancherorts gibt es Ministerien, anderswo Beauftragte. Es gibt medizinische Studien über Nebenwirkungen von Einsamkeit, oder die sozialen Folgeschäden (kann man das so nennen?) der Coronapandemie. Und dann ist da noch die totale Leere zwischen allen Socialmediakontakten. Einsamer nie.
Einsam kann man sich fühlen, wenn an warmen Frühlingsabenden Menschen endlich wieder draußen auf Straßen und Plätzen zusammensitzen und man selbst doch zu keiner dieser fröhlich plaudernden Gruppen dazugehört.
Einsamkeit ist etwas anderes als Alleinsein. Das ist ja manchmal auch ganz schön – aber eben nur so lange wie es selbst gewählt ist. Milva singt das so herrlich:
„Ich bin so gern allein / Du glaubst ich kann’s nicht sein / Doch ich will hin und wieder mal keinen Menschen sehn… Ich stelle Möbel um / lauf ungeschminkt herum / ich mach es mir gemütlich / und dann denk ich an Dich.“
So ist es die Luxusvariante. Moderner Individualismus.
Aber wenn man nicht allein sein will? Wenn man befürchtet, komisch zu werden und nicht merkt, dass man – aus lauter Angst übersehen oder falsch verstanden zu werden - misstrauisch wirkt, wenn aus gefühlter Einsamkeit eine echte Zwangslage wird, dann fühlt man sich klein, wehrlos, spürt sich nicht mehr.
„Geh doch mal raus und unter Menschen“ hilft dann eher nicht.
Umso wohltuender ist das, was Gott uns in seiner Gemeinde und durch seinen Geist, mit seiner Gastfreundschaft schenkt.
Er lädt uns ein an seinen Tisch – nicht nur in Gedanken – sondern physisch.
Wir teilen Brot und Wein – nicht nur ideell, sondern so, dass wir richtig was zu schlucken haben.
Er verbindet uns nicht nur durch die Luft , die wir gemeinsam atmen, sondern auch wenn wir uns die Hände geben: Berührung – das Wundermittel gegen Einsamkeit.
Vielleicht ist dieses „eine Gemeinschaft gestiftet zu haben“ das kostbarste und wirksamste Geschenk, um leben zu können und Anwälte des Lebendigen, des Lebens, wirklicher Nähe zu sein – einander zum Segen zu werden. Darum: gut, dass Sie da sind. Gleich feiern und erleben wir das.

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  T - Taube

T - Taube

Cornelia Götz, Dompredigerin - 02.04.2025

Wenn Intellektuelle ein Land verlassen, so wie derzeit es in den Vereinigten Staaten geschieht, dann ist das ein so alarmierendes Zeichen wie wenn seinerzeit im Bergwerk die Kanarienvögel starben. So beginnt die Katastrophe.
Darum aus gegebenen Anlass Bibelkunde: T – Taube.
Denn war sie es nicht, die das Ende der Katastrophe anzeigte?
Wartete man nicht auf ihre Rückkehr? Oder ist es schon so weit - wie Hans Hartz sang: „Die weißen Tauben sind müde. Sie fliegen lange schon nicht mehr…“ ???
Bibelkunde also:
Im Alten Testament kannte man zwei Taubenarten:
Die graublaue wilde Felsentaube, von der auch die Haustaube abstammt. Und die Turteltaube, ein Zugvogel mit rötlicher Brust und seitlichen Halsflecken.
Tauben gehörten zum Alltag der Menschen: Der Prophet Jeremia berichtet von Tauben, die an Felswänden nisten, Hosea schimpft, dass Tauben „flatterhaft und ohne Verstand seien“ und eh leicht zu fangen sobald man sie hört. Jesaja berichtet von Taubenschlägen zur Massenhaltung, denn sie wurden gegessen.
Und vielleicht waren sie wegen ihrer frühen Domestizierung die einzigen Vögel unter den Opfertieren.
Mit salzigem Taubenmist wurde Brot gebacken. Darum war der kostbar und steht folgerichtig im zweiten Buch der Könige auf einer Liste rarer Güter, die während der Belagerung Samarias teuer wurden.
In der altorientalischen Umwelt Israels waren Tauben schließlich Begleittiere der Liebesgötter. Von dort war der Weg ins Hohelied Salomos kurz.
Dass die Menschen Tauben als Liebesboten lasen, erklärt wohl auch, warum in der Taufgeschichte Jesu Gottes Geist „wie eine Taube“ herabschwebt.
Für uns wurde die taube zum Friedenssymbol. Allerdings wohl nicht zuerst wegen ihrer wichtigen Rolle in der Sintflutgeschichte - die Taube brachte einen Ölzweig und Noah wusste so, dass die Flut überstanden und zusammen mit dem Wasser auch der Zorn Gottes verebbt war – sondern dank Pablo Picasso: Der malte für den ersten „Weltkongress der Kämpfer für den Frieden“ 1949 ein Plakat mit Taube, weil einer seiner Freunde Motiv in Picassos Atelier so schön fand.
T - Taube. Hoffen wir, dass sie dien Ölzweig bringt, ehe die Kanarienvögel sterben. Grund zur Hoffnung haben wir, denn Jeremia lässt ausrichten:
„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

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  Redet, wenn Ihr Angst habt!

Redet, wenn Ihr Angst habt!

Heiko Frubrich, Prädikant - 01.04.2025

Die biblischen Texte der Passionszeit nehmen uns bereits jetzt hinein in die Karwoche. Am vergangenen Sonntag wurde berichtet, wie einige Griechen, die zum Passahfest nach Jerusalem gekommen waren, mit Jesus sprechen wollten. Als Jesu Jünger ihm das sagen, reagiert er merkwürdig. Er geht auf den Gesprächswunsch nicht ein, sondern beginnt, über seinen eigenen Tod zu sprechen. „Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben“, sagt er. Und: „Meine Seele ist voller Angst. Doch soll ich sagen: Vater, rette mich? Nein. Denn jetzt geschieht, wofür ich gekommen bin. Ich sage vielmehr: Vater, offenbare jetzt deine Herrlichkeit!“
Jesus hat Angst. Und diese Angst ist so bestimmend, dass er seinen Jüngern offenbar gar nicht richtig zuhört, als sie ihm sagen, dass dort Menschen sind, die zu ihm wollen. Jesus weiß, dass er Gottes Sohn ist. Er weiß, dass er bestens behütet ist und dennoch hat er Angst. Und er macht aus dieser Angst kein Geheimnis.
In jedem Leben gibt es Phasen, in denen wir existenzielle Angst haben. Wir verlieren einen Menschen, der Teil unseres Lebens war, uns ereilt eine schwere Krankheit, der Verlust des Arbeitsplatzes zerstört unsere Zukunftspläne. Jesus rät uns durch sein eigenes Verhalten: Redet darüber! Vertraut euch Gott uns anderen Menschen an, und tragt die Last nicht alleine.
Die Bibel verrät uns nichts über die Reaktion der Jünger. Doch sie berichtet, dass Gott selbst sich zu Wort meldet und seinen Sohn tröstet und ihm Mut macht. Er spricht aus dem Himmel: „Ich habe meine Herrlichkeit schon einmal offenbart und ich werde sie noch einmal offenbaren.“ Das erste Mal offenbart Gott seine Herrlichkeit in Christi Geburt. Er kommt als Mensch in unsere Welt und wird einer von uns und wir sahen seine Herrlichkeit, wie Johannes berichtet. Und die zweite Offenbarung von Gottes Herrlichkeit geschieht in der Auferstehung seines Sohnes am Ostermorgen.
Jesus sagt: „Hört genau hin, denn das, was mein Vater gerade gesagt hat, gilt euch!“ Und ja, so ist es. Wir wissen, dass Gott Wort gehalten hat, denn das Grab war leer. Wir wissen, dass Jesus seinen Weg weitergehen konnte, weil er wusste, dass Gott ihn auffangen und es am Ende gutmachen würde mit ihm. Und wir dürfen wissen, dass das auch für alle unsere persönlichen Krisen und Ängste und Nöte zutrifft. Gott wird seine Herrlichkeit auch an uns offenbaren und uns nicht verlassen, wenn wir alleine nicht mehr weiterwissen.
Jesus zeigt uns: Angst zu haben, schwach zu sein und um Hilfe zu bitten, ist keine Schande. Es gehört zu jedem Leben dazu, sogar zu dem des Gottessohnes. Und wir müssen da nicht alleine durch. Denn er ist da und hilft. Amen.

