Das Wort zum Alltag

Seit dem 1. Dezember 1968 gibt es von Montag bis Freitag um 17.00 Uhr und Samstag um 12.00 Uhr eine kurze Andacht mit Gebet, die von Orgelmusik gerahmt wird.
Wir möchten Menschen damit ermöglichen für ihre eigene Praxis pietatis eine regelmäßige Form zu finden. Zugleich birgt das Format die Möglichkeit auf die jeweils aktuellen Ereignisse in unserer Stadt und unserer Welt zu reagieren.

Während des Advents und der Friedensdekade hat das Wort zum Alltag einen besonderen Akzent. Das Wort zum Alltag wird in der Regel von der Dompredigerin, sowie von anderen Braunschweiger Pfarrerinnen und Pfarrern und Prädikanten gehalten. Die umrahmende Orgelmusik übernehmen die Kantoren des Braunschweiger Doms.

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Worte zum Alltag

  Anti-Diät-Tag

Anti-Diät-Tag

Heiko Frubrich, Prädikant - 07.05.2024

Es gibt so Tage, an denen macht es besonders große Freude, den Abendsegen zu feiern. Heute ist für mich so ein Tag und Sie werden gleich verstehen, warum das so ist, denn heute ist Internationaler Anti-Diät-Tag. Er wurde 1992 von der britischen Autorin Mary Evans Young initiiert. Sie war, geleitet von falschen Schönheitsidealen in eine Magersuchterkrankung geraten, die sie Anfang der 90er Jahre erfolgreich überwinden konnte. Seit dem setzte sie sich öffentlichkeitswirksam gegen übertriebenen Schlankheitswahn, gegen die Diskriminierung von Übergewichtigen und Fettsüchtigen und für die Würdigung der Vielfalt von natürlichen Größen- und Gewichtsunterschieden ein.
Natürlich ist es anzuraten, auf die eigene Gesundheit zu achten und ja, es ist nicht gut, dauerhaft erheblich zu viele Kilos mit sich herumzuschleppen. Aber das zwanghafte Hungern, um von den Medien suggerierte Idealmaße und –Werte zu erreichen, ist ganz sicher auch nicht gesundheitsfördernd. Das Abgleiten in die Magersucht steht oft auch im Zusammenhang mit einem gestörten Selbstwertgefühl. Menschen fühlen sich minderwertig, weil sie nicht über das verfügen, was in der sogenannten öffentlichen Meinung eine gute und schlanke Figur ist.
Der Weg heraus aus dieser besonderen Art der Suchterkrankung ist lang und schwierig und er gelingt auch nur dann, wenn es den Betroffenen gelingt, sich selbst so anzunehmen, wie sie sind. Jesus vertritt in diesem Zusammenhang übrigens eine sehr klare Position. Er sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Entscheidend ist der zweite Satzteil: wie dich selbst. Wir sollen uns selbst lieben. Nicht: wir dürfen, wenn gerade mal nichts Anderes zu tun haben, nein, wie sollen und selbst lieben!
Nur, wenn wir akzeptieren, wie wir sind, wenn wir mit uns ins Reine kommen, nur dann haben wir Kraft genug, um auch auf andere zuzugehen, für sie da zu sein und ihnen zu helfen. Dabei können wir uns von Gott getrost etwas abgucken, denn er hat uns, seit dem es uns gibt, so angenommen, wie wir sind. Jede und jeder von uns ist einer seiner guten Gedanken, gewollt und geliebt mit all unseren Stärken und Schwächen, unseren Ecken und Kanten, unseren Erfolgen und unseren Niederlagen. Gott sieht den Menschen in uns und nur den Menschen.
Das dürfen wir uns gerne immer wieder ins Gedächtnis rufen. Und ob wir nun ein paar Kilos zu viel auf die Waage bringen, ist dem Herrn dabei ganz sicher vollkommen wurscht. Amen.

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  Es reicht!

Es reicht!

Heiko Frubrich, Prädikant - 06.05.2024

Gestern war ein Bericht aus dem Alten Testament Predigttext in unseren Kirchen. Dabei ging es um Gottes Reaktion auf das Goldene Kalb, dass sich die aus der Sklaverei befreiten Israeliten als ihren neuen Gott geschaffen hatten. Gott ist, um es vorsichtig auszudrücken, stinksauer und kann nur mit Mühe davon abgehalten werden, sein Volk auszulöschen.
Szenenwechsel. Als Jesus nach seinem Einzug in Jerusalem in den Tempel geht, findet er in der Vorhalle Händler, die Opfertiere verkaufen, Geldwechsler und weiteren Trubel. Jesus reagiert darauf unerwartet und ungewohnt ruppig und schmeißt die Händler und Geldwechsel hochkant aus dem Tempel. „Dieses Haus soll ein Bethaus sein, doch ihr habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“, so lautet seine klare Ansage.
Szenenwechsel: In Dresden wird der Europaabgeordnete Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten krankenhausreif geprügelt. In Essen wird der 3. Bürgermeister der Stadt Rolf Fliß auf dem Heimweg angepöbelt und geschlagen. Der Bürgermeister der Gemeinde Markt Schwaben Michael Stolze tritt zurück, weil er und seine Familie im Zusammenhang mit dem Bau einer Unterkunft für Geflüchtete beschimpft, beleidigt und bedroht werden.
Ich finde, es ist spätestens jetzt an der Zeit, dass wir uns am Herrn und an Jesus Christus ein Beispiel nehmen. Ich finde, es ist spätestens jetzt an der Zeit, dass auch uns der Draht aus der Mütze fliegt und wir laut und deutlich sagen: Es reicht! Ich finde, es ist spätestens jetzt an der Zeit, mahnend darauf hinzuweisen, welche Entwicklung sich in unserem Land nicht mehr nur andeutet, sondern bereits in vollem Gange ist!
Unsere Demokratie ermöglicht es uns allen, die Freiheit eines Christenmenschen wirksam und angstfrei auszuleben. Das ist ein hohes Gut. Doch es gibt Kräfte, denen diese Freiheit nicht passt. Und so kooperieren und kollaborieren sie mit jenen, deren Ziel es ist, unser demokratisches System zu schwächen und zu untergraben.
Und sie arbeiten dabei nicht nur gegen die Demokratie, sondern auch gegen die Werte, die damit in Zusammenhang stehen: uneingeschränkte Menschenwürde für jede und jeden, Vielfalt, Freiheit und ein faires und offenes Miteinander – alles im Übrigen auch christliche Werte.
Und ja, es gibt Baustellen und manches läuft sicher nicht optimal in unserem Land und in Europa ebenfalls nicht. Doch Extremismus und Radikalismus, egal aus welcher Ecke er auch kommen mag, ist ganz sicher die falsche Antwort. Und deshalb ist es wichtig, dass wir als Christinnen und Christen zeigen, dass das mit uns nicht zu machen ist – auf der nächsten Pro-Demokratie-Demo, an der Wahlurne, auf jeden Fall aber mit Gottes Hilfe und in Jesu Namen. Amen.

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  Pressefreiheit

Pressefreiheit

Heiko Frubrich, Prädikant - 03.05.2024

Heute ist der Tag der Pressefreiheit. 1994 hat die UNESCO den 3. Mai als diesen Tag ausgerufen und Organisationen wie „Reporter ohne Grenzen“ sammeln und publizieren Daten über Behinderungen der journalistischen Arbeit. Derlei Einschränkungen sind vielfältig und gehen von staatlicher Zensur über Einschüchterungsversuche bis hin zu physischer Gewalt und der Gefahr für Leib und Leben.
Für Deutschland gibt es Gutes zu vermelden, denn unser Land ist seit über 20 Jahren endlich wieder unter den Top 10. Die Gründe dafür relativieren die Freude ein wenig, denn sie sind auch darin zu finden, dass sich die Situation in anderen Ländern deutlich verschlechtert hat. Doch es gibt auch erfreuliche Tendenzen bei uns. So ist die Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Presseschaffende auf 41 berichtete Fälle zurückgegangen. In 2022 waren es noch über 100.
Wo es richtig finster aussieht, können Sie sich wahrscheinlich denken. Da finden
wir Syrien, Nordkorea, Russland, den Iran, China und weitere Länder, in denen es nicht nur mit der Pressefreiheit, sondern mit dem Schutz der Menschenrechte insgesamt nicht zum Besten bestellt ist.
Presse- und Meinungsfreiheit sind Eckpfeiler von demokratischen Systemen. In unserem Land sind sie im Grundgesetz verankert und garantiert. Darauf können wir stolz sein und wir werden das in diesem Jahr gebührend feiern. Denn unser Grundgesetz wird am 23. Mai 75 Jahre alt. Auch wir vom Dom beteiligen uns an diesem Jubiläum und das nicht nur, weil in der Präambel unserer Verfassung unsere Verantwortung vor Gott erwähnt wird.
Sie können das Grundgesetz neben die Evangelien legen und werden erstaunliche Übereinstimmungen feststellen. Die Würde des Menschen steht in unserer Verfassung ganz weit oben – bei Jesus auch. Unser Grundgesetz sichert uns fundamentale Freiheitsrechte zu – Jesus auch. Außerdem lässt uns unsere Verfassung frei entscheiden, ob und an was wir glauben – Jesus auch.
Aus diesem Gesamtkontext ist die Pressefreiheit, also ein freier Journalismus, der ungehindert berichten kann, worüber er berichten möchte, der ungehindert aufdecken kann, was wichtig ist, der ungehindert kritisieren kann, was er für kritikwürdig hält, nicht wegzudenken.
Und ja, Offenheit und Klarheit ist auch im kirchlichen Sektor ein Thema, bei dem es in manchen Bereichen noch Luft nach oben gibt. Viel zu oft und viel zu lange wurden gerade im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen Informationen vertuscht und verheimlicht. Und auch hier ist es einem wachen und engagierten Journalismus zu verdanken, dass sich diese Zeiten ihrem Ende zuneigen. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit, schreibt Paulus. Das ist Entlastung und Verpflichtung gleichermaßen. Amen.

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  Weltüberlastungstag

Weltüberlastungstag

Heiko Frubrich, Prädikant - 02.05.2024

Gestern haben viele Menschen in unserem Land den 1. Mai gefeiert – mit teilweise sehr unterschiedlichen Vorzeichen und Zielsetzungen, erfreulicherweise aber weitgehend friedlich. Und heute ist dann gleich der nächste bemerkenswerte Tag, der allerdings deutlich weniger zu ausgelassenem Feiern einlädt: Heute ist der deutsche Weltüberlastungstag.
Das bedeutet, dass wir von Jahresbeginn bis heute bezogen auf unser Land die uns zuzurechnenden Ressourcen der Erde verbraucht haben und den Rest des Jahres sozusagen von der Substanz leben, oder anders formuliert: auf Pump. Unser Lebensstil erfordert streng genommen drei Erden, aber wir haben nur diese eine.
Global betrachtet liegt der Weltüberlastungstag in diesem Jahr Anfang August. Ein ausgeglichenes Ergebnis gab es letztmalig 1970. Da reichte das, was die Erde hervorbringen kann zum letzten Mal aus, um den Ressourcenverbrauch zu decken.
Am vergangenen Sonntag war eine Passage aus der Offenbarung des Johannes Predigttext in unseren Kirchen. Da ging es zum einen um den Chor der Siegerinnen und Sieger, die angekommen in Gottes Herrlichkeit ein großes Loblied anstimmen. Zum anderen wurde uns aber auch von sieben Schalen berichtet, die, von Engeln getragen, Gottes letzten Zorn enthielten.
Der Inhalt einer Schale machte, dass alles Leben in den Meeren dieser Welt starb. Die weiteren trockneten Flüsse aus, brachten Gluthitze über die Erde, ließen die Menschen sich von Gott abwenden und in bösen Taten ergehen und so weiter und so fort.
Könnte man nicht den Eindruck gewinnen, dass wir etwas aus diesen Schalen verschüttet haben? Sind wir nicht auf dem besten Weg, das Leben in den Meeren auszurotten, Gluthitze über Erde zu bringen und böse Taten zu begehen – noch und nöcher? Mich erinnert vieles von dem, was gerade auf dieser Welt passiert, an die Schilderungen aus dem letzten Buch der Bibel. Aber es ist Vorsicht geboten. Denn wir sind schnell dabei, zu verdrängen, wer wofür verantwortlich ist.
Keinen der Kriege, die momentan auf der Welt toben, hat Gott angefangen. Es waren und sind immer Menschen. Nicht Gott ist verantwortlich für die Überfischung und Verschmutzung der Weltmeere, nicht er trägt die Verantwortung für den Klimawandel und die damit einhergehende Versteppung einstmals fruchtbaren Bodens. Und Gott hat nicht entschieden, unbegreifbar hohe Geldsummen für todbringende Waffen auszugehen, anstatt damit den Hunger in dieser Welt zu bekämpfen und unser Tun und Lassen ökologischer zu gestalten.
Wir tragen Verantwortung für diese Welt, die Gott uns anvertraut hat. Und wir, die wir hier in Deutschland in vielerlei Hinsicht Loge sitzen, tragen Verantwortung für die Menschen, denen es schlechter geht als uns. Das Pauluswort „Einer trage des anderen Last“ beschreibt eine globale Aufgabe und meint nicht nur freundliche Nachbarschaftshilfe.
Der Weltüberlastungstag führt uns vor Augen, dass wir deutlich zu Lasten anderer leben. Diese anderen sind Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, genauso wie kommende Generationen. Und so ist Umkehr eben nicht nur ein religiöses Thema, woran uns der heutige Tag freundlich erinnert. Amen.