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  Liebe wächst wie Weizen

Liebe wächst wie Weizen

Heiko Frubrich, Prädikant - 31.03.2025

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt. Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
So heißt es in der ersten Strophe eines von Pastor Jürgen Henkys geschriebenen Passionsliedes. Es geht um das Weizenkorn, das sterben muss, um viel Frucht zu bringen. Es geht um Jesus Christus, der sein irdisches Leben verliert, damit neues Leben entstehen kann, neues Leben, dass aus der Kraft der Liebe Gottes den Tod besiegt.
Wir sehen Bilder von zerstörten Häusern und Trümmern auf den Straßen. Wir sehen Bilder von verzweifelten Menschen, die nach ihren Angehörigen suchen. Wir sehen Bilder voller Angst, Trauer und Hilflosigkeit. Tausende haben ihr Leben verloren in den Erdbebengebieten in Myanmar und Thailand. Klingt es nicht beinahe zynisch, jetzt von Liebe zu singen?
Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Menschen haben niemals aufgehört, den Stab über Gottes Liebe zu brechen und Felsen vor der Liebe Grab zu wälzen. Da schicken die Mächtigen ihre Soldaten in den Krieg, wo sie den Tod finden, ihr Leben hingeben müssen als Tribut für den Größenwahn ihrer Staatenlenker. Da werden die Freiheitsrechte von Minderheiten durch präsidiale Dekrete vor laufenden Kameras weggewischt, da werden Menschen für die eigenen Ziele instrumentalisiert – durch rücksichtslose Scharfmacher, die die Lüge systematisch über die Wahrheit stellen. Klingt es nicht beinahe zynisch, jetzt von Liebe zu singen?
Im Gestein verloren Gottes Samenkorn, unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn – hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Ja, unsere Herzen können verhärten, wenn ihnen das Gestrüpp und die Dornen des Egoismus, der Ignoranz und der sogenannten Sachzwänge den Raum zum Mitgefühl nehmen. Dann bleibt Gottes Samenkorn im Gestein verloren und findet keinen Zugang mehr zu unserem Denken, Reden und Handeln. Und dann wird es dunkel in dieser Welt. Wir erleben Nächte, in der es kalt ist und unmenschlich. Klingt es nicht beinahe zynisch, jetzt von Liebe zu singen?
Doch wir alle dürfen auf den dritten Tag hoffen. Wir dürfen darauf hoffen, weil Gott uns gezeigt hat, dass im Licht des Ostermorgens alles Leiden ein Ende hat und dass Gottes Liebe in allem immer gegenwärtig ist, auch, wenn wir sie nicht wahrnehmen. Und deshalb dürfen wir niemals müde werden, von Liebe zu singen.
Denn Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün. Amen.

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  Die Rosarote Brille

Die Rosarote Brille

Heiko Frubrich, Prädikant - 29.03.2025

Jedes Pink ist Rosa, aber nicht jedes Rosa ist Pink. Zu diesem Ergebnis kommt eine Doktorarbeit mit dem wohlklingenden Titel: „Zur Semantik der Farbadjektive rosa, pink und rot.“ Was es nicht alles so gibt. Dabei ist das Thema auch für uns als evangelische Kirche durchaus wichtig, denn wir sind in der Passionszeit gerade beim Lätare-Wochenende angekommen. Lätare bedeutet „Freue dich“ und so heißt der morgige Sonntag auch Freuden- oder Rosensonntag. Und damit man das auch in unseren Kirchen sofort erkennen kann, könnten wir unsere Altäre mit Paramenten schmücken, die die Farbe Rosa haben, und damit das Lila der Buß- und Fastenzeiten etwas aufhellen. Leider haben wir hier am Dom kein rosafarbenes Parament, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Drei Wochen Passionszeit haben wir nun schon hinter uns, noch drei weitere werden folgen. Gelingt es Ihnen, ab und zu mal in die besondere Atmosphäre dieser Zeit einzutauchen? Oder ich frage mal anders: Wollen Sie das überhaupt?
Ich denke, dass es ganz unterschiedliche Wege gibt, sich durch diese Wochen vor dem Osterfest zu bewegen. Schaue ich darauf, zu was Menschen fähig sind und werden, wenn sie Macht über andere haben? Dabei stellt sich schnell Entsetzen ein, wobei es der biblischen Geschichten um Jesu Leiden und Sterben gar nicht bedarf. Ein Blick auf unsere Welt im Hier und Jetzt reicht vollkommen aus, um im wahrsten Sinne des Wortes den Glauben an die Menschheit zu verlieren.
Ich kann die Passion Jesu aber auch vom Ende her betrachten. Und dann ist der Karfreitag nicht nur grausam und beschämend, sondern eben auch ein unglaublicher Liebesbeweis. Christus nimmt uns all unsere Schuld und unsere Sünde von den Schultern, trägt sie ans Kreuz und nimmt sie mit in den Tod, wo sie für alle Ewigkeit verschwindet. Das macht den Karfreitag auch zu einem Datum der Befreiung. Nicht zuletzt deshalb heißt er im Englischen Good Friday, Guter Freitag.
Wie dem auch immer sein mag: An diesem Wochenende dürfen wir auf jeden Fall einmal durchatmen. Wir werden morgen (Achtung: Spoiler!) in unseren Gottesdiensten von Gottes Gnade und Treue hören, vom Brot des Lebens und vom Weizenkorn, das viel Frucht bringt.
All das tut uns gut, denn es ist die Vergewisserung, dass Gott immer an unserer Seite ist und dass das Licht des Ostermorgens alle Finsternis überstrahlt. Lätare! Freue Dich! Amen.

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  Die Frohe Botschaft retten

Die Frohe Botschaft retten

Heiko Frubrich, Prädikant - 28.03.2025

Es gibt wieder neue Zahlen über die Mitgliederentwicklung der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland. Und wieder ist ein deutlicher Rückgang von insgesamt über einer Million Kirchenmitgliedern zu verzeichnen. Zwar gab es nicht mehr so viele Austritte wie in den Vorjahren, doch können Taufen und Wiedereintritte den Trend bei weitem nicht aufhalten. Die Kirchenleitungen zeigen sich alarmiert und betonen, dass man vor diesen Zahlen nicht die Augen verschließen dürfe. Doch Hingucken alleine reicht ganz sicher nicht aus.
Überaus passend heißt es in den Herrnhuter Losungen über dem heutigen Tag: „Jesus Christus spricht: Geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“
Geht hin zu den verloren Schafen. Damit kann man sich ja gut beschäftigt halten, denn an verlorenen Schafen herrscht kein Mangel, wie uns die Zahlen zeigen. Und dann? Was soll passieren? Jesus sagt: „Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus.“ Seine Jünger sind die Adressaten und manches ist für einen Otto-Normalverbraucher-Christenmenschen des 21. Jahrhunderts sicher eine Nummer zu groß. Aber vielleicht lässt sich Jesu Botschaft ja zusammenfassen zu: Tut Gutes! Kümmert Euch um die Menschen und lasst dadurch sichtbar werden, was christliches Leben bedeutet.
Wenn Menschen unsere Kirche verlassen, kann das unterschiedliche Gründe haben. Ein möglicher ist die Unzufriedenheit mit der Kirche als Institution. Dafür gibt es zutreffende Argumente und die Liste innerkirchlicher Baustellen ist noch lange nicht abgearbeitet. Es kann aber auch sein, dass Menschen, die die Kirche verlassen, keine Bindung mehr zu christlichen Werten und zum Christ-Sein insgesamt fühlen.
Dass die Institution Kirche schrumpft, ist tragisch. Der Bedeutungsverlust christlicher Werte allerdings, birgt weit größere Gefahren in sich. Denn damit verschwinden rote Linien, die bisher mehrheitlich anerkannt waren. Wenn wir Jesu Botschaft ernstnehmen, bleibt kein Platz für Hass und Gewalt, kein Platz für Diskriminierung und Verrohung, kein Platz für Fanatismus und Größenwahn.
Wenn wir Jesu Botschaft ernstnehmen, werden wir einander in Respekt und Barmherzigkeit begegnen und unseren Mitmenschen lieben wie uns selbst. Diese Haltung, die unser Zusammenleben im Großen wie im Kleinen bestimmt, steht auf dem Spiel. Und natürlich geht auch die Gewissheit verloren, ein Leben in Liebe und Geborgenheit zu führen, begleitet von einem Gott, der es gut mit uns meint.
Das alles ist existenziell, und es betrifft jede und jeden einzelnen genauso wie uns alle als Gesellschaft. Primäres Zeil ist nicht, die Kirche als Institution zu retten, sondern der frohen Botschaft Gehör zu verschaffen und die Menschen davon zu überzeugen, dass Gottes Liebe das Beste ist, was uns widerfahren kann – in jeder Beziehung. Amen.

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  Dampf ablassen

Dampf ablassen

Heiko Frubrich, Prädikant - 27.03.2025

„Herr, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist für mich zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich.“ Von Jeremia stammen diese Worte, über die am vergangenen Sonntag in unseren Kirchen gepredigt wurde. Jeremia, der große Prophet des Alten Testaments, Jeremia der uns so viele von Gottes Gedanken und Worten übermittelt hat, er beklagt sich hier in einer Deutlichkeit, die zumindest überrascht.
Ja, er hat sich nicht in das Prophetenamt hineingedrängt. Als Gott ihn berief, hielt er sich für zu jung und er wandte ein, dass er kein guter Prediger sei. Aber dennoch: Diese Motzerei gegenüber Gott ist schon ziemlich heftig. „Du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist für mich zu stark gewesen und hast gewonnen; aber ich bin darüber zum Spott geworden täglich.“
Darf man so mit Gott reden, insbesondere dann, wenn man aus seiner Hand eine so vertrauensvolle Aufgabe erhalten hat? Oder ist das einfach nur respektlos? Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Gott in der Bibel von uns Menschen konsequent geduzt wird? Und nicht nur von den Menschen in der Bibel: Wir tun es auch, in jedem Vater Unser, das wir miteinander beten. „Vater unser, der Du bist im Himmel.“ Und Gott duzt zurück: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“, sagt er.
Nun hat das Duzen nicht unmittelbar etwas mit fehlendem Respekt zu tun. Es kann, und so verstehe ich es hier, auch durchaus Augenhöhe und Nähe ausdrücken. Das Du in unserer Gottesbeziehung ist für mich der Beleg dafür, dass Gott einen festen Platz bei uns haben, und bei allem, was wir erleben und erleiden, dabei sein möchte.
In einer solchen Beziehung gibt es auch mal ruppigere Zeiten. Da sind unsere Zweifel, aus denen wir kein Geheimnis machen müssen. Da ist unser Unverständnis, warum Gott nicht aktiver in das Weltgeschehen eingreift. Und da ist unsere Wut, wenn uns Schicksalsschläge treffen, obwohl wir Gott doch an unserer Seite haben.
All das darf raus, all das darf laut werden vor Gott und nichts nimmt er uns übel – ganz im Gegenteil. Jesus ermuntert uns, zu ihm zu kommen, wenn wir mühselig und beladen sind, weil er uns entlasten und wieder aufrichten will. Und er fordert uns auf, Gott, mit dem, was uns bedrückt, auf die Nerven zu gehen. Auch dafür ist er da.
So manches wird leichter, wenn man es sich von der Seele redet. Ärger wird kleiner, wenn wir mal so richtig Dampf ablassen können. Und die Gefahr von Magengeschwüren nimmt deutlich ab, wenn wir unseren Frust nicht in uns hineinfressen. Gott weiß das, und er ist in solchen Situationen gerne unser Gesprächspartner.
Und wenn sich das selbst der große Prophet Jeremia getraut hat, dann dürfen wir das auf jeden Fall auch. Amen.

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  Frieden leben!

Frieden leben!

Heiko Frubrich, Prädikant - 26.03.2025

„Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Beleidigt Sie das? Fühlen Sie sich zu Unrecht angegriffen? Verallgemeinerungen sind ja ohnehin mit Vorsicht zu genießen, und wenn wir dann so undifferenziert verunglimpft werden, wohl erst recht. Blöd nur, dass dieser Satz nicht aus irgendeinem TikTok-Fake-News-Post stammt, sondern von Gott höchstpersönlich. Er spricht ihn aus, nach dem Ende der Sintflut und es schwingt deutlich Resignation mit in seinen Worten.
Es ist Mittwoch und so ist dieser Abendsegen heute gleichzeitig ein Friedensgebet. Aber können wir uns das nicht eigentlich schenken, wenn Gott schon auf den ersten Seiten der Bibel zu der Erkenntnis kommt, dass wir Menschen von Jugend an nur Böses im Sinn haben? Wie soll es da Frieden werden können?
Und wir sehen ja gerade an einigen Paradebeispielen, dass ein paar mächtige Autokraten ausreichen, um jegliche mühsam aufgebaute Friedensordnung und damit die ganze Welt in Unordnung zu bringen und die Zukunft von Millionen von Menschen zu gefährden. Und selbst die Bibel ist voll von Geschichten, in denen es um Krieg und Gewalt geht. Wir sind mitten in der Passionszeit und erinnern uns daran, dass wir Menschen in unserer Selbstüberschätzung und unserem Größenwahn sogar Gottes Sohn umgebracht haben.
Und trotz allem wendet sich Gott nicht von uns ab. Der Mensch ist schlecht und trotzdem will ich nie wieder alles Lebendige so schwer bestrafen, wie ich es getan habe, sagt er zu sich selbst, nachdem Noahs Arche wieder auf sicherem Land lag. Dem zugrunde liegt Gottes feste Überzeugung, dass wir eben auch anders können, dass wir einander zum Segen werden und zum Frieden fähig sind.
Ja, wir haben den ans Kreuz gebracht, der uns gezeigt hat, wie Frieden geht. Ja, wir haben damit ein Fanal gesetzt, das zeigt, wozu wir Menschen fähig sind. Gott hätte an diesem Punkt der Geschichte alle Brücken zu uns abbrechen können. Aber er hat selbst auf diesen Gewaltexzess gegen seinen eigenen Sohn mit Liebe geantwortet, mit Liebe, die spürbar wird in der Vergebung unserer Schuld und die sichtbar wird mit dem leeren Grab.
Doch Gottes Liebe soll uns auch Verpflichtung sein, das Vertrauen, das er in uns setzt, nicht zu enttäuschen. Frieden regnet nicht vom Himmel. Frieden beginnt nicht erst dann, wenn andere damit anfangen. Frieden beginnt bei uns als spürbare und sichtbare Antwort auf Gottes Liebe, die er uns so eindrucksvoll bewiesen hat. Damit können wir das Böse im Zaum halten – uns Menschen zum Wohle und Gott zur Ehre. Amen.

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  Siehst du den Mond dort stehen?

Siehst du den Mond dort stehen?

Henning Böger, Pfarrer - 25.03.2025

Der Blick heute Abend geht in weite Ferne, genauer 384.400 Kilometer weit von der Erde entfernt: bis hinauf zum Mond. Seit kurzem steht der Erdtrabant auf der Liste des bedrohten Kulturerbes.
Der „World Monuments Fund“, kurz WMF, hat den Mond in seine aktuelle Liste der gefährdeten Orte aufgenommen. Die gemeinnützige Denkmalschutz-organisation, 1965 gegründet, benennt alle zwei Jahre 25 besonders bedrohte Kulturerbe-Stätten. Auf ihrer „World Monuments Watch“ stehen oftmals Stätten, die in Konfliktgebieten wie der Ukraine oder dem Gazastreifen liegen oder die durch die Klimakrise besonders gefährdet sind.
Nun steht auch der Mond auf der Liste des WMF, weil man die Zerstörung einer wichtigen archäologischen Stätte fürchte. Die Sorge der Forschenden bezieht sich auf Fundstücke, die verteilt am Landepunkt der ersten bemannten Mondfähre liegen. Es sind 106 an der Zahl, sorgfältig kartografiert, z. B. ein Paar Weltraumstiefel, eine umgewehte US-Fahne, eine Mondoberflächen-Nahaufnahmekamera oder ein Fußabdruck im Mondstaub. Die US-Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin ließen all das zurück, als sie am 21. Juli 1969 den Mond wieder in Richtung Erde verließen.
In der näheren Zukunft stellen, so der WMF, neue Forschungsmissionen oder sogar private Ausflüge zum Mond ein Risiko für diese Artefakte der ersten Mondlandung dar. Man stelle sich etwa einen Touristen wie Elon Musk vor, der seinen Fußabdruck neben oder sogar auf dem von Neil Armstrong hinterlassen möchte.
Wie anders singt das alte Abendlied von Matthias Claudius vom aufgehenden Mond: „Seht ihr den Mond dort stehen? / Er ist nur halb zu sehen / und ist doch rund und schön. / So sind wohl manche Sachen, / die wir getrost verlachen, / weil unsere Augen sie nicht sehn.“
Der halbe Mond als Zeichen für die halbe Erkenntnis. Eben meine Sicht der Dinge. Und andere haben ihre Sicht, die mir vielleicht noch verborgen ist.
Auch das wäre ein guter Grund dafür, den Mond auf die Liste des bedrohten Menschheitserbes zu setzen. Weil Leben, das als Ganzes gelingt, sich immer aus diesen halben Wahrheiten zusammenfügt.

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  Gemeinschaft der Heiligen – Du gehörst dazu!

Gemeinschaft der Heiligen – Du gehörst dazu!