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  Ungefährliche Ritter

Ungefährliche Ritter

Cornelia Götz, Dompredigerin - 29.04.2024

Am 23. April 303, einem Freitag, wurde Georg, der Drachentöter, der spätere Heilige, im Alter von etwa 22 Jahren, enthauptet.
Man weiß nur wenig über ihn – aber das, was man weiß, ist schon im vierten Jahrhundert bezeugt worden. Danach wurde er in eine adlige christliche Familie geboren. Sein Vater stand im Dienst der Römer in Kappadokien. Seine Mutter stammte aus der Provinz Syrien-Palästina. Die Eltern ließen das Kind sofort nach der seiner Geburt wegen seines kritischen Gesundheitszustandes taufen.
Georg war zehn Jahre alt, als sein Vater auf dem Schlachtfeld starb. Der Sohn stieg in seine Fußstapfen, wurde römischer Offizier, Ritter und Oberhaupt der Privatgarde des Kaisers Diokletian. Später beförderte ihn der Kaiser zum Präfekten.
Doch der Name seines Brotgebers steht für die Christenverfolgung. Im Februar 303 ordnete eben dieser Kaiser per Edikt die Zerstörung christlicher Kirchen und die Verfolgung des Klerus, insbesondere der Bischöfe, an. Die Hauptkirche von Nikomedia wurde zerstört, liturgische Bücher verbrannt und Christen die staatsbürgerlichen Rechte und Privilegien entzogen.
Georg versuchte erfolglos, den Kaiser zu beschwichtigen.
Um nicht an dieser Sache schuldig zu werden, zog er sich aus dem Militärdienst zurück, gab sein Schwert ab, verteilte sein Vermögen an die Armen und engagierte sich für die verfolgten Christen Nikomedia – sehr zum Zorn des Kaisers, der ihn zu Loyalität zwingen wollte.
Georgs Weigerung zog Verhaftung und Folter nach sich, schließlich wurde er zum Tode verurteilt.
Zum Drachentöter wurde Georg, als er im Laufe der Zeit den Anführer einer persischen Räuberbande, den „Drachen“, schlug und sich infolgedessen eine ganze Region dem Christentum anschloss.
Eine blutige Geschichte, die auf allen Seiten Menschenleben fordert, Grausamkeit und Gewalt in Szene setzt und dabei noch immer Material für große Spektakel liefert.
Letzteres erlebten mein Mann und ich in Carceres in der spanischen Estremadura - mit Ritterschlacht und feuerspuckenden Drachen, Christen und Mauren in bunten Kostümen, Getöse, Getümmel und Feuerwerk.
Alles begann mit einem riesigen Festumzug, an dem sich alle Kindergärten und Schulen trotz des späten Abends – es brauchte ja Dunkelheit für die Drachen! – beteiligten.
Und da fanden sich tief einprägsame Bilder.
Nicht nur zogen selbstverständlich auch Kinder und Erwachsene mit Handicaps im Umzug mit, vor allem schoben Ritter in stolzen Rüstungen mit Kettenhemd und Helm friedlich ihre als Dracheneier umgebauten Buggys mit den Jüngsten, die selbstverständlich auch verkleidet waren.
Schwerter zu Pflugscharen ist ein großes Bild.
Es verkörpert eine tiefe Sehnsucht.
Und ist schon längst gewesen, wenn hochgerüstete Kämpfer beide Hände brauchen, um Kinderwagen zu schieben.

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  Essen

Essen

Cornelia Götz, Dompredigerin - 27.04.2024

In einer der andalusischen Kathedralen habe ich ein ungewohntes Abendmahlsbild gesehen: es zeigte eher ein römisches Gelage als eine konzentrierte Tischgemeinschaft und waren nicht nur Männer sondern auch Frauen dabei. Die ganze Szene gab dem gemeinsamen Essen seine sinnliche physische Dimension zurück, die angesichts trockener Oblaten und eines Hauchs von Wein manchmal verloren gehen kann.
Es war eine für uns selbstverständliche Situation, gedeckte Tische und mehr als genug von allem. Und hätte man etwas hören können, dann wäre es vermutlich laut und lebhaft zugegangen wie an jedem Tisch, an dem Menschen sich angeregt unterhalten.
Es dreht sich alles ums Essen – aber auf eine gute Weise.
Die geht uns hier manchmal verloren.
Essen, was man isst oder vor allem eben auch, was man nicht isst, hat unter uns nicht selten politische Dimension und bekommt manchmal parareligiöse Züge. Unzählig viel zu viele Menschen haben keinen normalen Umgang mit Hunger und Sättigung.
Andere kennen gemeinschaftliches Essen nicht.
Vor sechs Wochen hat ein Bürgerrat seine Empfehlungen zu Ernährungsfragen dem Bundestag vorgestellt. Fünf Monate lang hatten 160 ausgeloste Teilnehmer in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Ernährungsexperten und Fachpolitikern über eine Verbesserung der Ernährungspolitik beraten und wie es scheint, sich im Zuhören und Ringen um Mehrheiten geübt.
Am Ende votierten alle für ein kostenfreies und gesundes Mittagessen für alle Kinder und ein verpflichtendes staatliches Label, das das bewusste Einkaufen gesunder Lebensmittel erleichtern soll. Außerdem sollen große Supermärkte noch genießbare Lebensmittel an Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen weitergeben müssen.
Man ahnt den Geist dieser Beschlüsse.
Alle sollen satt werden und niemand durch schlechtes Essen und falsche Ernährungsgewohnheiten krank. Nichts soll umkommen. Nahrung ist kostbar.
Das festzuhalten ist nötig und dringend – und auch die Handschrift von Menschen, die nicht hungern müssen.
Teilhabe und Gemeinschaft, Dank für Gottes gute Gaben, Wegzehrung.
Es gäbe viele Brückenwörter zum Abendmahl.
An seinem letzten Lebensabend stiftete Jesus Christus dieses Zeichen: Menschen sollen gemeinsam essen und trinken, sich ihrer Menschlichkeit und damit tagtäglicher Bedürftigkeit erinnern und zugleich vergewissern, dass wir zu Gott gehören, nicht nur mit der Seele - auch mit dem Leib.
Das befreit uns zur Freiheit.
Nicht jede und jeden für sich, sondern eine für den anderen, alle in einem.

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  Ohne Bilder

Ohne Bilder

Cornelia Götz, Dompredigerin - 26.04.2024

In den zehn Geboten legt Gott uns Menschen ein Bilderverbot und die Heiligung seines Namens ans Herz.
Schon in der Christenlehre mahnte uns unser Katechet, der es nur mit seinen Verlourpapierfiguren und erzählerischer Gabe jahraus jahrein verstand, nicht nur mich zu fesseln, Gottes Name nicht einfach so im Mund zu führen. „O Gott!“ oder gar „Ach Gottchen!“ waren ihm als Alltagsausrufe ein Graus.
Und auch das Bilderverbot ordnete er zunächst so ein: Was bilden wir uns ein (im wahrsten Sinne des Wortes), wenn wir meinen mit unserem begrenzten Horizont und handwerklichen Möglichkeiten, Gott darstellen zu können?
Erst später – als wir bei der Reformation und Lukas Cranach angekommen waren – weitete er sanft: Dass Menschen ihre ganze Kunst und Kreativität auf Gott konzentrieren, um ihm zur Ehre Bilder zu schaffen, die von seiner Herrlichkeit und Geschichte mit uns erzählen, habe zu wunderbarer anrührender Kunst geführt und hilft dem mageren und nüchternen Geist zu glauben. Zudem konnten und können ja nicht alle Menschen lesen. So dienen Bilder auch der Unterweisung.
Und zuletzt lehrte ja Jesus, dass es all diese Gesetze nicht wegen der Gesetze sondern wegen unserer Herzenshärtigkeit gibt.
Daran lässt sich weidlich knaupeln.
Ein ganz anderer Aspekt des Bilderverbotes ist mir in den letzten Tagen in Andalusien aufgegangen. In der wahrlich unbeschreiblich schönen Alhambra in Granada und der schier endlosen Mesquita in Cordoba haben die maurischen muslimischen Künstler vollendete Schönheit geschaffen ganz ohne Menschenbilder – mit Blumen und Wasser, geometrischen Mustern. Es sind filigrane Wunder. Manches scheint sich endlos zu wiederholen – Schönheit in Ewigkeit.
In die Mesquita in Cordoba haben später die Christen eine Kathedrale hineingebrochen. Auch sie – trotz dieses Gewaltaktes - von großer Kunstfertigkeit. Aber sie strotzt von Wappen und Darstellungen der Bischöfe, die bestenfalls ihrer Gottgefälligkeit wegen oder um Macht und Reichtum zu symbolisieren mit ihren Porträts die Wände zieren. Das macht nachdenklich.
Sollte das Bilderbverbot auch verhindern, dass wir Menschen uns überheben, uns und nicht Gott die Ehre geben? Klug wäre das.
Und Glaubenshilfe auch.

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  Markustag

Markustag

Heiko Frubrich, Prädikant - 25.04.2024

Sein Symbol ist der Löwe und allein das ist schon Grund genug, heute über ihn zu sprechen. Denn unser Dom wurde sozusagen von einem Löwen gestiftet, ein weiterer steht vor der Tür und Kenner wissen, dass ein Löwe auch in unserer neuen Orgel sein zu Hause gefunden hat. Doch es geht weder um diese Löwen noch um Heinrich und auch nicht um den auf dem Burgplatz. Heute der Tag des Evangelisten Markus. Er ist der Verfasser des nach ihm benannten Evangeliums, das das älteste der viel Evangelien ist.
Über Markus selbst wissen wir wenig Verlässliches. Er soll Paulus auf einer seiner Missionsreisen begleitet haben, von der er aber vorzeitig zurückkehrte. Die Entstehungszeit seines Evangeliums wird um 70 n. Chr. datiert. Wo Markus das Evangelium verfasst hat, ist umstritten. Möglicherweise war er dabei in Rom, doch auch der Nahe Osten oder die heutige Türkei kommen in Betracht.
Markus soll in Alexandria, wo er das Bischofsamt innehatte, den Märtyrertod gestorben sein. Seine sterblichen Überreste haben bis heute eine ziemliche Odyssee hinter sich. Zunächst in Alexandria begraben wurden sie im Januar 828 von venezianischen Kaufleuten gestohlen und nach Venedig gebracht und dort im Markusdom beigesetzt. Ein Teil der Reliquien wurde von Venedig aus auf die Bodenseeinsel Reichenau transportiert, wo sie heute noch sein sollen. Und von den in Venedig verbliebenen Resten wurde 1968 ein weiterer Teil zurück nach Alexandria gegeben und seitdem in der päpstlichen Markuskathedrale in Alexandria verwahrt. Berühmtheit kann auch anstrengend sein.
Doch wie auch immer: Wir verdanken Markus Berichte aus Jesu Wirkungszeit. Wir finden Gotteswort im Menschenwort und können uns damit immer wieder vergegenwärtigen, was frohe Botschaft heißt und wichtiger noch: welche Relevanz sie in unserem Leben im Hier und Jetzt hat.
Ich stelle dabei immer wieder fest, wie unterschiedlich ich die Worte der Bibel höre, je nach dem, was gerade obenauf liegt in meinem eigenen Leben. Und es überrascht mich oft genug, welche Aktualität aus diesen Worten strahlt, obwohl sie mehrere Tausend Jahre alt sind.
Vielleicht oder wahrscheinlich ist das eine Facette des Heiligen, das die Evangelien und auch die anderen Bücher der Bibel in sich tragen, das Aufleuchten des Heiligen Geistes, der uns zu erkennen und zu verstehen hilft.
So gesehen war der Evangelist Markus eines seiner Werkzeuge. Wie gut, dass Gott uns sein Wort auch durch ihn hat übermitteln lassen. Ein Griff ins Regal genügt und es steht uns zur Verfügung. Gott sei Dank! Amen.

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  Fürchte dich nicht

Fürchte dich nicht

Heiko Frubrich, Prädikant - 24.04.2024

Ich war heute Morgen beim Zahnarzt und jedes Mal, wenn ich im Wartezimmer sitze, erinnere ich mich daran, dass ich als Kind ziemliches Muffensausen hatte, wenn ich mal wieder zum Zahnarzt musste. Mittlerweile ist das nicht mehr so, aber die Erinnerung ist geblieben. Meine Mutter, die mich damals oft begleitete, sagte mir immer, dass ich keine Angst haben müsse. Doch wirklich getröstet hat mich das nicht, denn sie wusste ja genauso wenig wie ich, welche Grausamkeiten mich auf dem Zahnarztstuhl erwarten würden.
Es ist nicht ganz leicht, Menschen echten Trost und Zuspruch zu spenden. Und manchmal machen aus Verlegenheit heraus gesprochene Sätze wie: „Du musst keine Angst haben“ oder „Das wird schon nicht so schlimm werden“, die Situation eher schlechter als besser.
Über dem heutigen Tag heißt es: „Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zuschanden werden.“ Gott spricht diese Worte durch den Propheten Jesaja. Ist das noch so ein Trostwort, auf das man auch gut verzichten könnte? Nein, dass ist es nicht. Denn der es sagt, weiß, was auf uns zukommt. Der es sagt, weiß, wie es in uns aussieht. Er kennt unsere Sorgen und unsere Ängste und in die hinein spricht er uns zu: Fürchte dich nicht.
Über 70-mal wird uns in der Bibel „Fürchte dich nicht!“, gesagt. Ich finde, dass in diesen Worten erlebbar Gottes Liebe zu uns mitschwingt. Gott würde uns niemals belügen. Was er zu uns sagt, dürfen wir für bare Münze nehmen. Wenn er uns die Angst nehmen will, dürfen wir uns fallen lassen in die Gewissheit, dass er für uns sorgen will und wird.
Ja, aber warum nimmt er dann nicht einfach alles Leid in diesem Augenblick von uns und von denen, die unter Hunger leiden, die Todesangst haben in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt? Warum tut er das nicht? Ich kann diese Frage nicht beantworten. Doch ich weiß, dass wir Ostern im Rücken haben und sehen durften, wie Gott seinen eigenen Sohn durch dessen Leid hindurchgetragen hat.
Und am Ende des Leids stand ein neues Leben – unvergänglich, ewig und in Gottes Herrlichkeit. Dies ist auch unser aller Ziel. Der Weg dorthin ist manchmal ziemlich steinig. Doch bei allen Unwägbarkeiten, die bis dahin auf uns warten, haben wir Gott an unserer Seite. Und er sagt uns: Fürchte dich nicht, denn du sollst nicht zuschanden werden. Amen.