Heiko Frubrich, Prädikant - 24.03.2025

„Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage?“ Ein witziger Spruch, der aber durchaus Wahres in sich trägt. Denn manchmal ist die Zunge schneller als das Hirn und mitunter funktioniert sie, auch ohne, dass unsere grauen Zellen merkbar einbezogen sind. Das passiert sogar beim Beten. Die Worte des Vater Unser sind uns so vertraut, dass einfach fließen. Da braucht es keine übermäßige Konzentration. Wir falten die Hände, schließen vielleicht die Augen und beten. Und tatsächlich machen sich unsere Gedanken dabei manchmal auf einen Weg, den wir nicht erwartet haben und der uns wegführt, von dem, was wir sagen.
Es kann aber auch sein, dass wir vertraute Worte immer wieder sprechen und plötzlich kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Frage: Was bedeutet das eigentlich? So ist mir mal ergangen, als ich über eine Formulierung in unserem Glaubensbekenntnis gestolpert bin. Da heißt es im letzten Teil: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen...“
Gemeinschaft der Heiligen? Die spielen doch aber bei uns Protestanten gar nicht so die große Rolle. Wir sagen doch eher: Ja, es gab und gibt sie immer wieder, diese Menschen, die uns große Vorbilder im Glauben sind, die für ihre christliche Überzeugung gelebt haben und sogar dafür gestorben sind. Ich denke dabei an den Jerusalemer Diakon Stephanus genauso wie an Dietrich Bonhoeffer.
Aber sind tatsächlich diese gemeint mit der Gemeinschaft der Heiligen? Ja, diese auch. Und darüber hinaus noch Sie und Ihr und ich. Sie könnten jetzt einwenden, dass uns der Papst doch noch gar nicht heiliggesprochen hat, ja dass er uns noch nicht einmal persönlich kennt. Und ich erwidere Ihnen: Das macht nichts, denn Paulus schreibt in seiner Anrede im ersten Korintherbrief für seine Verhältnisse verblüffend klar: „An euch, die ihr heilig geworden seid durch die Verbindung mit Christus Jesus. Zu Heiligen seid ihr berufen mit allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen – überall auf der Welt, hier wie anderswo.“
Wenn wir mit Jesus Christus verbunden sind, dann sind wir Heilige. Durch Taufe und Bekenntnis gehören wir dazu und sind, wie Paulus an anderer Stelle schreibt, „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. Das mit mittendrin statt nur dabei. Das ist dieses Reich Gottes, von dem Jesus sagt, dass es bereits jetzt unter uns ist.
Und jedes Mal, wenn wir im Glaubensbekenntnis von der Gemeinschaft der Heiligen sprechen, dürfen wir uns daran erinnern. Ich gehöre dazu! Ich bin eine oder einer von diesen Heiligen, fest verbunden mit meinem Gott, der mich sieht, der mich kennt und der mich liebt – für immer und ewig. Amen.

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  19.521 Schritte

19.521 Schritte

Henning Böger, Pfarrer - 22.03.2025

Der Mode-Experte und Fernsehmoderator Guido Maria Kretschmer hat ein schmales Büchlein geschrieben: „19.521 Schritte: Vom Glück unerwarteter Begegnungen“.
Kretschmer, der sonst modemutige Zeitgenossinnen medienwirksam berät, erzählt
darin von einem ungewöhnlichen Spaziergang durch Berlin. An einem sonnigen Tag bricht er dazu ganz spontan auf. Seine Idee dabei: Einfach mal woanders abbiegen,
nicht immer dieselben Wege gehen und dabei vor allem viel Zeit haben.
So macht er sich auf den Weg und trifft unterschiedlichste Menschen, die ihn an ihren Geschichten teilhaben lassen. Da ist zum Beispiel Chanti, die bald nach Indien fliegt,
um dort ihre große Internet-Liebe zu treffen, oder Petra, die mit Mitte fünfzig ihr ganzes Leben infrage stellt, weil sie eine Frau kennen und lieben gelernt hat. Jede dieser Geschichten gibt Guido Maria Kretschmer die Möglichkeit, sich auch an Erfahrungen
und Erlebnisse aus seinem eigenen Leben zu erinnern. Denn: „Wir nehmen uns ja mit egal, wohin die Reise geht.“ Am Ende ist seine Tagesreise quer durch Berlin 19.521 Schritte lang.
Wer sich einmal quer durchs Büchlein liest, der merkt: Der Schlüssel zu den vielen, gelingenden Gesprächen an diesem Tag liegt in der offenen Art, mit welcher der Spaziergänger Kretschmer den ihm unbekannten Menschen begegnet. „Ohne diese Offenheit“, so Kretschmer, „bekommen wir ja gar nicht mit, wie toll, vielfältig und wie ähnlich wir anderen sind. Diese schönen Begegnungen machen das Leben für mich aus.“
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, lese ich beim Religionsphilosoph Martin Buber. Und weiter: „Die verlängerten Linien der Beziehungen schneiden sich im ewigen Du.“
Das ist eine alte, schon biblische Einsicht: Wir Menschen sind durch Gott von Anfang
an als Gegenüber geschaffen. Für Gott selbst, das ewige Du, und auch füreinander. Unsere Lebenswege gewinnen dort an Sinn und Tiefe, wo wir uns für andere interessieren, ihnen mit offenem Blick und weitem Herzen begegnen.
Gute Wege uns allen in dieses März-Wochenende hinein und Neugier darauf,
wem wir begegnen könnten!

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  S - Schet

S - Schet

Cornelia Götz, Dompredigerin - 20.03.2025

S – Schet
Wer ist das? Kaum jemand kennt ihn. Dabei ist er das Bindeglied zwischen uns und Adam und Eva. Er, nicht Kain, der seinen Bruder Abel erschlug.
Die Bibel erzählt:
„Adam schlief wieder mit seiner Frau, und Eva bekam noch einen Sohn.
Sie nannte ihn Schet, das heißt: Ersatz. Denn sie sagte:
»Gott hat mir einen anderen Sohn geschenkt. Denn Abel ist ja von Kain erschlagen worden.« Auch Schet bekam einen Sohn und nannte ihn Enosch. Damals begann man, den Herrn bei seinem Namen anzurufen.“
Mit dieser Linie verbindet sich Gott.
Fast übersehen? Ja, vielleicht. Denn geht es nicht mit unserem Welt- und Geschichtsbild, unserer Erfahrung mit Blick auf die Mächtigen besser zusammen, dass Gott nach dem Brudermord, den Kain zwar zeichnet aber ihn trotzdem zum Stammvater macht?
Ja, so selektiv kann man lesen. Aber so steht es nicht geschrieben. Denn
Gott ist von Anfang an auf der Seite derer, die sterben müssen vor der Zeit, die stumm gemacht werden – darum braucht es für Abel Ersatz, einen, der an seine Stelle tritt. Erinnern wir uns: Abel hieß „Hauch, Vergänglichkeit“.
Er war ein Leiser.
Sein kleiner nachgeborener Bruder wird ihn vertreten. Nicht, um an der Last der Familienkonstellation zu zerbrechen, sondern weil mit ihm, mit Schet, über den die Linie zu Noah und Abraham weitergeht, eine Grundentscheidung sichtbar wird: die biblischen Geschichten sind parteilich.
Sie tun den Mund auf für die Stummen.
Darum beginnen die Menschen mit diesem Schet, so hab ich es vorhin vorgelesen, Gott anzurufen – mithin: ihm zu erzählen, ihm zu klagen, zu danken und zu bitten und auch: verstehn zu wollen.
Nur wenn wir Schet, den dritten Sohn von Adam und Eva, nicht übersehen, verstehen wir also, dass Gottes Geschichte keine Geschichte der Sieger und Heroen sein will. Es ist eben gerade nicht wie bei Romulus und Remus, dort erbaut der Brudermörder Rom. Hier aber verfolgt Gott Abels Spur.
Wir gehen jetzt – in der Passionszeit - auf Jesu Tod zu. Er war ein Nachfahre Abels und Schets, Auch er wurde ermordet wurde, zum Verstummen gebracht. Wir gehen, leben und glauben in dieser Spur!
Und zuletzt: Schet wird eine Frau finden und eine Familie gründen. Sein Sohn heißt Enoch „Menschlein“. Ganz zart klingt es vom Anfang her obwohl wir doch dachten, es ein eine archaische gewaltvolle Geschichte. Ja – aber die endet in der Sackgasse. Es geht weiter mit: S – Schet.

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  Saint Patrick’s Day

Saint Patrick’s Day

Heiko Frubrich - 17.03.2025

Irland, die grüne Insel – heute trifft diese Bezeichnung in ganz besonderer Weise zu. Nicht etwa, weil dort überraschend schnell der Frühling ausgebrochen wäre, sondern weil heute der irische Feiertag schlechthin ist: Saint Patrick. Da geht so richtig die Post ab, da wird gefeiert, dass die Wände wackeln und alles eben in grün – grüne Hüte, grünes Bier, ja sogar ganze Flüsse werden mit Lebensmittelfarbe Grün eingefärbt.
Bischof Patrick ist der irische Schutzheilige. Geboren um 400 soll er als Kind von Sklavenhändlern aus seiner schottischen Heimat nach Irland verschleppt worden sein, wo er als Schafhirte arbeiten musste. Dort habe er Kraft im christlichen Glauben gefunden. Eines Nachts soll er von einem Engel zur Flucht aufgefordert worden sein. Dem kam er nach und wurde so wahrscheinlich Mönch im Norden von Frankreich.
Dort wiederum träumte er von Stimmen, die ihn nach Irland zurückriefen. Und so wurde er 432, ausgestattet mit einem päpstlichen Auftrag, auf die Insel zurückgeschickt. In Irland angekommen gründete er Klöster, Schulen und Kirchen und soll bis zu seinem Tod im Jahre 462 Tausende zum christlichen Glauben bekehrt haben.
Nur Weniges von dem, was wir uns heute über Saint Patrick erzählen, ist durch verlässliche Quellen belegt, was auch daran liegt, dass bis zu seinem Wirken in Irland Geschichte meist mündlich übermittelt wurde, was nachvollziehbarerweise zu Unschärfen führt. Doch ganz unabhängig davon ist Saint Patrick bis heute eine christliche Integrationsfigur, hinter der sich Irinnen, Iren und Irland-Fans weltweit versammeln, um ordentlich zu feiern.
Zugegebenermaßen geht es dabei oftmals nicht besonders fromm zu. Aber ist das ein Problem? Ich finde nicht – ganz im Gegenteil! Ein guter Freund von mir ermahnt mich immer mal wieder, doch von hier vorne nicht so ernst und streng zu gucken, denn es ginge doch wohl um die „Frohe“ Botschaft, wenn er es recht verstanden hätte. Und ja, er hat es recht verstanden.
Es geht um die Frohe Botschaft und dass das so ist, darf man uns allen auch ansehen – sogar in der Passionszeit. Und wenn sich Menschen zusammenfinden, um eine gute Zeit miteinander zu haben, zu reden, zu singen und zu feiern, dann hat unser Herr ganz sicher nichts dagegen. Und wenn wir uns dabei dann noch an ein Vorbild im Glauben, wie zum Beispiel Sain Patrick, erinnern: Na umso besser! Amen.

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  Schwäche und Staunen

Schwäche und Staunen

Cornelia Götz, Dompredigerin - 15.03.2025

„Lass Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
So heißt es im zweiten Korintherbrief. Mir ist dieser Vers wichtig - in der Passionszeit, vor allem aber dann, wenn es um Ermutigung wider die Ohnmacht und Erschöpfung geht.
Ich finde, wenn wir beim Abendmahl hier vorn zusammenstehen, jede und jeder mit seiner kleinen Kraft, jede und jeder immer auch auf dem dünnen Eis der Herausforderungen des eigenen kleinen Lebens oder der großen Welt und diese Worte hören - dann ist das nicht nur tröstlich, sondern auch zum Staunen schön.
Heute Morgen ist mir eine Geschichte, der ganz anderen Art begegnet, die etwas von der Gnade, die mit den Schwachen in unser Leben kommt, erzählt. Sie ist von tröstlicher Schönheit.
Es geht um Chloe Dalton, eine britischen Politikberaterin, die während der Regierungszeit von David Cameron für das Außenministerium arbeitete und entsprechend im Londoner Regierungsviertel hin- und herrannte, zu den Brennpunkten in Bagdad, Kabul und Algier reiste und vermutlich arbeitete wie ein Brauereipferd.
Dann kam Corona und mit der plötzlichen Vollbremsung eine Zäsur, die ihr wie unser aller Leben infrage stellte. Bei Chloe Dalton klingt das allerdings nicht nach Krise, sondern eher nach Verblüffung. Denn von außen gesehen kann man sich ja manchmal wundern, womit man sich alles identifizieren und dann mit Haut und Haar engagieren kann … - mit ein bisschen Abstand kommt einem das dann absurd vor.
So ähnlich muss es Chloe Dalton gegangen sein, als sie in der Coronazeit auf dem Lande lebte und eines Tages einen kleinen Wildhasen fand. Das hilflose Tier, Inbegriff des Schwachen, lehrte sie Demut und Loslassen, schärfte ihren Blick für eine Welt, die weiß, wie man Wildhasen jagt und brät aber nicht, wie man sie aufzieht, mithin dafür, wie „wenig wir zu tun gewillt sind, um den Bedürfnissen … der Kreatur, der Schöpfung entgegenzukommen“ und zugleich, welche Schönheit in der Selbstgenügsamkeit liegt.
Die Begegnung mit dem kleinen Hasen, um dessentwillen sie in ihrem eigenen Hause ganz leise war und abends kein Licht machte, den sie kommen und gehen ließ, trotz aller Furcht vor seinen Feinden, hat ihr Leben reicher gemacht, erfüllter, schöner.
Jetzt, fünf Jahre später, so erzählt sie, kommen drei Generationen Wildhasen, um auf ihrem Teppich zu fläzen, sich im Garten zu sonnen und wieder in die Felder zu verschwinden.
Und Chloe Dalton, die dachte, wenn sie davon erzählt, wird sie als gefühlsduselige Frau abgestempelt, hat mit dieser Geschichte inzwischen viele Menschen glücklich gemacht und für sich selbst einen neuen Weg gefunden, ihre Kraft in den Dienst der Schwachen zu stellen.
Und ich denke: da scheint Gnade auf. Sie hilft uns miteinander leben. Es lohnt, von Schwachen, Schwäche und Ohnmacht zu erzählen und zu staunen, was dann passiert.

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  Abend und Morgen

Abend und Morgen

Cornelia Götz, Dompredigerin - 14.03.2025

Ein ganz besonders schönes Abendlied findet sich in unserem Gesangbuch unter der Nummer 266: „Der Tag mein Gott ist nun vergangen.“ Die englische Königin Viktoria wünschte sich 1897 ein schwingendes Lied zu ihrem Diamantenen Thronjubiläum (man sieht in Gedanken wie der Globus so ich dreht – und immer gibt es ein bisschen Commonwealth).
Die Königin wird sehr zufrieden gewesen sein.
In unser Gesangbuch fand das Lied seinen Weg zunächst durch eine Übertragung aus dem Jahr 1958. Damals hatte ein bayrischer Lutheraner eine deutsche Version für die Liturgie zum „Weltgebetstag der Frauen“ geschrieben. Wenig später gab es eine zweite deutsche Übersetzung von Gerhard Valentin und die klingt nun so:
„Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen / und wird vom Dunkel überweht.
Am Morgen hast du Lob empfangen, / zu dir steigt unser Nachtgebet.
Die Erde rollt dem Tag entgegen, / wir ruhen aus in dieser Nacht
und danken dir, wenn wir uns legen, / dass deine Kirche immer wacht.
Denn unermüdlich, wie der Schimmer / des Morgens um die Erde geht,
ist immer ein Gebet und immer / ein Loblied wach, das vor dir steht.
Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben /den Menschen überm Meer das Licht: / Und immer wird ein Mund sich üben, /der Dank für deine Taten spricht.
So sei es, Herr: die Reiche fallen, / dein Thron allein wird nicht zerstört;
dein Reich besteht und wächst, bis allen / dein großer, neuer Tag gehört.“
Die Melodie wiegt sich leise und wir können uns in ihr fallen lassen, voller Vertrauen, dass Abend und Morgen sich abwechseln und Gott einen neuen Tag werden lässt.
Vielleicht überlässt man sich der Geborgenheit dieses Textes so gern, weil sie sich mit dem Wissen verknüpft, dass irgendwo schon längst wieder Morgen geworden ist und wirklich ein neuer Tag begonnen hat und auch, dass andere, die gerade wieder in einen neuen Tag starten und geschäftig sind, wissen können, dass wir innehalten und beten.
Und zuletzt:
Heute Morgen habe ich eine kleine Geschichte eines madrilenischen Ehepaares gelesen, Francisca und Lorenzo, die an jedem einzeln Morgen gemeinsam vor die Tore der Stadt fahren und den Sonnenaufgang betrachten, zuschauen, wie die Sonne, die irgendwo versunken ist nun uns das Licht bringt und während sie her versinkt, anderen aufleuchtet.
Als die Sinflut vorüber war, sprach Gott:
„Solange die Erde währt, / sollen nicht aufhören / Saat und Ernte, Frost und Hitze, / Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Und während wir das singen und hören, passiert es schon.
Trotz allem und in allem.

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  R - Rabe

R - Rabe

Cornelia Götz, Dompredigerin - 13.03.2025

R –
Das ist ja mal ein Buchstabe, bei dem einem schon lange vorher Ideen zufliegen: Ruth und Rahel, Regen und Ruhe, Ruach und Rom – aber dann trifft mich ein gewaltiger Krähenschiss und ich denke:
R – Rabe.
Palästina kennt verschiedene Rabenarten. Das hebräische Wort „ôreb“ ist vermutlich eher ein lautmalerisches Sprachgebilde; als wollte es das Rabengekrächz nachahmen. Klar ist aber jedenfalls: Rabenvögel gibt es hier wie dort viele.
Raben sind Aasfresser. Deshalb galten sie als unrein, nicht essbar. Überhaupt verbinden sich mit ihnen wegen ihrer schwarzen Farbe und der Neigung, Ruinenstätten und wüste Gebiete zu bewohnen, eher herbere Assoziationen.
Wiederum haben es die Raben auch nicht leicht, denn offenbar muss Gott die jungen Raben der sprichwörtlich gewordenen Rabeneltern wegen (die keineswegs schlechte Eltern sind) füttern
So erzählt es der 147. Psalm.
Und: Raben sind klug. Seeleute – so erzählen es alte Texte aus Mesopotamien – schätzten sie als Orientierungshilfe. Vielleicht darum sandte Noah einen pfiffigen Raben aus, um zu erkunden, ob die Erde wieder bewohnbar wäre.
Sind Raben treu? Dieser kam jedenfalls nicht zurück.
Gott bedient sich ihrer dennoch: Im 1. Buch der Könige wird erzählt, dass
Raben den Propheten Elia morgens und abends mit Brot und Fleisch versorgten, als der sich auf Gottes Geheiß hin am Bach Krit verstecken musste, nachdem er im Auftrag Gottes eine Dürrekatastrophe angekündigt hatte.
Bei dem Evangelisten Lukas schließlich heißt es:
„Sehr euch die Raben an: Sie säen nicht, die ernten nicht, sie haben keine Vorratskammer oder Scheune. Trotzdem ernährt Gott sie.“
So sind Rabenvögel auch Ausdruck für Gottes große Güte. An ihnen sehen wir, dass wir uns nicht zersorgen müssen, sondern verlassen können, das für uns gesorgt ist.
Sollte ich mich daran erinnern als der geschätzte Mitbewohner unserer Stadt mich…?