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  Den Glauben wachsen lassen

Den Glauben wachsen lassen

Heiko Frubrich, Prädikant - 23.04.2024

Hier bei uns am Dom standen unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden an den vergangenen Wochenenden im Mittelpunkt. Vor zehn Tagen haben wir Konfirmation gefeiert und vorgestern wurde der neue Konfirmandenjahrgang vorgestellt. Es ist schön, zu sehen, wenn sich junge Menschen auf den Weg machen, um sich mir ihrem Glauben auseinanderzusetzen und das, was ihre Eltern und Paten in der Taufe für sie ausgesprochen haben, selbst bestätigen wollen. Ich bin immer wieder dankbar, wenn ich an den ganz persönlichen Glaubenserfahrungen unserer Konfis teilhaben darf. Ich habe in den vergangenen Jahren viel von ihnen gelernt.
Doch wie ist das denn so ganz grundsätzlich mit dem Thema Glauben? Kann man ihn im Konfirmandenunterricht erlernen oder verhält es sich irgendwie anders damit? Über dem heutigen Tag heißt es aus dem Markusevangelium: „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht.“ Und ich meine, dass es sich mit unserem Glauben ähnlich verhält.
Wir müssen säen, was für mich bedeutet, offen und empfänglich zu sein für Gottes Botschaft und für seine Zeichen in unserem Leben. Gott drängt sich nicht auf und wird uns nicht gegen unseren Willen zum Glauben zwingen. Den Samen aufs Land werfen müssen wir schon selbst. Aber dann sind wir auch schon durch mit unserem Part. Alles andere liegt in Gottes Hand. Er schenkt Glauben, er sorgt dafür, dass die Saat aufgeht und wächst.
Das können wir nicht erzwingen. Geduld ist gefragt – auch in Glaubenssachen. Und so wenig das Gras schneller wächst, wenn wir an den Halmen ziehen, so wenig Erfolg werden wir haben, wenn wir mit der Brechstange zu glauben versuchen. Doch ich finde diesen Umstand eher entlastend als frustrierend. Denn wir dürfen uns tatsächlich schlafen legen, und es kommt Tag und Nacht und was derweil in Gottes Werkstatt passiert: Wir wissen es nicht.
Doch wir dürfen uns überraschen lassen in der Gewissheit, dass es Gott gutmachen wird, auch mit uns. Amen.

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  Neues kann werden-jeden Tag

Neues kann werden-jeden Tag

Heiko Frubrich, Prädikant - 22.04.2024

Wenn das Profil an einem Autoreifen ziemlich ist, kann man den Reifen runderneuern. Wenn die Farbe an der Hausfassade bröckelt, hilft der Maler und wenn die Suppe angebrannt ist, muss man den Topfboden kräftig schruppen, dann ist er wieder wie neu. Bei uns Menschen ist das nicht so einfach. Klar, vieles lässt sich auch an uns reparieren mit Pflaster, Zahnprothese oder neuer Hüfte. Doch trotzdem bleiben wir im wahrsten Sinne des Wortes die Alten, denn solche medizinischen Hilfsmittel beseitigen kleinere oder auch größere Schäden, doch sie machen aus uns keinen neuen Menschen.
Das kann man bedauern oder stoisch ertragen – ändern können wir es nicht. Oder vielleicht doch? Über dem heutigen Tag heißt es: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ Eine steile These, die der Apostel Paulus da an die junge christliche Gemeinde in Korinth adressiert. Und ganz sicher meint er mit „neuer Kreatur“ keinen von allen Wehwehchen geheilten Körper.
Worauf Paulus anspielt, geht in eine andere Richtung und wenn einer in diesem Zusammenhang weiß, wovon er redet, dann er. Denn Paulus musste am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt und was es bedeutet, „in Christus“ zu sein. Er ist dem Auferstandenen vor Damaskus begegnet. Damals gehörte er noch zu erbittertsten Gegnern der Anhängerschaft Jesu. Doch das ändert sich von jetzt auf gleich. Als ihm Jesus begegnet, stürzt er vom Pferd und kann tagelang weder sehen noch sprechen.
So wird aus dem größten Widersacher der feurigste Fürsprecher und der bedeutendste Apostel der frohen Botschaft – eine Kehrtwende um 180 Grad. Wahrscheinlich sind derart radikale Kursänderungen in unser aller Leben gar nicht erforderlich, denn allein die Tatsache, dass wir uns heute Nachmittag hier im Dom versammelt haben, lässt vermuten, dass wir nicht die größten Feinde des Christentums sind.
Und doch ist Umkehr in fast jedem Leben immer mal wieder ein Thema. Da verlieren wir unseren Glauben im Trubel des Alltags immer mehr aus dem Blick, da verhalten wir uns so, wie es mit christlichen Werten eigentlich nicht zusammenpasst, da rutschen Themen auf unserer privaten Prioritätenliste ganz nach oben, die dort streng genommen nichts zu suchen haben.
Wenn es uns gelingt, unser Denken, Reden und Tun immer mal wieder kritisch zu hinterfragen und uns auszurichten an dem, was Jesus uns vorgelebt hat, dann kann das tatsächlich Altes vergehen und Neues werden lassen. Und die Chance dazu haben wir an jedem neuen Tag. Amen.

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  Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Heiko Frubrich, Prädikant - 20.04.2024

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Bitte sehen Sie mir diese flapsige Bemerkung nach, aber ich könnte mir vorstellen, dass die eine oder der andere von Ihnen bei einem Blick auf diese Welt ähnliches denkt oder sagt. Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Da sehen wir hochgerühmte und angesehene Staatenlenker, gehuldigte Anführer von Milizen und sonstigen Organisationen und in die Nähe von Gottheiten gerückte religiöse Führer und die benehmen sich wie Kinder im Sandkasten der Kita, die sich gegenseitig ihre Förmchen wegnehmen und sich dann mit Plastikschäufelchen auf den Kopf hauen.
Aber halt, der Vergleich passt nicht, denn bei den Sandkastenrangeleien in der Kita gibt es maximal eine kleine Beule am Kopf, wohingegen in den Kriegsgebieten dieser Welt Tausende Unbeteiligter ihre Zukunft, ihre Lieben oder sogar ihr Leben verlieren.
Die Verantwortlichen erklären dann der Weltöffentlichkeit, warum diese gegenseitigen Gemetzel unumgänglich sind, beteuern aber gleichzeitig ihren unbedingten Willen zum Frieden, doch erst einmal müsse man das ukrainische Volk von den dort regierenden Nazis befreien und zurückholen ins russische Heimatland, oder man müsse noch einen letzten Militärschlag ausführen, um die Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung zu vergelten. Aber dann könnte eigentlich Schluss sein mit dem Krieg.
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ O-Ton von Jesus Christus in der Bergpredigt. Ja, ich weiß, das ist eine Maximalforderung, die selbst die friedfertigsten Menschen maximal überfordern kann. Aber man könnte zumindest auf die Idee kommen, bevor man dem Gegenüber den nächsten Zahn ausschlägt, mit ihm zu reden.
Und ja, ich weiß auch, dass das alles ziemlich naiv ist. Doch ich finde, dass alles, aber auch wirklich alles besser ist, als die Gewaltspirale immer weiter und immer schneller zu drehen. Und dass wir den Hunger auf dieser Welt von jetzt auf gleich für immer besiegen und wahrscheinlich auch alle Klimaprobleme lösen könnten, wenn wir das Geld nicht in todbringende Raketen und Panzer und Munition investierten, sondern in lebenssichernde Projekte, will ich nur noch einmal kurz erwähnen.
Es wäre alles so einfach, wenn die genannten Verantwortlichen ihr kindisches Sandkastengehabe ablegten und sich tatsächlich verantwortungsvoll verhielten. Und deshalb bleibe ich bei meinem Eingangsstatement: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel. Amen.

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  Vom Leben in der Bubble

Vom Leben in der Bubble

Heiko Frubrich, Prädikant - 19.04.2024

Die eigenen vier Wände – sie sind unser Zuhause, unser Rückzugsort, unser kleines privates Reich. Zunehmend an Bedeutung gewinnt aber neben den eigenen vier Wänden auch die eigene Bubble, die eigene Blase, in der wir leben. Diese eigene Bubble sind unsere Bekannten- und Freundeskreise, in denen wir uns bewegen. Uns verbinden mit ihnen dieselben Interessen und Hobbys, eine ähnliche Weltanschauung und politische Ausrichtung und oft auch vergleichbare Werte.
Obwohl wir uns untereinander nicht alle persönlich kennen, sind auch wir hier heute Nachmittag in gewisser Weise eine Bubble, denn wir haben alle eine Beziehung zu Spiritualität, zur Kirche oder zum christlichen Glauben.
Das Leben in so einer Bubble hat eine Reihe von Vorteilen, denn man kann sich darauf verlassen, dass es zwischen den Menschen darin etwas Verbindendes gibt. Wir mögen alle Fans unterschiedlicher Fußballvereine sein oder, so wie ich, mit diesem Thema gar nichts anfangen können, wir mögen ganz unterschiedlich über die Notwendigkeit von Koriander im Essen denken, unseren Urlaub lieber in den Bergen verbringen oder lieber am Meer, aber wir haben uns alle in unserer Dom-Bubble heute Nachmittag hier versammelt.
Schwierig und gefährlich wird es, wenn nicht wir uns für eine bestimmte Bubble entscheiden, sondern von anderen darin einsortiert werden. Sehr gekonnt und sehr subtil geschieht dies mittlerweile in den sogenannten sozialen Netzwerken. Wenn Sie sich auf Instagram oder TikTok ein süßes Katzenvideo ein- oder zweimal gegönnt haben, werden Sie fortan überschüttet mit Katzenvideos. Und wenn Sie sich auf solchen Plattformen ein oder zweimal ein Video mit gut verpackten extremistischen und rassistischen Inhalten angeschaut haben, passiert dasselbe. Der Unterschied ist: Bei den Katzenvideos merkt es jeder sofort, bei der Infiltration mit extremistischem Gedankengut nicht zwingend.
Dadurch wird der Weg in eine Desinformations-Bubble bereitet, den insbesondere jüngere Menschen beschreiten, ohne es sofort zu bemerken. Und so werden Lügen durch permanentes Wiederholen langsam zur gefühlten Wahrheit, der Hass auf Andersdenkende immer stärker und das suggerierte Feindbild immer klarer.
Es ist schwer, dagegen anzukommen. Aufklärung und Wachsamkeit sind ein Weg in die richtige Richtung. Und ich finde, dass wir, die wir uns in unserer Bubble heute Nachmittag hier versammelt haben, eine besondere Verantwortung tragen. Denn wir berufen uns auf Jesus Christus, der ein großer Freund der klaren Botschaft ist und uns sagt: „Wenn ihr bleiben werdet bei meinem Wort, so werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Amen.

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  Leihmutterschaft-ein biblisches Thema

Leihmutterschaft-ein biblisches Thema

Heiko Frubrich, Prädikant - 18.04.2024

Am vergangenen Sonntag wurde in vielen unserer Kirchen über die Geschichte von Sarai, Hagar und Abraham gepredigt. Es geht darum, dass Gott Abraham viele Nachkommen versprochen hat, doch seine Frau Sarai nicht schwanger wird. Daraufhin beschließt Sarai, Abraham ihre Sklavin Harar zur Verfügung zu stellen, damit Abraham mit ihr ein Kind zeugt. Sarai macht damit ihre Sklavin zwangsweise zur Leihmutter, denn Hagar hatte als Slavin ganz sicher keine Möglichkeit, nein zu sagen.
Wie klingt diese alttestamentliche Geschichte vor dem Hintergrund der Forum-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche? Wie klingt diese Geschichte angesichts der aktuellen Diskussionen über die Legalisierung von Leihmutterschaft in unserem Land? Fakt ist, dass die Position der Sklavin Hagar ausgenutzt wird. Ihre Rechtlosigkeit geht soweit, dass sie noch nicht einmal über ihre eigene Mutterschaft entscheiden darf. Sie wird dazu gezwungen.
In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten, in vielen anderen Ländern dieser Erde nicht. Wenn man sich mit diesem Thema etwas intensiver beschäftigt, wird man immer wieder mit Darstellungen konfrontiert, in denen beteuert wird, dass die Leihmütter sich natürlich ohne jeden Zwang dafür entscheiden, ein Kind für ein anderes Paar auszutragen. Ich glaube schon, dass niemand mit vorgehaltener Pistole vor diesen Frauen steht. Aber ist nicht bereits das Ausnutzen eines wirtschaftlichen Gefälles eine Art von Zwang?
Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern, in denen viel Armut herrscht, wird Leihmutterschaft verstärkt und in hohem Maße kommerzialisiert angeboten. Es gibt dort Kliniken, die sich ausschließlich darauf spezialisiert haben und über das Internet Komplettpakete anbieten – vom Katalog mit detaillierten Beschreibungen der Eizellenspenderinnen über die Erledigung bürokratischer Anforderungen bis hin zum abholbereiten Baby.
Nach regionalen Maßstäben bekommen die Leihmütter viel Geld dafür, dass sie ihren Körper zur Verfügung stellen. Doch wie viele es aus wirtschaftlicher Not tun, erfährt man nicht. Wie hoch die gesundheitlichen Risiken durch die erforderlichen Hormonbehandlungen und die eigentliche Schwangerschaft sind, bleibt im Dunkeln. Und welche Traumata diese Frauen erleiden, wenn ihnen das Kind, dass neun Monate in ihrem Bauch herangewachsen ist, weggenommen wird, interessiert oft niemanden.
Bei uns in Deutschland werden, wie gesagt, Diskussionen geführt, Leihmutterschaft unter bestimmten Voraussetzungen zu erlauben. Ich hoffe sehr, dass man dabei von den beteiligten Menschen her denkt – von den kinderlosen Paaren aber eben insbesondere auch von den potentiellen Leihmüttern und den von ihnen geborenen Kindern.
Die Leihmutterschaftsgeschichte von Hagar, Sarai und Abraham ist auch eine Geschichte über sexualisierte Gewalt und damit eine Leidensgeschichte. Das sollte man bei allen Diskussionen nicht aus dem Blick verlieren. Amen.

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  Nicht einknicken!

Nicht einknicken!