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  Rendezvous mit dem Licht

Rendezvous mit dem Licht

Cornelia Götz, Dompredigerin - 12.03.2025

Mittwoch, Friedensgebet – wir können nicht ausweichen – auch wenn ich das dann und wann eigentlich gerne machen würde.
Solche Seitwärtsbewegungen lassen mich in den Worten anderer stöbern und so finde ich Emily Dickinson: „Geh zu deinem Rendezvous mit dem Licht / Ohne uns – Ohne Angst / während wir das Geheimnis durchfurchen / Dass du übersprangst.“
Ein Rendezvous mit dem Licht, während wir die Gegenwart durchfurchen.
Das Buch liegt auf einer Broschüre: „Sicherheit neu denken, Positives Szenario.“ Kirchen und Friedensinitiativen haben miteinander gesichtet, was man zusammentragen und wissen kann, was hilft, Horrorszenarien Argumente und Friedenslogik entgegenzustellen. Es gibt darin Zahlen des „International Institute for Strategic Studies“ und einer Greenpeace Studie, die beide zu dem Schluss kommen, dass die Nato Russland in fast allen militärischen Schlüsselparametern (Militärbudget, Truppenstärke, Großwaffensysteme) auch ohne die USA überlegen ist.
Punkt für Punkt, vom Personal über Luft-, Land-, Seestreitkräfte und Nuklearwaffen liegt die NATO – manchmal weit - vorn …
Was soll man da denken.
Was machen wir gerade?
Wo führt die Hochrüstung hin?
Ich durchfurche die Gegenwart und erinnere mich, dass ein Freund dieser Tage sagte: „Die Gefahren, die wir weltweit sehen, bestimmen unseren Blick. Durch die Fixierung auf alles, was gefährlich ist und gefährlich werden könnte, wird die Zukunft ein schwarzes Loch ohne Versprechen – aber die Zukunft ist nicht schwarz oder leer, sie ist nicht ohne Advent“, ohne Ostern.
Wir wissen das doch!
Gott hat unserer Welt aus dem Tohuwabohu, aus der Wüstenei geschaffen und sie gut eingerichtet, er liebt sie, immer noch.
Gott hat den Regenbogen in die Wolken gestellt, und uns seines Friedens vergewissert.
Gott legt, so heißt es bei Jesaja, „seine Reden in Jesajas Mund, er schützt mit dem Schatten seiner Hand, um den Himmel zu pflanzen und die Erde zu gründen.“
Gott ist wirksam. Er hebt so heißt es im 116. Psalm – den Becher der Befreiung – und wir? Wir haben ein Rendezvous mit dem Licht. Jetzt. Denn es ist Zeit für das Friedensgebet.

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  Braunschweiger Warenhausstrum

Braunschweiger Warenhausstrum

Heiko Frubrich, Prädikant - 11.03.2025

Samstag, 11. März 1933. Um 17:00 Uhr findet auf dem Kohlmarkt ein Platzkonzert der SA statt. Unter den Zuhörern befinden sich zahlreiche SS- und SA-Männer in Zivil. Auf ein vereinbartes Zeichen hin machen sich eine größere Anzahl dieser Zivilisten auf den Weg durch die Schuhstraße in Richtung der Kaufhäuser „Adolf Frank“, in dem heute „New Yorker“ ist, und zu „Karstadt“. Dort schlagen sie mit mitgebrachten Steinen die Schaufenster ein, zerstören das Inventar und bedrängen und verletzen Kundinnen und Kunden, die dort einkaufen. Später wird in gleicher Weise noch das Bekleidungshaus „Hamburger & Littauer“ verwüstet.
Der damalige Noch-Innenminister und spätere Ministerpräsident des Freistaates Braunschweig, Dietrich Klagges, hatte die Aktion im Vorfeld dem Kommandeur der Braunschweiger Polizei angekündigt und ihn angewiesen, sich mit seinen Leuten zurückzuhalten. Und so erscheint die Polizei auch erst, lange nach dem die Gewalttaten abgeschlossen und niemand der Täter mehr vor Ort war.
Die Braunschweiger Zeitung berichtet am Montag, dem 13. März 1933 unter Berufung auf Informationen aus dem Braunschweiger Innenministerium über von Kommunisten verübte Gewaltakte in der Braunschweiger Innenstadt.
Das, was sich in unserer Stadt heute auf den Tag genau vor 92 Jahren ereignete, ging als „Braunschweiger Warenhausstrum“ in die Geschichte ein. Dieser markiert den Anfang von Gewaltaktionen gegen jüdische Kaufhäuser und deren Inhaber. In den folgenden Jahren wurden diese Kaufhäuser im gesamten Reichsgebiet, wie man es nannte, arisiert. In der Praxis bedeutete das, dass sie den Inhaberinnen und Inhabern zu Verkaufspreisen abgepresst wurden, die weit unter dem Marktwert lagen. Der in Braunschweig betroffene Kaufhausbetreiber Adolf Frank gab sein Geschäft bereits wenige Wochen nach dem Anschlag ab.
Heute ist der europäische Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt. Seine Einführung geht auf die Anschläge auf Züge in Madrid am 11. März 2004 zurück, bei denen 193 Menschen ums Leben kamen. Der Braunschweiger Warenhaussturms richtete sich mit seiner Gewalt zunächst nur gegen Sachen, ein Terrorakt war er nichtsdestoweniger. Terror beginnt mit Einschüchterung und Verunsicherung, mit dem Säen von Angst und Hass.
All das ist mit christlichen Werten und einer christlichen Grundhaltung nicht vereinbar und daher hier im Dom auch nicht willkommen. Unsere Dompredigerin, Cornelia Götz, hat unser Leitbild, wie folgt formuliert:
„Der Braunschweiger Dom steht für ein gewaltfreies, demokratisches Miteinander und die Achtung der Menschenwürde, unabhängig von Nationalität, sozialer Herkunft, religiöser Überzeugung und sexueller Orientierung. Das bedeutet für uns, dass Erscheinungsformen von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung, Verherrlichung oder mangelnder Distanz zum Nationalsozialismus im Braunschweiger Dom keinen Platz haben.“
Der Jahrestag des Braunschweiger Warenhaussturms ist ein Datum, an dem diese Worte hörbar sein sollten. Amen.

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  Sicherheit und Frühling

Sicherheit und Frühling

Cornelia Götz, Dompredigerin - 10.03.2025

1934 hielt Dietrich Bonhoeffer, angesichts einer waffenstarrenden Welt auf einer ökumenischen Jugendkonferenz im dänischen Fanö, eine seiner wichtigsten Reden. Es ging um Frieden und Sicherheit. Sie klang damals wie heute prophetisch. Bonhoeffer, selbst noch sehr jung, sagte:
„Wie wird Friede? Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern? d. h. durch die Großbanken, durch das Geld? Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung zum Zweck der Sicherstellung des Friedens? Nein, durch dieses alles aus dem einen Grunde nicht, weil hier überall Friede und Sicherheit verwechselt wird.
Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden, ist das eine große Wagnis, und lässt sich nie und nimmer sichern.
Friede ist das Gegenteil von Sicherung.
Sicherheiten fordern heißt Misstrauen haben, und dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg. …“
So klingt es und macht es nicht eben einfacher, in den Entscheidungen, die jetzt fallen, Wege zum Frieden zu sehen. Das könnte einen ins Dunkel stürzen. Aber draußen leuchtet der Frühling. Und bei Dorothee Sölle lese ich: „Die Inseln der Schönheit, die wir brauchen, sie sind Erinnerungen an das wirkliche Leben mitten im falschen. Jeder blühende Baum erinnert an Gottes geliebte wunderbare Welt.“
So ist es und ich empfinde diese ersten Frühlingstage als großen Segen, der Hoffnung groß und stark werden lässt. Die Farbenpracht, mit der die Frühblüher, die Vögel, deren Zwitschern den Rhythmus des Lebens erinnert – weil Gott es Tag werden lässt und der Winter vergeht, dass macht mir Mut.
Dietrich Bonhoeffer beendete seine Rede damals mit den Worten:
„Wir wollen reden zu dieser Welt, kein halbes, sondern ein ganzes Wort, ein mutiges Wort, ein christliches Wort. Wir wollen beten, dass uns dieses Wort gegeben werde, – heute noch…“
Und dann finden uns die Worte der Tageslosung, sicher sein und Friede liegen dann auf einmal ganz nah beieinander. Hört aus dem 4. Psalm:
„Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, HERR, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ Und dazu heißt es aus dem Johannesevangelium:
„Jesus spricht: Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“
Und ich staune: über die Krokusse und die Wildgänse, die Worte, die nicht zufällig sind und die Geborgenheit an diesem Ort. Das Leben wird siegen. Wie gehen auf Ostern zu – durch das Dunkel hindurch scheint es hell!