Heiko Frubrich, Prädikant - 17.04.2024

Kirche muss zu den Menschen, denn Gottes frohe Botschaft muss unters Volk. Das kann auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen passieren – ganz klassisch durch Gottesdienste, digital über die Homepage oder Social-Media-Auftritte oder auch durch Aushänge im guten alten Schaukasten. Genau das hat die St. Michaelisgemeinde gemacht. Die schöne mittelalterliche Kirche steht am westlichen Rad der Braunschweiger Innenstadt, doch das Einzugsgebiet reicht deutlich weiter und umfasst auch den Bereich rund um den Frankfurter Platz. Dort droht, ausgehend von einem Tattoo-Studio ein Nazi-Kiez zu entstehen. Die Anwohner sind besorgt, es kam bereits zu Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen mit Baseballschlägern; Methoden, die aus dem rechten Milieu sehr bekannt sind.
An diesem Frankfurter Platz hängt nun ein Schaukasten der St. Michaelis-Gemeinde, in dem die Gemeinde folgendes Statement ausgehängt hat:
„Unser Kreuz hat keine Haken. Wir wollen Herz statt Hetze. Herkunft kann man sich nicht aussuchen, Heimat schon. Wir glauben, dass Falafel gut zu Sauerkraut passt und es sich miteinander schöner leben lässt als gegeneinander. Unser Horizont ist weit wie der Himmel überm Ostseestrand. Regenbogen inklusive. Demokratie heißt, das Wohl aller zu wollen und dabei manchmal auch unterschiedlicher Meinung zu sein. Rassismus ist keine Meinung. #wirsindmehr“
Diese offene Haltung, die einlädt und nicht ausgrenzt, die integriert und nicht diskriminiert, die den Menschen in den Blick nimmt, egal, woher er kommt, egal, welche Hautfarbe er hat, egal, welchen Bildungsgrad, egal, welche sexuelle Orientierung, diese offene Haltung passt manchen nicht in den Kram. Und die Hemmungen, diese Ablehnung nicht nur in Worten, sondern auch in Taten zu äußern, nehmen immer weiter ab und machen auch vor kirchlichen Einrichtungen nicht mehr halt.
Diese sich radikalisierende Stimmung wird aus rechten Kreisen ganz bewusst geschürt. Das Ziel ist, was man früher nur denken konnte, heute auch sagbar zu machen und was man früher nur sagen konnte, heute auch umsetzbar werden zu lassen. Und so werden rechte Hassparolen immer salonfähiger und rechtsextreme und verfassungsfeindliche Politiker werden in Talkshows eingeladen, als gäbe es nichts, was normaler ist.
Die St. Michaelis-Gemeinde hat den Schaukasten bereits gereinigt und wird sich nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. Gut so! Kirche muss Rückgrat zeigen und darf nicht einknicken vor denen, die die Gottgleichheit eines jeden Menschen in Frage stellen und der Welt weismachen wollen, dass manche Menschen wertvoller sind als andere. Gottes Geist ist ein Geist der Freiheit, des Friedens und der Liebe. Alles andere ist mit Jesu Botschaft nicht vereinbar und es ist Aufgabe von uns Christenmenschen, der Welt das zu sagen. Amen.

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  Mauern

Mauern

Heiko Frubrich, Prädikant - 15.04.2024

Gestern haben wir hier im Dom Konfirmation gefeiert. Zwölf junge Menschen haben sich eindrucksvoll zu Gott bekannt und durch das erneute Entzünden ihrer Taufkerzen an der Osterkerze ihre Taufe bestätigt. „Ja, ich bin bereit!“, haben sie auf die Frage geantwortet, ob sie Gott, seinem Wort und seiner Botschaft Raum im eigenen Leben einräumen wollen.
Im Rüstgottesdienst am Samstagabend hatten die Konfirmandinnen und Konfirmanden ihre Konfirmationssprüche vorgestellt und vor der Gemeinde erläutert, warum sie sich gerade für dieses spezielle Bibelwort entschieden hatten. Und es war beeindruckend und bewegend zu hören, welchen Tiefgang diese ganz persönlichen Glaubensbekenntnisse hatten.
Einer der Konfirmanden, der dauerhaft im Rollstuhl sitzt, hatte ein Wort aus dem 18. Psalm gewählt. Dort heißt es in Vers 30: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Und er sagte, dass ihm Gott dabei hilft, die Grenzen zu überwinden, die er alleine nicht überwinden kann.
Was für ein Statement von diesem jungen Menschen! Und wie sehr er uns allen damit auch ein Beispiel gibt, was Gottvertrauen bedeutet. Wir sind in so vielem begrenzt. Und damit meine ich nicht nur unsere ganz unterschiedlich ausgeprägte physische Begrenztheit, wenn es darum geht über mehr oder weniger hohe Mauern aus Beton und Stein zu springen.
Es gibt so vieles, das unser Leben belastet – die ganz persönlichen Sorgen, Nöten und Ängste genauso, wie das Leid anderer. Und gerade davon gibt es in unseren Tagen so viel und es ist oft so unsinnig und vermeidbar. All das macht uns betroffen, nimmt uns Lebensfreude und verstärkt vielleicht auch unsere Glaubenszweifel.
Aus all dem will uns Gott heraushelfen. Er ist an unserer Seite und verspricht, uns zu begleiten, ganz egal, was auch kommen mag. Diese Gewissheit soll uns nun nicht gleichgültig werden lassen gegenüber allem anderen und insbesondere nicht gegenüber der Not unserer Mitmenschen. Aber es kann unseren Blick weiten, uns wieder Raum geben, tief durchzuatmen in der Gewissheit, dass Gott da ist und es am Ende gutmachen wird.
So können auch wir über die Mauern springen, die unsere Gedanken, unseren Blick, unsere Gefühle und auch unseren Glauben begrenzen. So stellt Gott unsere Füße wieder auf weiten Raum und lässt uns erfahren und erleben, welche wunderbare Freiheit er uns damit schenkt. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. Und Sie können das auch! Amen.

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  Osterglocken

Osterglocken

Heiko Frubrich, Prädikant - 13.04.2024

Mögen Sie Osterglocken? Ich bin ein großer Fan! Für mich ist es jedes Mal wieder bewegend, wenn es soweit ist. Sie lösen eine ziemlich karge Zeit ab und haben deshalb etwas so wunderbar Befreiendes. Streng genommen gibt es sie ja fast das ganze Jahr über. Doch zu Ostern sind sie dann eben doch besonders kraftvoll und hoffnungsstiftend. Osterglocken sind einfach toll!
Sie ahnen möglicherweise bereits, dass ich nicht über die gelben Blumen rede, die man auch Narzissen nennt. Ich meine die 12 Osterglocken, die in unserem Glockenhaus zwischen den Domtürmen hängen und die in der Nacht von Karsamstag zu Ostersonntag Jesu Auferstehung verkünden – mit feierlichem, kräftigem und langanhaltendem Geläut hinein in die nächtliche Stille der Stadt.
Glocken sind aus dem christlichen Leben und vor allem der christlichen Liturgie nicht mehr wegzudenken. Doch sie sind weit älter. Bereits in vorchristlicher Zeit wird aus China über die Verwendung von Glocken berichtet. Um 250 n. Chr. tauchen dann erstmals auch christlich verwendete Glocken auf.
Doch auch im weltlichen Bereich hatten und haben Glocken ihre Bedeutung. Früher meldeten sie Gefahren wie Angreifer oder Feuer, noch heute informierten darüber, dass jemand aus der Gemeinde verstorben ist und sie teilen uns im wahrsten Sinne des Wortes mit, was die Stunde geschlagen hat.
Von einem solchen Stundenschlag hat sich auch Louis Vierne für seine Komposition „Carillon de Westminster“ inspirieren lassen, die uns Hans-Dieter Meyer Moortgat gleich spielen wird. 1927 wurde das Stück in Notre Dame in Paris uraufgeführt. Die Glocken, die im Londoner Elisabethturm hängen, der auch die große Glocke „Big Ben“ beherbergt, schlagen wohl die weltweit bekannteste Glockenmelodie. Sie werden sie ganz sicher sofort erkennen.
Und es gibt sogar einen Text, der sich dazu singen lässt: „O Lord our God, Be Thou our guide, That by Thy help, No foot may slide.” O Herr, unser Gott, sei du unser Begleiter, das mit deiner Hilfe, kein Fuß ausgleiten möge. Das knüpft nun wieder wunderbar an die Osterglocken an. Denn der Auferstandene, dessen Sieg über den Tod wir zu Ostern feiern, hat uns versprochen: Und siehe, ich bin bei euch bis an der Welt Ende.
Und genau deshalb bin ich so ein großer Fan von Osterglocken – von den gelben, doch noch viel mehr von den klingenden. Amen.

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  Willkürliche Gnade?

Willkürliche Gnade?

Heiko Frubrich, Prädikant - 12.04.2024

Ohne Fließ kein Preis – ein altes Sprichwort, das uns auffordert, Gas zu geben, wenn wir uns ein bestimmtes Ziel gesetzt haben. Als kleine Steigerung zu diesem Sprichwort passen Sätze wie: „Nun reiß dich mal zusammen“, oder „nun stell dich mal nicht so an“. Wenn man was erreichen will, wenn man Ambitionen hat, dann geht es eben manchmal nicht ohne Blut und Schweiß und Tränen.
Mir ist das ein wenig zu holzschnittartig und ich denke, dass es auch andere Wege gibt, sich selbst oder seine Mitmenschen zu motivieren. Aber das ist vielleicht auch Geschmacksache und hängt von der eigenen Persönlichkeit ab. Ich denke, dass jede und jeder seinen eigenen Weg finden muss – als Motivator genauso wie als zu Motivierender. Fakt bleibt jedoch, dass es in unserem Leben immer wieder Situationen gibt, in denen wir uns anstrengen müssen.
Über dem heutigen Tag heißt es aus dem Römerbrief: „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Das ist ja nun das absolute Gegenmodell zu „Ohne Fleiß kein Preis“. Der Apostel Paulus sagt hier, dass wir uns gerne ein Bein ausreißen können, und wenn wir wollen, das andere gleich mit, doch es bleibt allein Gottes Entscheidung, wem er seine Gnade zuteilwerden lässt und wem nicht. Schon zu Mose hat er gesagt: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“
Wenn man was zum Nörgeln finden möchte, könnte man sagen: Das ist ja die totale Willkür. Gott handelt hier nach Gutsherrenart und das kann es ja wohl nicht sein! Naja, das kann es eben doch sein. Gott ist uns bleibt die höchste Instanz und er ist und bleibt frei in seinen Entscheidungen.
Doch die Kernbotschaft des Pauluswortes ist doch eine ganz andere. Sie lautet doch: Mach dich nicht verrückt! Gott sieht dich und kennt dich und er nimmt dich an, so wie du bist. Nicht jene, die eine religiöse Höchstleistung nach der anderen vollbringen stehen in seiner Gunst ganz oben, nicht jene, die besonders viel Kirchensteuer zahlen, nicht jene, die bei jeder Unterhaltung mindestens drei Bibelzitate unterbringen. Nein, es sind jene, denen sich Gott erbarmt. Ende der Durchsage.
Und das heißt nun konkret? Wir haben Ostern im Rücken und der auferstandene Jesus Christus beauftragt seine Jünger, alle Völker ebenfalls zu Jüngerinnen und Jüngern zu machen. Die Taufe ist der Schlüssel. Durch sie werden wir hineingenommen in den Kreis derer, zu denen Gott „Ja!“ sagt. Es bedarf unsererseits nur des Bekenntnisses: Ja, ich will dazugehören! Und weil man bei der Taufe altersbedingt diesen Satz häufig noch nicht so sagen kann, feiern wir Konfirmation, das Fest, in dem junge Menschen das Ja, das ihre Eltern und Paten für sie gesprochen haben, aus eigenem Antrieb bestätigen. Übermorgen ist es hier bei uns im Dom wieder soweit. Wir freuen uns drauf! Amen.

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  Gottes Barmherzigkeit

Gottes Barmherzigkeit

Heiko Frubrich, Prädikant - 11.04.2024

Heute ist im evangelischen Namenskalender Matthäus Apelt zu finden, der nach seiner Erhebung in den Adelsstand den klangvollen Namen Matthäus Apelles von Löwenstern trug. Er war ein deutscher evangelischer Komponist und Kirchenliederdichter, der am 11. April 1648 in Breslau im Alter von 54 Jahren verstarb. Vielleicht sind Sie beim Blättern in unserem Gesangbuch auf ihn aufmerksam geworden, denn von ihm stammt unter anderem der Choral „Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit“.
Man findet ihn unter der Nummer EG 502 in der Rubrik „Natur und Jahreszeiten“, was dem Choral zwar nicht schadet, irgendwie aber dennoch nicht passt. Denn es ist ein großer und fröhlicher Lobgesang mit einer eingängigen Melodie und einem flotten Rhythmus.
Apelt beschreibt den Reichtum, den wir von Gott erhalten und die Art, wie er mit uns umgeht. „Er lässt dich freundlich zu sich laden“, heißt es da in der ersten Strophe. Und so ist es ja auch. Gott drängt sich uns nicht auf. Er droht uns nicht und er zwingt uns auch nicht in seine Nähe. In seinem Sohn, der allen Mühseligen und Beladenen anbietet, sie zu erquicken, sie wieder aufzurichten und ihnen neue Kraft zu geben, steht Gott mit offenen Armen vor uns.
Und er zeigt uns auf, wie er uns und unser Leben zum Besseren verändern kann, wenn wir ihm einen Platz darin einräumen, wenn wir aus eigenem Antrieb sagen: Ja, ein Leben mit dir ist schöner und reicher als eines ohne dich.
„Wohlauf ihr Heiden, lasset das Trauern sein.“ Ich denke, dass Apelt hier das Trauern über verpasste Chancen meint, das Trauern über die eigene Schuld, die man im Laufe seines Lebens auf sich lädt – bewusst und unbewusst, vorsätzlich oder auch gänzlich ungeplant. Es ist nie zu spät, mit diesem Paket auf den Schultern umzukehren. „Zur grünen Weide stellet euch willig ein“, dichtet Apelt. „Denn da lässt uns Gott sein Wort verkünden und macht uns ledig und frei von allen Sünden.“
Ich denke, dass Gottes Vergebungsbereitschaft zu seinen herausragendsten Eigenschaften gehört. Egal, wie groß der Mist auch sein mag, den wir gebaut haben, Gott wird uns damit nicht abweisen. Wenn wir ihm gegenüber ehrlich bekennen, dass es uns leidtut, wird er uns aus Barmherzigkeit vergeben. Wir Menschen tun uns damit oftmals deutlich schwerer.
„Drum preis und ehre Gottes Barmherzig“, schreibt Apelt. „Viel tausend Engel um ihn schweben, Psalter und Harfe ihm Ehre geben.“ Psalter und Harfe haben wir heute nicht parat. Aber Orgel und Gesang ist ja auch ganz schön. Amen.

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  Zwei Arten von Frieden?

Zwei Arten von Frieden?

Heiko Frubrich, Prädikant - 10.04.2024

„Frieden lasse ich euch. Meinen Frieden gebe ich euch. Doch ich gebe nicht, wie die Welt gibt.“ Das sagt Jesus zu seinen Jüngern, wie uns der Evangelist Johannes berichtet. Was ist das für ein merkwürdiger Satz? Jesus unterscheidet darin ganz klar zwischen dem einen Frieden, den er den Jüngern lässt und dem anderen, seinem Frieden, den er ihnen gibt.
Es ist in der Tat nicht leicht, umfassend zu beschreiben, was Frieden bedeutet. Ein Blick in diese Welt legt nahe, zu sagen, das Frieden das Gegenteil von Krieg ist. Wir würden uns alle unendlich freuen, wenn in der Ukraine oder im Nahen Osten die Waffen endlich schwiegen. Ja, dann wären die Kriege vorüber und es könnte Frieden einziehen.
Aber ist das dann wirklich schon Frieden, wenn die Menschen vor den Trümmern ihrer Existenzen stehen, den zerstörten Dörfern und Städten und den untergegangenen Zukunftsplänen? Und vor allem: Ist es wirklich Frieden, mit Blick auf die vielen verlorenen Menschen, die ums Leben gekommen sind? Der Krieg mag zu Ende sein, doch Schmerz und Trauer dauern an. Ist Frieden so möglich?
Und mehr noch: Ich denke nicht, dass mit dem letzten Schuss auch die Wut und der Hass beendet sein werden, dass die Feindbilder verschwinden und ersetzt werden durch Freundschaft und Vertrauen. Dafür bedarf es viel mehr als nur des Endes von militärischen Aktivitäten.
Der Friede, den Jesus verspricht, hat eine andere Qualität und eine andere Dimension. Ich verstehe ihn als den Frieden, den wir mit Gott haben können. Wenn Christus sagt, dass er uns diesen Frieden gibt, dann meint das, dass er in seinem Tod und seiner Auferstehung alles aus dem Weg räumt, was uns von Gott trennt, all das, was wir Sünde nennen. Christi Frieden meint unser Leben in einer lebendigen Beziehung mit dem Auferstandenen an unserer Seite und unter Gottes Obhut und Gnade.
In einer solchen Beziehung dürfen wir uns behütet und getragen fühlen, von Gott gewollt und angenommen. So sehr und so berechtigt wir natürlich für irdischen Frieden beten und arbeiten sollen, so klar ist aber auch, dass der Frieden, den Christus uns schenkt, immer stärker ist als das, was uns an irdischem Leid bedrohen und betreffen kann.
Christi Auferstehung ist der Schlüssel zu diesem Frieden. Wie gut, dass Gott uns den Ostermorgen geschenkt hat. Amen.

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  Erbe umverteilt

Erbe umverteilt

Henning Böger, Pfarrer - 10.04.2024

Marlene ist 31 Jahre alt und reiche Erbin. Die Salzburgerin hat eine ungewöhnliche Idee: Sie will ihr Erbe verschenken. Sie sagt, sie habe das Geld in einer Art „Geburtslotterie“ gewonnen. Sie habe einfach Glück gehabt, dass ihre Großmutter ihr so viel Geld übertragen habe. Und das sei ungerecht gegenüber den Menschen, die dieses Glück nicht hatten. Sie selbst wolle und brauche so viel Geld nicht. Darum will sie ihr Erbe,
25 Millionen Euro, verschenken.
Aber wie verteilt man 25 Millionen Euro gerecht? Auch dazu hatte Marlene eine Idee: Kurz vor Ostern trafen sich 50 repräsentativ ausgewählte Menschen. Diese Gruppe soll einen „Guten Rat für Rückverteilung“ bilden und entscheiden, wie und an wen das Geld zurückverteilt wird. Marlene wird daran nicht beteiligt sein. Es gebe nur ein Kriterium für diesen „Guten Rat“ sagt sie: die soziale Gerechtigkeit. Sie selber, sagt Marlene, werde nie arm sein, auch wenn ihr Vermögen verteilt ist. Etwas Geld wolle sie behalten, bis sie ihr Studium beendet habe. Ansonsten freue sie sich, wenn gelöst sei, was sie sich schon lange wünsche: mehr Gerechtigkeit durch Umverteilung.
Menschen können nichts für ihren Reichtum, in den sie hineingeboren werden. Und andere können nichts für ihre Armut, die sie ererbt haben, ohne sich daraus befreien
zu können. Was uns alle angeht - die Reichen, die Armen und uns viele dazwischen –
ist die Frage, was wir gemeinsam tun können, damit die sprichwörtliche soziale Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter auseinandergeht.
Dazu hilft eine kleine Jesus-Erinnerung: Der hatte nichts gegen Reiche. Er sprach mit ihnen und ließ sich gerne zum Essen in ihre Häuser einladen. Was ihn allerdings störte, war vermögende Gedankenlosigkeit. Denn Jesus sah Reichtum als Gnade und Verpflichtung an. Darum fragte er: „Wem verdankt ihr, dass es euch gut geht?“
Jesus gelang es so, Menschen nachdenklich zu machen, soziale Ungleichheit als Anfrage zu begreifen. Manche teilten ihren Besitz.
Wie Marlene, die reiche Erbin aus Salzburg. Gerade hat sie dem Magazin „Der Spiegel“ ein Interview gegeben. Auf Bildern sieht sie dabei entspannt aus. So, als wüsste sie,
was Jesus wusste: Jedes Teilen macht immer zwei Menschen reich: Geber und Empfänger. So leuchtet das Reich Gottes unter uns auf.

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  Ostereier

Ostereier

Heiko Frubrich, Prädikant - 08.04.2024

Ostereier
Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt bei Ihnen in ein schlechtes Licht gerate: Ich habe heute Morgen bei mir zu Hause hinter dem Fernsehschrank noch eine einsame Tannennadel gefunden. Die muss dort gelandet sein, als der Weihnachtsbaum im Januar wieder ausziehen musste und bei dieser Aktion die eine oder andere Nadel verloren hat. Die Dauer unserer Gastfreundschaft für Nadelgehölze in der heimischen Wohnung lässt sich relativ treffsicher beschreiben. Sie beginnt wenige Tage vor dem Weihnachtsfest und endet bei vielen am 6. Januar oder zum Ende der kirchenkalendarischen Weihnachtszeit am letzten Sonntag nach Epiphanias.
Aber wie ist das eigentlich mit dem Schmuck zu Ostern? Zu nennen ist da in erster Linie das bunte Ei, das uns meist in der Plastikversion in Vorgärten und Wohnstuben an Ostern erinnert. Und tatsächlich ist es seit vielen Jahrhunderten auch fester Bestandteil der christlichen Ostertradition. Schon im 12. Jahrhundert wurde in der katholischen Kirche die österliche „Benedictio ovorum“ die Segnung von Eiern und Osterspeisen eingeführt.
Aber wie ist das in unserer Zeit? Mir fällt immer wieder auf, dass uns die Ostersträuße schon Wochen vor Ostern in bunten Farben entgegenleuchten. Da sind wir aber noch mitten in der Passionszeit. Und jetzt verschwindet der bunte Schmuck schon wieder und bereits am Osterdienstag konnte man in den Supermärkten nicht verkaufte Schokoladenosterhasen zum halben Preis kaufen, so, als sei Ostern bereits Geschichte.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Ostern hat gerade erst angefangen. Und die österliche Freudenzeit, in der wir unsere Akkus mit Lebens- und Glaubensfreude aufladen können, sie dauert 50 Tage, also noch bis Pfingsten. Damit ist sie im Übrigen länger als der Weihnachtsfestkreis, was ich persönlich gut nachvollziehen kann. Sicher, ohne Weihnachten hätten wir kein Ostern. Aber ohne Ostern gäbe es keine Sündenvergebung, kein ewiges Leben und keinen neuen Bund, den Gott mit uns Menschen eingegangen ist.
Und auch unser irdisches Leben wäre so viel ärmer. Wir dürfen es in der Gewissheit leben, dass der auferstandene Jesus Christus in allem, was uns passiert, an unserer Seite ist. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, so hat er es versprochen. Und das meint: in guten, wie in schweren Zeiten, in Fröhlichkeit und Trauer, in Glück und im Leid.
Das ist der beste Grund für große Freude und wenn Sie die bunten Ostereier schon eingemottet haben sollten: Hängen Sie sie nochmal auf, damit die Freude bunt wird. Denn der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja! Amen.

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  Sag mir wo...

Sag mir wo...

Cornelia Götz, Dompredigerin - 05.04.2024

Seit Gründonnerstag trage ich Marlene Dietrichs Antikriegslied „Sag mir, wo die Blumen sind“ mit mir herum. Zunächst stieg es wohl als Assoziation zur Kerzenmeditation am Gründonnerstag auf. Nach und nach erlöschen dann die zwölf Kerzen, die für die zwölf Jünger Jesu im Garten Gethsemane stehen – oder eben für zwölf Menschen, die Hoffnung auf ihn gesetzt haben.
Bis nur noch die Osterkerze brennt.
„Bleibet hier und wachet mit mir“ heißt die Liedstrophe dazu.
Und ich habe in Gedanken gewendet: es gibt so vieles und so viele, die im Laufe eines Lebens verloren gehen, verlöschen. Erst recht in Kriegszeiten.
Und wir hier?
Wir feiern Ostern und versuchen zu verstehen.
Und zwischendrin dieser Ohrwurm:
„Sag mir wo die Blumen sind / wo sind sie geblieben / was ist geschehen? Sag mir wo die Blumen sind / Mädchen pflückten sie geschwind / Wann wird man je verstehen / wann wird man je verstehen?
Sag mir wo die Mädchen sind / Männer nahmen sie geschwind …
Sag mir wo die Männer sind / zogen fort der Krieg beginnt …
Sag wo die Soldaten sind / über Gräben weht der Wind
Sag mir wo die Gräber sind / Blumen wehen im Sommerwind
Wann wird man je verstehen? / Wann wird man je verstehen?“
Marlene Dietrich machte diese deutsche Version von „Where Have All The Flowers Gone“ während der Kubakrise 1962 berühmt. Jetzt erinnert man sich wieder, dass das Lied eigentlich ukrainische und russische Wurzeln hat.
Man sang es beim Zerkleinern von Mohn auf ukrainischen und südrussischen Feldern. In dem Roman „Der stille Don“ klingt es so: „Und wo sind die Gänse? Sie liefen ins Schilf. / Und wo ist das Schilf hin? Von Mädchen gemäht. / Und wo sind die Mädchen? / Verheiratet längst. Und wo die Kosaken? Sind fort in den Krieg…“
Wann wird man je verstehen. Man versteht es nicht. Immer wieder nicht…
Inzwischen haben wir Ostern gefeiert und ich schaue staunend auf das kleine Lied: Auch die Gräber sind verschwunden. Blumen wehen im Wind. Mädchen werden kommen und sie pflücken.
Das Leben geht weiter. Das Leben siegt. Vielleicht siegt eines Tages sogar der Frieden.

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  A wie Abel

A wie Abel

Cornelia Götz, Dompredigerin - 04.04.2024

A wie Abel.
Er ist Evas Zweitgeborener, der Kleine. So scheint es auch sein Name zu sagen: Der „Hauch“, womöglich sogar: „Nichtigkeit.“
„Kain“ dagegen, sein Bruder, wurde von seiner Mutter Eva mit den Worten begrüßt: „Ich habe einen Mann gewonnen“.
So ungleich kann es beginnen.
Unbeabsichtigt oder immer schon.
Der eine ein zugewinn- der andere ein Hauch, ein Nichts.
Was ist er Mensch, dass du seiner gedenkst?
Abel wird Schäfer. Er lebt mit seinen Tieren und hütet sie.
Sein Bruder ist ein Ackermann. Fest verwurzelt.
Kain bewegt sich. Leise zieht er über die Landschaft. Ein Hauch.
Vielleicht ist ihm die eigene „Nichtigkeit“ nicht bewusst; vielleicht hat er längst verstanden, dass ein Menschenleben nicht mehr und nicht weniger ist als ein Hauch in Gottes langem Atem.
Er opfert Gott von den Erstlingen seiner Herde und seinem Fett. Und Gott – so heißt es: „Sieht sein Opfer gnädig an“.
So hat für Abel alles seine Ordnung. Aber er ist nicht allein auf der Welt.
Denn sein Bruder opfert und das sieht Gott nicht. So jedenfalls scheint es.
Kain wird zornig. Das tut ihm weh. Das ist ungerecht.
Es müsste ihn nicht jucken. Kain ist nur ein Nichts.
Es müsste ihm zusetzen. Gott sieht sein Opfer nicht – das hat womöglich gar nichts mit Abel zu tun.
Und trotzdem setzt sich eine Gewaltspirale in Gang.
Zorn und Schweigen. Mord.
Ist Neid die Wurzel allen Übels?
Paul Gerhard dichtete 1666:
„Lass mich mit Freuden / ohn alles Neiden / sehen den Segen / den du wirst legen / in meines Bruders und Nächsten Haus.“
Das fällt nicht immer leicht.
Dessen muss man gewärtig sein
Darum muss man bitten.
Die uralte Geschichte wäre vielleicht anders ausgegangen, wenn Kain das gekonnt hätte. So bleibt sie ein Dorn, der schmerzt – kein Hauch.