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  Vivacissimo brillante – Thema verfehlt?

Vivacissimo brillante – Thema verfehlt?

Heiko Frubrich, Prädikant - 08.03.2025

Musikalisches Mittagsgebet am ersten Samstag der Passionszeit und mit großen Kontrasten. Da lässt uns unser Kantor Robin Hlinka mit von César Franck komponierten finsteren und dramatischen h-Moll-Klängen innerlich geradezu spüren, wie sich Leid und Elend anfühlen und anhören. Und es ist geradezu „Not wendig“, am Schluss dann wenigstens noch in einen warmen und tiefen Dur-Akkord gehüllt zu werden.
Doch wir sind noch nicht am Ende, denn mit den beiden noch anstehenden Werken von Bach und Karg-Elert warten noch zwei echte Passionsstücke auf uns. „O Lamm Gottes, unschuldig“ hatte über lange Zeit seinen Platz in der Karfreitagsliturgie und die Toccata „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ wurde von Sigfried Klarg-Elert explizit für die Passionszeit komponiert.
Und was soll ich Ihnen sagen: Wenn man das nicht weiß, käme man kaum auf die Idee, dass es sich bei den beiden Werken um Musik für die Passion handelt, für eine Zeit also, in der wir keinen Blumenschmuck auf dem Altar haben, in der wir in unseren Gottesdiensten weder Gloria noch Halleluja singen, sondern uns in besonderer Weise an Jesu Leiden und Sterben erinnern.
Der Text des Passionschorals, über den Bach komponiert hat, lautet so: „O Lamm Gottes, unschuldig, am Stamm des Kreuzes geschlachtet, allzeit erfunden geduldig, wiewohl du warest verachtet, all Sünd hast du getragen, sonst müssten wir verzagen. Erbarm dich unser, o Jesu.“ Unschuldig am Kreuz geschlachtet und verachtet. Und nun startet Bach seine Choralbearbeitung in verspieltem A-Dur mit Trillos in hohen Tonlagen, strahlend und über weite Teile ohne Pedal. Und selbst, als das mit der Choralmelodie im letzten Drittel dazukommt, wird es überhaupt nicht drückend oder finster. Es bleibt hell und beinahe jubelnd.
Und Klarg-Elert setzt mit seiner Passionstoccata noch einen drauf. Da geht es in konsequentem F-Dur und mit fortefortissimo so richtig ab und die erste Tempoangabe lautet Vivacissimo brillante, also äußerst lebhaft und glänzend.
Was gibt man den beiden Komponisten dazu nun mit auf den Weg? Thema verfehlt, 6, setzen? Oder doch eher: Danke für’s Augenöffnen? Unbestritten lehrt uns die Passion, wozu Menschen fähig sind, wenn sie Macht über andere haben und dass sie in ihrer Grausamkeit noch nicht einmal vor Gott haltmachen. Und ja, wir lernen auch, welchen Preis Jesus bereit war zu zahlen, damit es uns gutgehen kann, damit nichts mehr zwischen uns und Gott steht und damit wir Vergebung erfahren. Jesu Tod am Kreuz ist ein Fanal für Gottes Opferbereitschaft, und Paulus sagt zurecht: Gott war in diesem gekreuzigten Christus.
Doch Passion bedeutet eben auch Vorbereitung auf das Wunderbarste überhaupt, nämlich den Sieg des Lebens über den Tod und die Zusicherung, dass wir alle die Chance auf das ewige Leben haben. Wir dürfen die Passionszeit auch von Ostern her denken, und dann kann es gar nicht genug Vivacissimo brillante, eben weil uns Jesus Christus verspricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Amen.

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  Weltgebetstag – Cook-Inseln

Weltgebetstag – Cook-Inseln

Heiko Frubrich, Prädikant - 07.03.2025

In zwei Jahren wird er seinen 100. Geburtstag feiern, der Weltgebetstag. Mittlerweile wird er in 120 Ländern mit ökumenischen Gottesdiensten gefeiert, wobei die Gottesdienstordnung jedes Jahr von Frauen aus einem anderen Land vorbereitet wird. In diesem Jahr stammt sie von den Cook-Inseln. 15 Inseln sind es insgesamt und sie bilden einen unabhängigen Staat. Die Gesamtfläche der Cook-Inseln ist ein bisschen größer als die der Stadt Braunschweig, allerdings leben dort nur knapp 15.000 Menschen.
„Wunderbar geschaffen“ – mit diesem Motto aus Psalm 139 haben die Cook-Frauen den diesjährigen Weltgebetstag überschrieben. Wenn Sie sich mal Bilder von den Inseln im Internet ansehen, werden Sie verstehen, warum. Die kleinen Inseln sehen aus wie tiefgrüne Tupfen im türkiesblauen Pazifik und Fauna und Flora sind atemberaubend schön.
Wunderbar geschaffen sind aber auch wir Menschen und wir sind befähigt uns auch wunderbar zu verhalten. Und so laden die Frauen in ihrer diesjährigen Gottesdienstordnung dazu ein, „mit unseren Gaben und Talenten der Welt zu dienen und ihr zum Segen zu werden.“ Um zu zeigen, wie das gehen kann, haben sie Werte und Regeln zusammengestellt, die das Leben auf den Cook-Inseln bestimmen.
So möge man ein Herz voller Mitgefühl und liebevoller Freundlichkeit haben und ein friedliches, ruhiges, sanftes und fürsorgliches Gemüt. Menschlichkeit und ruhige Würde werden bewundert, während man Uneinigkeit als schlecht für den Frieden der Gemeinschaft und für den eigenen Seelenfrieden ansieht.
Manchmal kann man es ja kaum glauben, doch es stimmt: So können wir Menschen tatsächlich sein. Und wären wir so, ginge es auf einmal allen besser. Doch wenn unsere schönen Ideale auf das pralle Leben treffen, verlieren sie eben auch ganz schnell an Glanz. Denn wir stellen fest, dass wir es alleine und nur aus eigener Kraft nicht hinbekommen, einander zum Segen zu werden.
Und deshalb heißt es auch nicht Weltoberlehrertag, sondern Weltgebetstag. Denn uns allen ist klar, dass wir trotz allerbester Vorsätze immer wieder auch scheitern werden und dass wir Gott brauchen, der uns wiederaufhilft, wenn wir gestolpert sind, der uns Rat gibt, wenn wir nicht weiterwissen und der uns immer wieder versorgt mit dem Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Eine gute Gelegenheit, sich dessen zu erinnern, ist Abendmahl zu feiern. Denn dabei werden Gottes Güte und Treue und Nähe in Brot und Wein in besonderer Weise sichtbar und erlebbar. Gleich haben wir Gelegenheit dazu. Wie schön! Amen, oder wie man auf den Cook-Inseln sagt: Amine.

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  Luft holen! - Sieben Wochen ohne Panik

Luft holen! - Sieben Wochen ohne Panik

Heiko Frubrich, Prädikant - 06.03.2025

„Luft holen! – Sieben Wochen ohne Panik“ So lautet das Motto der diesjährigen Fastenaktion der Evangelischen Kirche. Ich stolpere jedes Jahr auf Neue über diese besondere Sichtweise auf die Fastenzeit. Denn irgendwie ist in meinem Kopf fest miteinander verdrahtet, dass Fasten Verzicht auf etwas bedeutet, was mir Freude macht, woran ich mich gerne gewöhnt habe und was ich ungern missen möchte. Das soll in der Passionszeit auch so sein, damit wir unsere Sinne schärfen und auf das richten können, was wirklich wichtig ist.
Doch warum sollte man darüber hinaus nicht auch auf etwas verzichten, was wirklich nervt, was unangenehm ist und uns die Lebensqualität raubt: Panik zum Beispiel. Die machen wir uns gerne auch mal selbst: Wenn wir uns hineinsteigern in unsere Sorgen, wenn wir niemanden haben, mit dem wir darüber reden können und der uns hilft, zu unserer Panik den Abstand zu gewinnen, der nötig ist, um ihre wahre Ursache zu erkennen. Denn die ist oftmals deutlich weniger bedrohlich, als wir uns bewusst machen.
Luft holen also, alleine oder gemeinsam mit anderen, eine kurze Pause einlegen, auch um unsere Gedankenspiralen zu durchbrechen, die uns so unbarmherzig nach unten ziehen. Sicherlich, es herrscht momentan kein Mangel an Sachverhalten, die uns Panik machen könnten: unberechenbare Autokraten und Milliardäre, die offensichtlich die Bodenhaftung verloren haben, verbaler und echter Kanonendonner an so vielen Orten dieser Welt, die Sorgen um unsere Demokratie und all das neben den ganz persönlichen größeren und kleineren Baustellen.
Doch was bringt es uns, wenn wir in Panik verfallen? Auf jeden Fall bringt es keine Verbesserung der Situation – ganz im Gegenteil. Luft holen! Mal schauen, bei was ich überhaupt eine Chance habe, die Dinge positiv zu verändern. Luft holen! Sich vor Augen führen, dass wir hinnehmen müssen und auch dürfen, dass vieles allein in Gottes Hand liegt. Luft holen! Und sich vergewissern, was uns zugesagt ist: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen!
Luft holen! Sieben Woche ohne Panik. Und wenn wir uns an dieses Gefühl gewöhnt haben, können wir nach Ostern damit ja einfach weitermachen. Amen.