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  Hoffnung

Hoffnung

Heiko Frubrich, Prädikant - 03.04.2024

Hoffnung
Wenn die Sonne scheint, sieht man besonders deutlich, dass die Fensterscheiben dreckig sind und nur wenn es hell ist, erkennen wir auch Schattenseiten. Das gilt im direkten und im übertragenen Sinne. Wir werden durch das Licht der Medien auf vieles aufmerksam gemacht. So auch jetzt darauf, dass am Montag bei einem israelischen Angriff auf einen Hilfskonvoi im Gazastreifen sieben internationale Helfer ums Leben gekommen sind. Es ist schwer auszuhalten, wenn man sieht, dass Menschen, die in humanitärer Absicht anderen helfen wollen, die sich angetrieben von Nächstenliebe engagieren, vermeidbar ihr Leben verlieren.
Mit dem Tod dieser sieben Menschen wird unsere Aufmerksamkeit auf eine weitere hässliche Fratze des Krieges gezogen. Doch es ist nicht die einzige, sondern eben eine weitere Fratze. Die Zahl der getöteten Zivilisten lässt sich allein in diesem Krieg mittlerweile in Tausenden zählen. Und der Nahe Osten ist nur ein Kriegsschauplatz von vielen auf dieser Welt. Es gibt zynisch anmutende Statistiken im Internet, in denen Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen in Tabellenform aufgelistet und gruppiert werden. Da schafft es dann ein Krieg in diese Tabelle, wenn er mindestens 1000 Menschen das Leben gekostet hat. Und wenn die Zahl der Toten dann 10.000 überschreitet, erfolgt die Aufnahme in eine detailliertere Darstellung mit weitergehenden Informationen.
Je größer die Zahlen, desto mehr verschwindet der einzelne Mensch in der statistischen Anonymität. Bei den sieben getöteten Helfern können wir unsere Betroffenheit leichter spüren, wir können näher an sie heran, wenn wir ihre Lebensläufe lesen, ein wenig mehr verstehen, wer sie waren und was sie zur Hilfe motiviert hat. Wir können aus Presse, Fernsehen und Internet wissen, wer um sie trauert.
Aus den Kriegstabellen erfahren wir nichts. Und doch stehen auch dort hinter den Zahlen Menschen – Kinder, Frauen, Männer, Mütter, Großväter, Säuglinge, Junge, Alte, Fröhliche, Traurige, Verliebte, Einsame. Und die meisten von ihnen wollten keinen Krieg.
Wir haben Ostern im Rücken, das Fest der Zuversicht und des Lebens. Ihm vorausgegangen ist eine Zeit, in der wir uns daran erinnert haben, dass menschliche Grausamkeit selbst vor Gottes Sohn nicht haltgemacht hat. Gottes unbedingte Liebe, die an Ostern sichtbar und erlebbar wird, sie hat es immer wieder schwer, sich durchzusetzen. Oft verliert sie gegen menschliche Anmaßung, menschlichen Größenwahn und mangelnde Achtung vor dem Leben.
Über dem heutigen Tag heißt es aus der Offenbarung des Johannes: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ Darauf dürfen wir trotz allem unsere Hoffnung setzen und darauf, dass der auferstandene Christus zu seinem Wort steht, wenn er sagt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Amen

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  Osterjubel

Osterjubel

Henning Böger, Pfarrer - 02.04.2024

Ja, sagt er, und blickt dabei fröhlich in die Handy-Kamera der jungen Frau, die ihn mit seinem Einverständnis filmt. Ja, manchmal tue er das: Da fange er mitten auf der Straße an zu singen. Genauer: Er singe sich auf der Straße erst noch etwas ein, bevor er ins Pflegeheim gehe. Dort lebt seine Ehefrau, die dementiell erkrankt ist.
Wann immer es geht, besucht er sie und singt dann - in ihrem Zimmer, auf dem Flur des Wohnbereiches, manchmal auch auf anderen Fluren. Er hat dafür eine kleine Box gekauft, die er sich umhängen kann und aus der Klavierbegleitung erklingt.
Während er das alles der jungen Frau für ihr Video erzählt, drückt er auf ein Knöpfchen an der Box, das Klavier spielt ein paar Takte und dann beginnt er zu singen: „My Way“ von Frank Sinatra. Man kann hören, wie geübt der Mann ist. Er hat sich im hohen Alter einen frischen Bariton bewahrt. Nach einigen Zeilen hört er aber auf, schaltet die Box aus und verabschiedet sich: „Ich muss jetzt los!“ Und er geht hinüber ins Pflegeheim, wo seine Frau lebt.
Es ist eine kleine, berührende Szene, finde ich, die sich online über Instagram rasch verbreitet hat: Ein Mann singt für seine demente Frau. Er möchte ihr, deren Gedächtnis nicht mehr so gut ist, gemeinsame Melodien in Erinnerung bringen. Lieder behält man lange im Sinn. Er singt auch für sich selbst: gegen das Vergessen, in der Hoffnung darauf, dass es irgendwo in ihr summt und klingt und so ein wenig Erinnerung an das gemeinsame Leben zurückbringt.
Wer in unseren Kirchen den Gottesdiensten durch die Karwoche bis zum Ostermorgen gefolgt ist, hat das selbst erleben können: wie groß die Kraft der Musik ist, wie der gemeinsame Gesang das Geschehen prägt, ernster und weniger wird, bis er ganz verstummt, um dann am Morgen des dritten Tages als Osterjubel neu anzuheben über das Leben, das aus Gottes Liebe stärker als der Tod ist.
Überall dort, wo das, was in uns Menschen wie begraben scheint, aufbricht und neue Kraft erhält, da wächst die Osterhoffnung aus dem Gestern ins Heute für morgen.
Denn dazu ist Christus auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

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  Von Ferne

Von Ferne

Cornelia Götz, Dompredigerin - 30.03.2024

Karsamstag.
Da stehen sie von Ferne und schauen nach dem Hügel, auf dem die Kreuze stehen. Es ist still geworden. Unheimlich still.
Es sind seine Freunde und Wegbegleiter, Menschen, die auf ihn gehofft und an ihn geglaubt haben, die ihn liebten und solche, die sich nicht in seine Nähe getraut haben.
Es sind Menschen, die Konsequenzen fürchten, wenn man sie als zugehörig erkennt und solche, die sich in ihrer Resignation bestätigt fühlen.
Es sind Menschen, die noch nie auf der Straße waren.
Es sind solche wie wir.
Auch wir schauen von Ferne.
Traurig und erschrocken, ratlos, was das mit uns zu tun hat.
Es ist eine alte Geschichte, die immer wieder neu geschieht, wenn die Mächtigen Angst kriegen und die Machtlosen beginnen, sich selbst zu spüren, weil sie gesehen werden.
Es ist ein Ausdruck unbarmherzigster Gewalt.
Die Vielen - wie fern sie auch immer stehen, wie schweigsam sie nach Hause gehen, wie wenige Worte sie auch machen – haben ein gutes Gespür.
Sie verstehn, was sie sehen.
Da stirbt ein Mensch.
Unschuldig.
Unter uns.
Wir haben es nicht verhindern können.
„Aus den Pforten der Hölle, rette, o Herr, meine Seele.“ heißt es bei dem Propheten Jesaja.
Damit sie nicht verkümmert, verhärtet, gleichgültig wird.
Und dazu aus dem 88. Psalm: „Meine Seele ist übervoll an Leiden… - werden denn deine Wunder in der Finsternis erkannt?“
Finsternisse gibt es viele.
Sie rücken auf die Haut und ersticken das Augenlicht.
In der Finsternis saß auch Jona.
Drei Tage lang im Fischbauch.
Auch der hatte Abstand halten wollen.
Von Gottes Geschichte mit uns Menschen und davon, selbst darein verwickelt zu werden.
Auch der hatte Angst: vor den Vielen, vor der Einsamkeit, vor der Gleichgültigkeit. Vor der Überforderung und der Wirkung seiner Worte.
Drei Tage lang war das so.
Dann spie ihn der Fisch ans Land, ins Leben, in das was zu tun ist.
Dann ist die Stille vorüber.
Die Welt ist nur für einen Moment stehengeblieben.
Weil ein Unschuldiger gestorben ist.
Weil das der Plan war.

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  Johannespassion

Johannespassion

Cornelia Götz, Dompredigerin - 29.03.2024

Wann immer wir uns glaubend – hörend – singend – zweifeln – stotternd – mit der Geschichte Jesu verbinden, damit sie sich für uns jetzt -heute ereignet: wir hängen zwischen dem linearen Verlauf der Geschichte Gottes mit uns Menschen, dem Damals und dem ein für alle Mal, jetzt und für immer.
Darum ist das, was vor fast 2000 Jahren in Jerusalem geschah, an vergangenen Ort und Zeit gebunden – gehört in ein besetztes Land und zu konkreten Umständen: Hunger und Not, Anbiederung an die Mächtigen, Misstrauen zwischen oben und unten, Angst voreinander, Gewalt.
Darum ist das die dieselbe Geschichte, die heute unter den Umständen der Gegenwart geschieht.
Hier – wo wir besorgt sind und angefasst trotz Wohlstand und Frieden.
Dort – wo Menschen erschüttert sind und verstört, zu allem bereit und bodenlos verzweifelt, bar aller Geborgenheit und Zuversicht.
Golgatha erhebt sich über all dem - unerschütterlich.
Noch weichen Berge und Hügel nicht.
Er hängt da am Kreuz, nach Atem ringend weil sich sein Brustkorb nicht heben kann – ein weithin sichtbares Mahnmal dessen wie grausam Menschen zu Menschen sind.
Man kann es sehen – von Ferne oder direkt darunter stehen.
Man kann es übersehen, vergessen, verdrängen.
Aber es geschieht.
Jetzt.
Irgendwo teilen sich Soldaten seinen Besitz, plündern.
Während die einen sterben, schachern die anderen.
Sie sichten seine Kleider, für jeden findet sich etwas.
Sie betrachten das eine genauer: So was hat er besessen? Gewebt in einem Stück! Das ist nicht nur ein Meisterstück der Weberei. Solche Gewänder trugen hohe Priester – ob sie das bemerken?
Die Qualität der Beute lässt zögern. So fällt das Los, erfüllt sich prophetische Weissagung, schreibt Gott sich in die Geschichte auch hier ein, bleibt präsent, wie abgründig es auch zugeht.
„Das zwar“ schreibt der Evangelist Johannes, taten die Soldaten.
„Das zwar…“
Das tun die einen. Es ist völlig normal dort, wo Menschen gewaltsam sterben.
Das zwar – aber auch!
Auch Jesus hat noch etwas zu tun auf dieser Welt.
Auch er schaut auf das, was bleibt – auch er hat ein Vermächtnis.
Es erfüllt sich an denen, die bis zum Schluss mitgegangen sind:
Seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Kleophas und Maria Magdalena. Frauen sind es. Wie die Mutter von Alexei Nawalny oder Svetlana Tichanowskaja. Sie tragen eine Idee weiter. Sie werden später am Grab sein.
Sie überleben und halten das aus.
Und Johannes, der Jünger, den er liebte, war auch da.
Jesus sieht sie stehen. Ganz nah. Und verbindet sie:
Sieh doch! Dein Sohn! Deine Mutter!
Es ist das letzte Mal, dass er zeichenhaft in das Leben anderer eingreift. Es wird geschehen wie er gesagt hat.
Johannes nimmt Jesu Mutter zu sich.
Jesu Vermächtnis ist zutiefst solidarisch.
Lasst euch nicht allein!
Steht einander bei – gerade jetzt.
Es sind alle Preise gezahlt.
Es ist alles Schlimme passiert.
Es scheint zu Ende zu sein.
Und doch wird es Abend und Morgen – ein neuer Tag.
Für den brauchte es Fürsorge, einen Nächsten und ein Zuhause.
Sie mögen ihn ans Kreuz geschlagen haben. Sie können ihn nicht umbringen.


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  Was für ein Tag!

Was für ein Tag!

Heiko Frubrich, Prädikant - 28.03.2024

Was für ein Tag!
Was für ein Tag! Selten liegen die Gründe für große Freude und tiefe Dankbarkeit auf der einen und kaum auszuhaltende Spannung und schmerzhafte Enttäuschung auf der anderen Seite so dicht beieinander. Wir feiern heute, dass Jesus für uns im Abendmahl einen Begegnungsort gestiftet hat, an dem wir uns immer wieder seiner erinnern und seine Nähe in ganz besonderer Weise erleben können.
Alle hat er beim letzten Abendmahl, das er in seinem irdischen Leben gefeiert hat, willkommen geheißen – alle, selbst den, der ihn nur kurze Zeit später verraten sollte. Zum Brot des Lebens und zum Kelch des Heils sind alle eingeladen, die sich zu Christus bekennen, alle, die mühselig und beladen sind, alle, auch jene, die Vergebung suchen und neu anfangen wollen.
Als Jesus am Gründonnerstag in Jerusalem sagt, dass einer von den Zwölfen ihn verraten wird, sitzen sie alle gemeinsam zu Tisch. Und einer nach dem anderen fällt ist Selbstzweifel und einer nach dem anderen fragt: „Bin ich‘s?“ Welche Spannung mag dort geherrscht haben, wie viel Misstrauen wach und wie viel Angst spürbar geworden sein. Und die Erkenntnis, dass es Judas ist, wie viele Scherben aus zerbrochener Freundschaft und zerstörtem Vertrauen mag sie hinterlassen haben?
Und es ist noch nicht genug. Als Jesus am Abend im Garten Gethsemane Gott bittet, doch diesen Kelch an ihm vorübergehen zu lassen, da erleben wir ihn in der tiefsten Einsamkeit, die überhaupt vorstellbar ist. Denn seine Freunde, die er gebeten hat, mit ihm zu wachen und zu beten, sie schlafen ein. Und auf seine dreimal unter Tränen an Gott gerichtete Bitte, ihn zu verschonen, erntet er nur eisiges Schweigen.
Doch trotz all dieser Enttäuschungen vollzieht sich in Jesus eine wunderbare Wandlung. Denn als er vom Beten zurückkehrt und seine schlafenden Freunde findet, hat er neue Kraft gefunden. „Steht auf, lasst uns gehen!“ Das sagt er zu ihnen. Steht auf! Lasst eure Schwäche und Müdigkeit hinter euch und lasst uns weitergehen auf unseren Lebenswegen. Obwohl Gott auf Jesu Bitten vermeintlich nicht geantwortet hat, obwohl seine engsten Freunde ihn nicht unterstützt haben, hat Jesus neuen Mut und neues Gottvertrauen gefunden, sich zu unser aller Diener zu machen und sich für uns hinzugeben.
Und er lässt uns daran teilhaben. Denn was er seinen Jüngern sagt, das gilt auch uns. Steht auf! Amen.

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  Grenzwertig?

Grenzwertig?

Heiko Frubrich, Prädikant - 27.03.2024

Grenzwertig?
„Sehet, welch ein Mensch!“ Das ruft Pilatus aus, als er den gefolterten und mit Purpurmantel und Dornenkrone verhöhnten Jesus dem Volk präsentiert. Sehet, welch ein Mensch. Und, in der Tat, das war er auch, ein Mensch. Und ich finde, dass dies gerade in den letzten Tagen seines irdischen Lebens überdeutlich wird. Wenn man die Evangelien liest, dann wird Jesus über weite Strecken bei allem, was er sagt und tut, sachlich, besonnen und beinahe abgeklärt dargestellt. Ja, manchmal ist er leicht genervt vom Unverständnis seiner Gefolgsleute, doch das kommt sehr selten vor. Doch gleich nach seinem Einzug in Jerusalem am Palmsonntag erleben wir eine überraschende Wendung.
Jesus geht in den Tempel und räumt dort in einer Weise auf, die wir an ihm so noch nie gesehen haben. Er jagt die Händler mitsamt ihren Opfertieren auf die Straße und stößt die Tische der Geldwechsler um, an denen man die heimische Währung in die für die Bezahlung der Opfertiere vorgeschriebenen tyrischen Schekel umtauschen konnte. Wir erleben hier einen jesuanischen Wutausbruch, der seinesgleichen sucht. Jesus wendet hier ganz offen Gewalt an – zum ersten und einzigen Mal.
Wird er sich damit selbst untreu? „Selig sind die Sanftmütigen“, so sagt er es in der Bergpredigt. Doch an Sanftmut erinnert sein Verhalten nicht. Wichtig finde ich, darauf zu achten, für was sich Jesus hier so energisch ins Zeug legt. Es geht ihm nicht um sein eigenes Wohl. Es geht ihm um die Heiligkeit und die Offenheit des Tempels. Hier sollen alle Völker zum Gebet willkommen sein. Tatsächlich aber werden Reiche bevorzugt. Wer arm ist und nichts zu opfern hat, muss draußenbleiben.
Doch es bleibt die Frage, die an Aktualität nichts verloren hat: Wie weit darf ich gehen? Wie lebt man Sanftmut, wenn ein Machthaber getrieben von imperialistischem Größenwahn ein anderes Land überfällt und so sehenden Auges Zehntausende von Menschen in den Tod schickt? Jesus hat immer wieder gezeigt, dass er auf der Seite der Schwachen, der Armen und der Unterdrückten stand. Seinem Beispiel zu folgen, ist sicherlich richtig. Aber wo sind die Grenzen? Ist es in Jesu Sinne, Waffen zu liefern, deren Einsatz dazu führt, dass Menschen sterben. Oder ist es besser, keine Waffen zu liefern, wohl wissend, dass auch das das Sterben nicht beendet?
Jede und jeder von uns steht vor der Aufgabe, sich zu diesen Fragen zu verhalten, den eigenen Standpunkt zu finden oder eben auch festzustellen, dass die Suche danach erfolglos bleiben wird. Manchmal bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere innere Zerrissenheit auszuhalten. Doch wir dürfen Gott davon erzählen und ihn im Gebet um Rat und Hilfe bitten. Wie gut, dass er uns zuhört. Amen.

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  Judas - wer war er?

Judas - wer war er?

Heiko Frubrich, Prädikant - 26.03.2024

Judas – wer war er?
Standesämter lehnen es ab, Kindern seinen Namen zu geben. Sein Kuss hat es zu Weltruhm gebracht – weit über kirchliche Kreise hinaus. Er musste herhalten als Argument für Antisemitismus. Seine Rolle in Jesu Passionsgeschichte ist zentral, komplex und immer wieder Anlass für Diskussionen, Mutmaßungen und Unterstellungen. Ich rede von Judas Iskariot, dem Jünger, der Jesus verriet.
War er tatsächlich der korrupte Bösewicht, der sich für 30 Silberlinge kaufen ließ, 30 Silberlinge, von denen die Hohepriester hinterher sagten, dass es Blutgeld sei? Tatsächlich hat es zwei Leben gekostet, dieses Geld, denn nicht nur der Verratene stirbt, sondern auch der Verräter; er sogar durch eigene Hand.
Was war er für ein Mensch und was war seine Motivation, so zu handeln, wie er gehandelt hat? Wir wissen, dass er sich um die Finanzen kümmerte, dass er am lautesten protestierte, als eine Frau im Hause Simeons kostbares Öl über Jesus ausgoss und so aus ihm den Gesalbten, den Christus machte. Was trieb ihn an? Ihn für all die Geschehnisse verantwortlich zu machen, die sich bis zum Karfreitag ereigneten, ist ganz sicher eine falsche Ableitung. Jesu Tod am Kreuz war nicht das Ergebnis eines menschlichen Verrats. Jesu Tod am Kreuz war Teil des göttlichen Plans, einen neuen Bund mit uns Menschen zu begründen.
Also war Judas dann nur eine Art Kollateralschaden auf diesem Weg? Auch das erscheint mir fragwürdig. Vielleicht war er einer der wenigen, wenn nicht sogar der Einzige, der verstanden hatte, was notwendig war, um die Geschichte voranzubringen. Vielleicht hatte er bemerkt, dass es Zeit war, den entscheidenden Anstoß, den es noch brauchte, zu geben. Vielleicht war er derjenige, der dazu ausreichend mutig war?
Oder wollte er Jesu retten? Vielleicht hatte er Hoffnung, dass sie ihn einsperren würden, erst einmal weg aus der Öffentlichkeit und dann würde schon langsam Gras über die Sache wachsen. Irgendwann würde er wieder freikommen und dann wäre alles wieder gut. Möglicherweise waren das seine Überlegungen. Denn Judas zerbricht in dem Moment, als er sieht, dass Jesus zum Tode verurteilt wird. „Ich habe gesündigt und unschuldiges Blut verraten“, so sagt er im Matthäusevangelium.
Es gibt ein eindrucksvolles Theaterstück von Lot Vekemans über diesen Judas Iskariot, in dem nur er zu Wort kommt und die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt. Ganz am Ende wendet sich Judas darin an das Publikum und fragt:
„Ihr ach so schlauen Leute, wenn ich die Geschichte zurückdrehen könnte / Keine Tat des Verrats, wie Ihr das gerne nennt / Kein letztes Abendmahl / Kein Kuss / Kein Kreuz / Kein Tod / Würdet Ihr das wirklich wollen?“
Amen.

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  Hosianna!

Hosianna!

Heiko Frubrich, Prädikant - 25.03.2024

Gestern haben wir Gottesdienst zum Palmsonntag gefeiert – natürlich mit Palmzweigen und mit Esel und mit Prozession. Und wir haben Hosianna gesungen, lange, kräftig, mit der ganzen Gemeinde, im Kanon. So soll es auch in Jerusalem gewesen sein, wie uns die Bibel berichtet, als Jesus mit seinen Jüngern in die Stadt kam. Die Menschen haben ihn stürmisch begrüßt. Doch sie haben nicht nur gejubelt, sie haben geschrien, wie zu lesen ist. Und dieses Hosianna ist kein Ausdruck von Freude und Begeisterung. Hosianna bedeutet: Hilf doch!
Hilf doch, du König von Israel. Hilf uns heraus aus der Unterdrückung unserer römischen Besatzer. Führe uns in die Freiheit zurück und mach ein Ende mit der Steuereintreiberei, mit unserer Entrechtung und Knebelung. Mach uns wieder zu einem stolzen und freien Volk! Diese Wünsche haben mitgeklungen im Hosianna – hilf doch!
Jesus sagt die ganze Zeit kein einziges Wort. Schweigt er, weil er in den Menschen, die ihm jetzt noch mit Palmzweigen zuwinken, jene erkennt, die in wenigen Tagen seine Kreuzigung fordern werden? Schweigt er, weil er Kraft sammelt, um all das zu ertragen, was auf ihn wartet? Schweigt er, weil er enttäuscht ist, dass die Menschen offenbar nicht verstanden haben, welche Art von König er tatsächlich ist?
Jesus hat aus seiner Bestimmung nie ein Geheimnis gemacht. Immer wieder hat er gesagt, dass er sterben muss und wieder auferstehen wird. Doch das war für die Menschen seinerzeit derartig unglaublich, dass sie es nicht angenommen haben. Sie wollten etwas anderes glauben, etwas anderes hoffen, etwas anderes erleben. Deshalb schreien sie Jesus ihr forderndes Hosianna – Hilf doch – entgegen.
Immer wieder tappen Menschen in die Falle, dass sie das hören, was sie hören wollen und nicht das, was tatsächlich gesagt ist. Und immer wieder ist hinterher die Ausrede zu hören: „Das haben wir doch aber alles gar nicht gewusst.“ Doch vieles wäre zu hören und zu wissen und dann auch zu verhindern gewesen. Vieles ist auch heute zu hören, zu wissen und zu verhindern, wenn wir denn genau zuhören.
Jesu Passionsweg hatte nur ein einziges Ziel: uns von unseren Sünden zu befreien und uns die Tür zu öffnen zum ewigen Leben in Gottes Herrlichkeit. Dafür ist er ans Kreuz gegangen, dafür hat er sich verraten, verleumden und umbringen lassen. Er hat es für uns getan. Seine Befreiung war viel größer als das, was die Menschen in Jerusalem von ihm erhofft hatten, seine Befreiung war viel grundlegender, viel existenzieller.
Doch wir sollten uns davor hüten, die Menschen in Jerusalem mittleidig zu belächeln. Ja, wir wissen heute mehr, als sie wissen konnten. Doch auch uns steht Demut gut zu Gesicht. Denn es gilt weiterhin, dass der Friede Gottes höher ist, als all unsere menschliche Vernunft. Und das wird sich in diesem Leben auch nicht ändern. Amen.

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  Mitten hinein

Mitten hinein

Cornelia Götz, Dompredigerin - 23.03.2024

Über dieser Woche stehen noch immer ein paar Verse aus dem Markusevangelium:
Da sagt Jesus zu den Seinen -
zu denen, die Krieg, Gewalt, Hunger und Not aus nächster Nähe kannten, die schon so viel durchgemacht hatten und vielleicht aufgegeben hätten um sich nicht verführen zu lassen an etwas zu glauben, das dann doch nichts wird,
zu denen also, die wirklich Ernst damit gemacht haben, ihr eines Leben in seine Hände zu legen:
„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem. Dort wird der Menschensohn den Hohepriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert. Sie werden ihn zum Tode verurteilen und an die ausliefern, die unser Land besetzen. Die werden ihn verspotten und anspucken und auspeitschen und töten.“
Was für eine Vollbremsung!
Was für ein ungeheurer Schlag ins Kontor.
Seht. Dort gehen wir hin und ich werde das nicht überleben.
Er weiß es.
Es scheint unabänderlich zu sein.
Was hat er sich auch gedacht? Allein gegen das System…
So stirbt die Hoffnung.
Tut sie das?
Galina Timtschenko, Mitbegründerin des russischen Exilmediums „Meduza“ sagte am letzten Sonntag
während der russischen Wahlen,
während in unseren Kirchen dieser Text verlesen wurde:
sie sei - erst Recht nach dem elenden Tod Alexei Nawalnys - absolut hoffnungslos. Man müsse aber trotzdem aufstehen und Zähneputzen und weitermachen.
Das ist womöglich der Move, mit dem sich die Jünger jetzt nach Jerusalem schleppen - im Ohr denunbegreiflichen abschließenden Halbsatz: „Und nach drei Tagen wird er auferstehen.“
Nach drei Tagen.
Wenn die Katastrophe eh schon passiert ist.
Wenn das Unheil sich unabänderlich ins Werk gesetzt hat.
Was kann danach noch sein?
Ich drehe und wende diese wenigen Zeilen und denke mir:
Das angekündigte Unglück hat solche Dominanz, es bindet alle unsere Kraft. Es ist fast folgerichtig darin zu überhören, dass nicht nur das Schlimme passiert sondern auch unbegreifliche Wunder.
Oder mit Hilde Domin:
„Unsere Kissen sind nass / von den Tränen / verstörter Träume.
Aber wieder steigt / aus unseren leeren / hilflosen Händen / die Taube auf.“

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  Vielleicht erinnert sich wer meiner...

Vielleicht erinnert sich wer meiner...

Cornelia Götz, Dompredigerin - 21.03.2024

Manchmal kommen auf eigentümliche Weise Momente zusammen, die einen gemeinsamen Kern zu haben scheinen:
Da erreicht mich eine Mail mit Ostergrüßen von einem, den ich seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen habe. Es war ein Mathematiker, der nach der Wiedervereinigung zu alt für Stipendien und zu jung für eine Professur war, angefasst davon, dass seine Abschlüsse nicht anerkannt wurden. So verließ er das Land. Vorher aber brachte er mit den nun vorhandenen Zutaten unsere Studentenküche zum Glühen und füllte Fasane mit Rosinen und kochte die erste Bouillabaisse meines Lebens. Ich sah sein Gesicht vor mir. Seine leuchtenden Augen.
Unter dem IPad, auf dem ich das schreibe liegt eine neue Tischdecke - Leinen mit Hähnen darauf. Meine Mutter hat sie am Wochenende für mich genäht und dazu gesagt: „Ich sag lieber nicht, damit Du morgens an mich denkst. Meine Mutter hat das gemacht, als sie mir eine grüne Wäscheleine mit rosa Klammern schenkte. Jahrelang konnte ich keine Wäsche aufhängen ohne zu weinen.“
Und dann ist da noch der Deutschlandfunk und die Stimme eines Mannes, der weiß, dass sein Vater noch immer im nördlichen Teil des Gazastreifens ist und anschließend in der Morgenandacht die Geschichte einer Urururgroßtante, die als Nonne nach Bosnien ging um ein Waisenhaus aufzubauen. Dazwischen immer wieder die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza und Freilassung der Geiseln, der Krieg in der Ukraine…
Während also diese so unterschiedlichen Momente noch in mir arbeiten, steigt ein Gedicht auf. Eva Strittmatter hat es geschrieben. Vielleicht in einem einsamen Moment:
„Vielleicht erinnert sich wer meiner. / Einer, der geht durch Leningrad. / Oder ein andrer in Kaluga. / Und wer in einer deutschen Stadt.
In dieser Stunde scheint mir sicher: / Wir sind Gefäß für fremden Wein. / In mir sind alle, die mich trafen. / So möchte ich in allen sein.“
Vielleicht erinnert sich wer meiner?
Vielleicht trägt jemand im Herzen mein Bild weiter, den Klang meiner Stimme?
Vielleicht schließt mich jemand in sein Gebet ein?
Vielleicht fällt jemanden wieder ein, dass ich Angst habe, verloren zu gehen?
Vielleicht behält jemanden meinen Namen, wenn andere ihn aus radieren wollen?
Vielleicht rührt solche Erinnerung jemandes Gewissen, der handeln könnte?
Vielleicht…
Eva Strittmatter war, soweit ich weiß, keine Christin. Aber ich denke, dass wir mit unseren Namen aufgehoben sind bei Gott, dass wir verbunden sind durch einen Geist, der Tröster heißt, dass Gott die Liebe in unser Herz gesenkt hat.
All das spüren wir in solchen Momenten geteilter Erinnerung.
Und auch, was es bedeutet einer dem anderen der Nächste zu sein - durch Raum und Zeit.