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  Aschermittwoch

Aschermittwoch

Heiko Frubrich, Prädikant - 05.03.2025

„Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte.“ Dieser Satz stammt aus dem für den heutigen Aschermittwoch vorgesehenen Predigttext aus dem Buch des Propheten Joel. Zerreißt eure Herzen, das klingt ziemlich martialisch. Doch es beschreibt sehr gut, wie ich finde, worum es gehen soll in den kommenden Wochen bis Ostern. Wir starten heute in die Passionszeit, die eine Buß- und Fastenzeit ist. Sich die Herzen zu zerreißen bedeutet nun nicht, sich selbst für irgendetwas zu bestrafen. Es bedeutet vielmehr gründlich aufzuräumen und unser Denken, Reden und Tun zu hinterfragen – bis in die letzte Ecke.
Es geht nicht darum, sich mit Äußerlichkeiten abzugeben, das, was wir sichtbar an uns haben, zu prüfen. Die Kleider, von denen Joel spricht, kann man wechseln. Der Mensch, der drinsteckt, bleibt derselbe. Und sich diese Kleider, wenn es geht, noch auf offener Bühne zu zerreißen, damit auch ja alle sehen, wie ernst wir die Passionszeit nehmen und wie fromm wir doch sind, das geht meilenweit an dem vorbei, worauf es tatsächlich ankommt.
Überwiegend in katholischen Gemeinden bekommen Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesucher heute ein Aschekreuz aufgelegt. Die Asche symbolisiert unsere eigene Vergänglichkeit und dass wir hier auf dieser Welt Erde, Asche und Staub waren und auch wieder dazu werden. Das soll uns nicht Angst machen, uns nicht bedrohen oder in Panik versetzen. Doch es soll uns aber daran erinnern, dass es besser ist, heute mit dem Aufräumen im eigenen Leben zu beginnen, als es auf morgen zu verschieben. Denn niemand von uns weiß, wie viel Zeit uns dafür noch bleibt.
Dieses Aufräumen hat oft etwas mit Vergebung zu tun. Sind da schwelende Konflikte in meinem Leben. Hätte ich die Chance, Frieden zu schließen mit jemandem, mit dem oder mit der ich mich verkracht habe? Tut es not, mir selbst zu verzeihen, wenn ich Fehler gemacht habe, die mich ärgern, wenn ich nicht so bin, wie ich es mir oder vielleicht auch andere sich es wünschen? Und wofür sollte ich Gott um Vergebung bitten, damit ich wieder reinen Herzens sein kann?
Vater vergib, so lautet die Bitte die wir gleich zusammen im Friedensgebet der Nagelkreuzgemeinschaft miteinander beten werden. Dass Gott uns vergeben wird, darauf dürfen wir vertrauen. Denn er hat uns in Tod und Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus gezeigt, wie groß seine Liebe zu uns ist. Also: „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte.“ Amen.

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  Keksdosentrick

Keksdosentrick

Henning Böger, Pfarrer - 04.03.2025

Kennen Sie schon den Keksdosentrick? Der Psychologe Pablos Hagemeyer erklärt ihn so: Menschen, die an sich und ihrer Leistung zweifeln, rate er gerne, sich im Geiste eine Dose zu zulegen, in die sie hineinlegen, was ihnen gut gelungen ist.
Das kann ganz Verschiedenes sein: eine Freundschaft, das Lob einer Kollegin, der Dank von Verwandten oder Fremden, eine gute Tat, ein Moment des Glücks, ein wunderbarer Film. Aus jedem Moment, in dem uns etwas gut gelungen ist, können wir im Geiste einen Keks machen und legen ihn in unserer Vorstellung in eine Dose, wo wir sie sicher verwahren.
Wenn dann Augenblicke kommen, in denen wir an uns zweifeln oder fürchten, etwas nicht zu schaffen, können wir im Geiste an unsere Keksdose gehen und eine der guten Erinnerungen betrachten, kosten und uns an das gute Gefühl erinnern, das wir damals hatten, als wir diesen gelungenen Augenblick in die Dose gelegt haben.
Ja, sagt der Psychologe Hagemeyer, der Keksdosentrick sei eine Art Selbsthypnose zum Guten und Wertvollen hin. Das sei nötig und wichtig, weil niemand von uns vor Selbst-zweifeln verschont bleibe. Da tue es gut, ein Vorrat an Gutem zu haben, an das wir uns erinnern können: wie wir eine schwierige Situation bewältigt haben, wie ein Freund uns beistand, wie die Familie zusammenhielt, wie ein Lied uns tröstete oder ein Bibelvers.
Leider ticken wir Menschen ja oft anders und vergessen viel Gutes zu schnell. Darum der Rat des Psyvhologen: Behaltet euch das Gute und Gelingende. Dann ist es verfügbar in sorgenvollen Momenten. Denn dieses Gute kann auch ein zweites Mal gut sein. Zum Beispiel weil mir einfällt, wie überlegt ich damals gehandelt habe, als die Sorgen groß wurden.
„… behaltet das Gute", rät der zweite Teil der biblischen Jahreslosung aus den Briefen des Apostels Paulus. Weil es gerade dort, wo wir der Bitternis im Leben nicht entkommen, wesentlich von uns selbst abhängt, wie wir auf dieses Leben sehen:
Wieviel Gewicht jene Momente unter uns haben, in denen wir einander auch das Andere, das Gute zum Leben und Glauben spüren lassen. Gut, wenn unsere Keksdosen dann reich gefüllt sind mit gut Gelungenem zum Teilen mit anderen.

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  Sortieren

Sortieren

Heiko Frubrich, Prädikant - 03.03.2025

Sortieren ist angesagt, zumindest bei mir. Einsortieren, umsortieren, wegsortieren, nicht die Papierstapel auf dem heimischen Schreibtisch. Das wäre vergleichsweise einfach. Ich denke vielmehr an das, was in dieser Welt so vor sich geht, gerade in den letzten Tagen. Da beklagt sich ein Präsident im Weißen Haus über mangelnde Dankbarkeit, macht bei dieser Gelegenheit die Opfer zu Tätern und stellt gleichzeitig denen, die ihn für einen Freund und Partner hielten, den Stuhl vor die Tür. Und dann treffen sich andere Staatenlenker am Wochenende in London und demonstrieren ihre Solidarität, zeigen Einigkeit und respektvollen Umgang miteinander, was ja durch aus Hoffnung macht. Doch dann sagen sie, dass es für alle teuer werden wird, dass wir viel mehr Waffen kaufen und produzieren müssen, auch nukleare.
Sortieren ist angesagt, aber für so manches fehlt mir der richtige Ordner. Ich habe keinen für ein von einem Autokraten regiertes Amerika. Ich habe keinen für Rüstungsausgaben in einer Größenordnung, die ich mir als Zahl kaum mehr vorstellen kann. Und ich habe auch keinen für die Reden von einem drohenden Krieg.
Worte aus dem 31. Psalm, der über dieser Woche steht: „Herr, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit! Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen. Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, dass du mein Elend ansiehst und kennst die Not meiner Seele; du stellst meine Füße auf weiten Raum.“
Uralte Worte und doch so wohltuend und ich bin dankbar, dass ich sie glauben darf, bin dankbar, dass auch ich fröhlich sein darf über Gottes Güte – und Sie und Ihr natürlich auch. Wir alle stehen auf weitem Raum, müssen uns nicht einengen lassen von Entwicklungen, auf die wir kaum Einfluss haben. Wir können diesen weiten Raum nutzen, indem wir uns gegenseitig ermuntern, nicht zu resignieren, indem wir auch übermorgen wieder mit Kerze und Tee vor dem Dom stehen und miteinander reden – radikal freundlich. Und wir dürfen diesen weiten Raum nutzen, um durch- und aufzuatmen in der Gewissheit, dass Gott auch unser Fels und unsere Burg ist.
Manchmal brauche ich eine solche grundlegende Vergewisserung. Das hilft mir beim Sortieren und es tut mir einfach gut – und Ihnen und Euch vielleicht ja auch. Amen.

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Sonntag – 10.00 Uhr
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In der Zeit von Anfang Januar bis Mitte März finden keine öffentlichen Führungen statt!