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  Demut

Demut

Cornelia Götz, Dompredigerin - 20.03.2024

Zeitzeichen, vielleicht die bekannteste evangelische Monatszeitschrift, titelt: „Demut“. Ausgerechnet. Wäre nicht „Mut“ dran gewesen. Empowerment???
Demut also.
Das Wort kommt aus dem Althochdeutschen und meint so etwas wie das Gemüt eines Dieners. Seine Seelen Befindlichkeit.
Wie mag die sein?
Erwartungslos, bescheiden, einsichtig und eigener Grenzen bewusst…
Wird das nicht nur zu noch mehr Unsichtbarkeit, Ohnmacht, Schweigen führen? Das springt mich an – erst recht nach einem Abend wie dem gestrigen, als der ehemalige Berliner Bischof Markus Dröge so dringend darum warb, sich jetzt zu bekennen, klar „Ja“ oder „Nein“ zu sagen , rote Linien zu ziehen.
Hilft dabei eine Dienerseele?
Das sollte ich mich nicht fragen. Wir hören ja: „Die Ersten werden die Letzten sein“ oder wie Martin Luther 1520 schrieb: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Dann also doch: was hat es mit der Demut auf sich? Gerade jetzt?
Und ich lese: „Gibt es einen Weg der Humanität, …der ohne Demut auskommt?“ und weiter: „Man darf sich nicht gewissenlos irgendeiner Autorität unterwerfen. Man darf aber auch nicht gewissenlos sich selbst dem eigenen ich unterwerfen.“ Mithin: nachdem wir lange dafür gekämpft haben, uns selbst finden und „Ich“ sagen zu dürfen ist nun der Punkt gekommen, „Mehr sein zu dürfen als ein dürftiges Ich.“
Ein „Wir“ im Dienst einer großen Idee.
Das werden wir werden wir brauchen. Gerade jetzt.
Und damit wir uns dabei nicht verirren, nicht Rattenfängern, Demagogen und Lügnern auf den Leim gehen, wird des gut sein, sich dann und wann der Jahreslosung zu vergewissern:
„Alles, was ihr tut, lasst in der Liebe geschehen.“ 1. Kor 16,14
Das ist und bleibt ein gutes versöhnliches im besten Sinne demütiges Kriterium und hält zugleich wach: was ihr „tut“. Tut.

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  Friedenstüchtig werden

Friedenstüchtig werden

Cornelia Götz, Dompredigerin - 18.03.2024

Letzte Woche war ich in der Woltersburger Mühle, einem Friedensort der Hannoverschen Landeskirche. Es ging um Friedenstheologie, darum, wie wir „friedenstüchtig werden“ können.
Den Kontext zur Tagung lieferte August Pradetto, Sicherheitsexperte und emeritierter Professor der Hamburger Universität der Bundeswehr. Nüchtern beschrieb er die Eskalation der vergangenen zwei Jahre: was heißt es, wenn wir jetzt von „Kriegstüchtigkeit“ statt von „Verteidigungstüchtigkeit“ reden und im Raum steht, ob Deutschland Atomwaffen braucht, wenn die NZZ schreibt: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ und damit den nationalsozialistischen Völkerrechtler Carlo Schmitt zitiert. Und: Werden wir uns indem wir einander zu Feinden erklären nicht immer ähnlicher?
Es ging um Doppelstandards. Wofür werden die einen angeklagt, die anderen aber nicht?
Abend und Morgen. Ein neuer Tag.
Und ein Bericht von Friedrich Kramer, Bischof der mitteldeutschen Kirche und Friedensbeauftragter, der konstatierte: nach der Friedensdenkschrift und der Friedenssynode gibt es eine Umkehr aller Gewissheiten, die nicht durch den Ruf Jesus Christi in seine Nachfolge sondern durch den Ukraniekrieg motiviert ist.
Jetzt ist die Zeit der Saulusbekenntnisse: „Früher habe ich …, aber dann?!“
Zeit für Bibelarbeit.
In der Einleitung zu den Seligpreisungen heißt es: Sehend das Leid der Menschen, öffnete er seinen Mund und sprach:
Sehend. Dieser Anfang sagt: alles was kommt ist nicht unabhängig von Zeit und Ort.
Der hier spricht, sieht das konkrete Leid.
Und auch: Das was er sagt, fällt nicht vom Himmel, sind nicht die unrealistischen Vorstellungen eines Menschen, der nicht ganz von dieser Welt ist – sondern das Ergebnis eines generationenlangen Ringens:
Schon im Psalm 37 heißt es erfahrungsgespeist und leidgeprüft:
„Die Sanftmütigen erben das Land, erquicken sich an der Fülle des Friedens.“
Immer schon ging es um die Zähmung und Unterbrechung der Gewalt.
Darum steht das Verbot zu töten in der Mitte der 10 Gebote.
Drumherum sind Zäune gebaut.
Im ersten geht es um die Familie: die Eltern, die Ehe.
Im zweiten geht es um die Ökonomie / den Diebstahl und den Sabat, den freien Tag.
Hinterm dritten Zaun stehen Gottes Name und das falsche Zeugnis – der öffentliche Diskurs. Und außenrum: das Verbot des Gottesbildes und der Gier.
So viele Zäune schützen davor zu töten.
Denk nicht mal dran!
Und noch eine Bibelarbeit: zum 1. Thessalonischer:
„Wir aber, die wir Kinder des Lichtes sind, wollen nüchtern sein“ – nicht wütend, nicht verzweifelt, nicht empört – „angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und dem Helm der Hoffnung.“
Glaube, Liebe , Hoffnung
Die Hoffnung ist hier die größte unter ihnen.
Und sie ist, auch das hab ich gelernt, etwas anderes als Optimismus.
Optimismus setzt zwischen den absehbaren Möglichkeiten auf die bessere.
Hoffnung weitet den Horizont und glaubt daran, dass wie in der Schöpfungsgeschichte an jedem neuen Tag etwas möglich, das gestern noch nicht war. Möge es so sein!

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  Wir setzen uns mit Tränen nieder

Wir setzen uns mit Tränen nieder

Heiko Frubrich, Prädikant - 16.03.2024

Es ist der Chor der Augenzeugen, der Chor derer, die gehört haben, was passiert ist, der Chor der Erschütterten, der Enttäuschten, der Trauernden. Und ja, es ist auch der Chor der Liebenden. „Wir setzen uns mit Tränen nieder und rufen dir im Grabe zu: Ruhe sanfte, sanfte ruh!“
Jesu Jünger mögen mit einstimmen in diesen Choral – einige von ihnen werden sich mitverantwortlich fühlen für diese Katastrophe von Golgatha. Sie haben ihren Lehrer, ihren Meister, ihren Freund, mit dem sie drei Jahre lang unterwegs waren, alleingelassen, gerade als er sie wohl am meisten gebraucht hat. Doch es wird ebenso tiefe Enttäuschung mitgeklungen haben, denn das, worauf sie und so viele andere alle Hoffnung gesetzt hatten, ist jämmerlich und weithin sichtbar untergegangen. Der neue und strahlende König erweist sich als vollkommen hilflos und stirbt erbärmlich am Kreuz.
Es ist der Schlusschor aus Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion, der all das ausdrückt und der Charles Marie Widor zu seiner Bearbeitung inspiriert hat, die wir gleich hören werden.
In Bachs Werk, das durchgängig zweichörig geschrieben ist und in dem diese Chöre unterschiedliche Rollen einnehmen, singen sie nun gemeinsam. Jesu Tod am Kreuz betrifft alle Menschen. Was dort vor gut 2000 Jahren am Karfreitag in Jerusalem passiert ist, war epochal, eine echte Zeitenwende.
„Ruht, ihr ausgesognen Glieder, euer Grab und Leichenstein soll dem ängstlichen Gewissen ein bequemes Ruhekissen und der Seelen Ruhstatt sein“, so heißt es weiter. Wo sehen Sie, ja, wo sehen wir unseren Platz in diesem Chor? Oder stehen wir vielleicht nur daneben und denken: Na, das war ja wohl nix? Schließlich wissen wir, dass es mit der Ruhe der ausgesogenen Glieder nicht weit her war. Denn die Geschichte von Jesu Passion ist ehrlicherweise und im wahrsten Sinne des Wortes „Gott sei Dank!“ mit dem Karfreitag nicht zu Ende erzählt.
Das Licht des Ostermorgens beendet die Grabesruhe. Das Licht des Ostermorgens zerstreut die Enttäuschung, die Trauer und die Verzweiflung derer, die da singen und wandelt sie in Hoffnung und Freude. Jesu Tod ist nicht von Dauer, sondern er mündet in einen strahlenden Sieg des Lebens, das Gott nicht nur seinem Sohn schenkt, sondern uns allen – Ihnen und Euch und mir!
Bei Charles Marie Widor wird dies wie ein zarter Silberstreif am Horizont deutlich, wenn der Schlussakkord in strahlendem Dur erklingt. Und Jesus Christus spricht: „Ich lebe und Ihr sollt auch leben!“ Amen.

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  Am Füreinander wachsen

Am Füreinander wachsen

Henning Böger, Pfarrer - 15.03.2024

„Man kann bitter werden, oder man wächst.“ Dieser Satz steht am Ende des neuen Buches der Schriftstellerin Elizabeth Strout. „Am Meer“ heißt ihr Roman, der die Geschichte einer Flucht erzählt.
Rückblende: Im März 2020 erhält Lucy einen Anruf von ihrem geschiedenen Mann. Der arbeitet als Wissenschaftler und ahnt, welche tödliche Gefahr vom Corona-Virus ausgehen wird. Er sagt: „Wir müssen New York sofort verlassen.“ Hals über Kopf verlassen sie die Metropole, in der Menschen bald zu Tausenden sterben werden, und fahren in ein Haus am Meer. Vier Wochen wollen sie bleiben, am Ende wird es ein ganzes Jahr.
Es ist ein Jahr voller Sorge, die wir in der Pandemie wohl alle selbst geteilt haben: die Sorge um die Eltern und Partner, die Kinder und Enkelkinder, die Freunde und Kollegen.
Lucy und ihr Mann erleben, was alle damals erlebt haben: wie das Leben stillsteht und dann vorsichtig wieder in Bewegung kommt. Manchmal trifft man sich, trägt Maske und hält Abstand zu einander. Und merkt dabei, wie sehr man aufeinander angewiesen ist.
Man dürfe nicht nur mit dem eigenen Kopf denken, sagt die Protagonistin Lucy an einer Stelle des Romans. Man müsse immer auch versuchen, in den Kopf der anderen zu kommen, um sie besser zu verstehen. Bei aller Sorge bleibt am Ende diese Erkenntnis: „Man kann bitter werden, oder man wächst.“ Ja, Sorgen haben Gewicht nach unten im Leben. Sie können auch lästig sein, aber oft halten sie uns auch lebendig. Sorgen haben ihren Wert darin, dass sie uns Menschen helfen, einander im Blick zu behalten, uns umeinander zu kümmern. Denn wer sich kümmert, der verkümmert nicht. Ich denke, das ist es, was Jesus meint, wenn er sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben!“ Das ist kein Aufruf, einfach nur sorglos vor sich hinzuleben. Nein, es ist ein Wink, auf das Leben anderer zu achten, darin die Schwere, die Last und den Zweifel wahrzunehmen und sich selbst etwas angehen zu lassen.
Wer sich um andere sorgt und nicht nur um sich selbst, so verstehe ich Jesus, der behält einen wacheren Blick auf das eigene Leben. Das soll dabei helfen, über eigene Sorgen nicht bitter zu werden, sondern am Füreinander menschlich zu wachsen.

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Domsekretariat
0531 - 24 33 5-0
dom.bs.buero@lk-bs.de
Sprechzeiten :
Di. bis Do. – 10.00 - 16.00 Uhr

Domkantorat
0531 - 24 33 5-20
domkantorat@lk-bs.de
Sprechzeiten :
Di. bis Do. – 10.00 - 15.00 Uhr

Jede Woche im Dom:

Montag bis Freitag – 17.00 Uhr
ABENDSEGEN
Mittwoch: mit Versöhnungsgebet von Coventry
Freitag: mit Feier des Abendmahls

Samstag – 12.00 Uhr
MUSIKALISCHES MITTAGSGEBET

Sonntag – 10.00 Uhr
GOTTESDIENST

Öffnungszeiten Dom:

Montag bis Sonntag – 10.00 - 17.00 Uhr
Zwischen Anfang Januar und Mitte März gelten die Winteröffnungszeiten:
Montag – 15.00 - 17.00 Uhr
Di. bis So. – 10.00 - 13.00 Uhr und 15.00 - 17.00 Uhr


Öffentliche Domführungen:

Montag bis Samstag – 14.00 Uhr
durch Mitglieder der DomführerGilde
In der Zeit von Anfang Januar bis Mitte März finden keine öffentlichen Führungen statt!